100. Jubiläumsausgabe der Zeitschrift RISIKO MANAGER

Turning Risk into Value


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Welchen Stellenwert wird das Risikomanagement in der Zukunft einnehmen? Was sind die größten Herausforderungen im Risikomanagement der Zukunft? Wie wird die Welt des Risikomanagements in 5 oder 10 Jahren aussehen? Was sind die wesentlichen Lehren aus der jüngsten Finanzkrise? Aus dem Mosaik an Meinungen und Stimmungen ergibt sich ein klares Bild: Das Thema Risikomanagement wird zukünftig eine noch größere Bedeutung haben und muss noch stärker mit der strategischen Steuerung im Unternehmen verknüpft werden. Die Redaktion der Fachzeitschrift RISIKO MANAGER hat - im Rahmen ihrer 100. Jubiläumsausgabe - Risikomanager aus Banken und Versicherungen sowie Wissenschaftler nach Ihrer Einschätzung befragt.

Joachim Oechslin, Chief Risk Officer, Munich REJoachim Oechslin, Chief Risk Officer, Munich RE: Turning Risk into Value

Unser Produkt ist Risikomanagement. Unsere Mission heißt: "Turning Risk into Value". Als Weltmarktführer in der Rückversicherung und als global tätige Versicherungsgruppe ist es unser Ziel, den Standard in Sachen Risikomanagement zu setzen. Schmerzvolle Erfahrungen in der Vergangenheit haben uns das klar vor Augen geführt. Heute können wir sagen, dass sich unser Risikomanagement-Ansatz in einer der schwersten Finanzkrisen der letzen 100 Jahre bewährt hat.

Die größten Herausforderungen im Risikomanagement der Zukunft? Erstens: Im Finanzsektor die Einsicht zu festigen, dass es im Risikomanagement nicht darum geht, die Kapitalanforderungen kleinzurechnen um die Eigenkapitalrendite in die Höhe zu treiben – das ist mittel- und langfristig eine schlechte Strategie. Zweitens:  Die Früherkennung von systemischen Risiken zu schärfen. Hier bin ich allerdings eher Pessimist. Drittens: Es wird darum gehen, die Risikomanagement-Funktion vom Unternehmens-Polizisten in einen wahren Partner für das operative Geschäft zu entwickeln.

Univ.-Prof. Dr. Arnd Wiedemann, Inhaber des Lehrstuhls für Finanz- und Bankmanagement, Universität SiegenUniv.-Prof. Dr. Arnd Wiedemann, Inhaber des Lehrstuhls für Finanz- und Bankmanagement, Universität Siegen

Spätestens die dramatischen Ereignisse der jüngsten Vergangenheit haben allen Beteiligten die herausragende Bedeutung eines funktionierenden Risikomanagements deutlich vor Augen geführt. Wenn nicht jetzt, wann dann? Im Mittelpunkt müssen die verlässliche Quantifizierung der Risikotragfähigkeit einer Bank oder Versicherung und das systematische Abwägen zwischen Chancen und Risiken stehen.  

Die Herausforderungen im Risikomanagement der Zukunft sehe ich in einer erheblich intensiveren Auseinandersetzung der handelnden Akteure mit den Ergebnissen der Risikomessung. Das Verständnis für die angewandte Methodik, die zugrunde gelegten Annahmen, die sachgerechte Interpretation der Ergebnisse, das stete Verproben und Plausibilisieren der Analysen sind fortlaufend zu trainieren. Lebenslanges Lernen gilt für das Thema Risikomanagement mehr denn je. Auch und gerade in die Qualifikation der Mitarbeiter und leitenden Führungskräfte muss daher zukünftig noch mehr investiert werden.

Jens Schmidt-Bürgel, Managing Director und Geschäftsführer der Fitch Deutschland GmbHJens Schmidt-Bürgel, Managing Director und Geschäftsführer der Fitch Deutschland GmbH

Vor dem Ausbruch der Finanzkrise hatte das Thema Risikomanagement bei vielen Banken sicherlich nicht den gleichen Stellenwert wie heute. Historisch niedrige Ausfallquoten ließen das Risiko so mancher Transaktionen eher gering erscheinen. Heute steht jedoch fest, dass die Banken am besten durch die Krise gekommen und Krisengewinner sind, die sich durch ein sehr gutes Risikomanagement auszeichnen. Seit der Börsenkrise 2002/03 und im Zuge der Vorbereitungen auf Solvency II, hat das bereichsübergreifende Risikomanagement bei den Versicherern einen deutlich höheren Stellenwert eingenommen. Das gilt besonders für kleinere bis mittelgroße Versicherer. Mit der Einführung von MaRisk (VU) und Solvency II werden Mindeststandards an das Risikomanagement gestellt. Die neuen Eigenmittelanforderungen nach Solvency II werden Art und Umfang des zukünftigen Geschäfts wesentlich beeinflussen.

Die größte Herausforderung stellt das strategische Risikomanagement dar. Darunter verstehen wir ein Risikomanagement für die Risiken, die mit den fundamentalen geschäftspolitischen Positionen verbunden sind und das die wesentlichen Annahmen der Strategie des Managements in Frage stellt. Hierbei geht es im Grunde um einen institutionalisierten Blick über den Tellerrand hinaus. Für alle anderen Herausforderungen wie antizyklische Risikovorsorge, Sicherheitserhöhung beim Hedging durch Kreditderivate, Modelle für Liquiditätsstresstests und so weiter, wird es aus unserer Sicht wohl schneller Lösungen geben.

Dr. Andreas Gottschling, Managing Director, Global Head of Risk Analytics & Instruments, Global Head of Operational Risk Management, Deutsche Bank AGDr. Andreas Gottschling, Managing Director, Global Head of Risk Analytics & Instruments, Global Head of Operational Risk Management, Deutsche Bank AG

Ohne Risiko gibt es kein Bankgeschäft, daher ist ein disziplinierter Umgang mit dem Risiko eine Voraussetzung für die dauerhafte Existenz von Instituten. Das vorausschauende aktive Risiko- und Kapitalmanagement der Deutschen Bank hat sich in den Turbulenzen der Krise bestens bewährt. Die größte Herausforderung im Risikomanagement: Die Debatte über die Kapitalausstattung von Banken bezüglich Tier-1-Ratios und Kapitalqualität oder gar des Trennbankensystems ist zwar einfach, lenkt aber von entscheidenden Faktoren der zukünftigen Finanzmarktstabilität ab. Auf Einzelinstitutsebene sollte der holistische Umgang mit Risiken, statt der oft vorgefundenen siloartigen Divisionierung, Einzug halten. Auf systemischer Ebene sollten Vernetzung und Konzentrationen von Risiken – einschließlich solcher außerhalb des Bankensektors – in Betracht gezogen werden. Ohne Beachtung dieser komplexen systemischen Komponenten ist die nächste große Krise nur eine Frage der Zeit.

Prof. Dr. Axel Lehmann, Chief Risk Officer, Zurich Financial Services AGProf. Dr. Axel Lehmann, Chief Risk Officer, Zurich Financial Services AG

Risiken übernehmen, beurteilen, bewerten und managen ist das Kerngeschäft von Zurich Financial Services. Risikomanagement ist damit integraler Bestandteil unserer Geschäftstätigkeit, sei das im Underwriting, im Investment Management oder in der Schadenbearbeitung. Gleichzeitig sind Risikoüberlegungen stets (expliziter) Bestandteil strategischer oder operativer Entscheidungen. Zurich achtet streng darauf, dass die Balance zwischen Risiko und Rendite mit unserer Strategie abgestimmt ist und wir uns nicht außerhalb unserer Risikotoleranz begeben.

Die größte Herausforderung im Risikomanagement der Zukunft: Die Verwerfungen der letzten zwei Jahre haben gezeigt, dass das Risikomanagement zwar in vielen Finanzinstitutionen nicht schlecht funktioniert hat – einige davon aber trotzdem in größte Probleme geraten konnten. Ein Risikomanagement, das nicht wirklich in die Entscheidungsprozesse eingebunden ist und nicht von Verwaltungsrat und Topmanagement getragen wird, vermag im entscheidenden Fall nichts auszurichten. Ein klares Bekenntnis von ganz oben ist daher unabdingbar, denn nur so kann in einem Unternehmen eine echte Risikokultur entstehen – eine, die nicht Risiken vermeidet, sondern eine, die stets Ertrag wie auch Risiko im Auge behält.

Hans Peter Lang, Leiter Konzernrisikomanagement, Wüstenrot & Württembergische AGHans Peter Lang, Leiter Konzernrisikomanagement, Wüstenrot & Württembergische AG

Risikomanagement hatte in der W&W bereits vor der Finanzkrise einen hohen Stellenwert. Das Risikomanagement gibt es für uns allerdings nicht – Risikomanagement ist eine dynamische Aufgabe, die laufender Weiterentwicklung und Anpassungen an ein geändertes Umfeld unterliegt. Die Finanzkrise hat dann auch bestätigt, dass wir mit der in den letzten Jahren intensiv vorangetriebenen Entwicklung unseres Risikomanagements auf dem richtigen Weg sind.

Die größte Herausforderung: Risikomanagement wird bis heute vielfach unter dem Aspekt der "Brandverhütung" betrieben. Zukünftig wird es die Herausforderung sein, die wertschöpfende Dimension des Risikomanagements deutlicher zu machen. Dies betrifft nicht nur, dass im Rahmen von Solvency II eine maßgeschneiderte Risikokapitalhinterlegung Wettbewerbsvorteile bringt, sondern auch das Risiko- und Ertragssicht auch auf operativer Ebene immer enger zusammenwachsen.

Univ.-Prof. Dr. Christoph J. Börner, Inhaber des Lehrstuhls für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Finanzdienstleistungen, Heinrich Heine Universität DüsseldorfUniv.-Prof. Dr. Christoph J. Börner, Inhaber des Lehrstuhls für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Finanzdienstleistungen, Heinrich Heine Universität Düsseldorf

Banken und Versicherungsunternehmen sind Unternehmen, deren zentrale ökonomische Funktion im Umgang mit Risiken besteht. Sie "handeln und wandeln" Risiken. Damit ist klar, dass Risikomanagement die zentrale Aufgabe bei der Führung dieser Unternehmen ist und so etwas wie eine ganzheitliche Funktion hat.  Wenn man diese etwas abstrakte Aussage operativ im Sinne einer konkreten Führungsfunktion interpretiert und betriebswirtschaftlich umsetzt, darf die zentrale Rolle des Risikomanagements nicht aus den Augen verloren werden.

In den nächsten Jahren wird es vor allem darauf ankommen, den Einsatz quantitativer Methoden und qualitativer Ansätze, auch Erfahrungswissen, auszubalancieren. Die Krise hat gezeigt, dass viele Modelle nur für „normale“ Marktsituationen geeignet sind. Unabhängig davon sind die Anwendungsvoraussetzungen immer zu reflektieren. Diese Modelle müssen natürlich vorangetrieben werden, weil sie wesentliche Entscheidungshilfen liefern. Sie dürfen aber die unternehmerischen Entscheidungen im Risikomanagement nicht ersetzen. Verantwortung darf nicht an Systeme delegiert werden; gleichzeitig müssen diese Systeme fortentwickelt werden.

Wolfgang Hartmann, Vorsitzender des Vorstands, Frankfurter Institut für Risikomanagement und Regulierung (FIRM)Wolfgang Hartmann, Vorsitzender des Vorstands, Frankfurter Institut für Risikomanagement und Regulierung (FIRM)

Seit 2000 hat mit Basel II von der regulatorischen Seite das Risikomanagement der Banken starke Impulse erhalten (MaRisk, Solvabilitätsverordnung, Zertifizierung durch BaFin). Die Finanzmarktkrise hat die G20 auf den Plan gerufen. Im Zuge werden auf Jahre die Banken mit einer weiteren Verschärfung der Finanzmarktregulierung rechnen müssen. Kontrolle der Vergütungsmodelle, erhöhte Anforderungen an die Kernkapitalquoten und eine weltweite Einführung von Basel II nebst Verschärfung der Unterlegungsvorschriften beispielsweise für ABS-Produkte und OTC-Derivate werden kommen. Die Regulierungskosten der Finanzindustrie werden also auf absehbare Zeit weiter ansteigen, weshalb viele den Fokus auf eine möglichst kostengünstige Umsetzung der komplexen Vorschriften legen dürften. Sicher wäre es gefährlich, wenn hierdurch die Bedeutung, die ein leistungsfähiges Risikomanagement für die langfristige Geschäfts- und Erfolgspositionierung eines Finanzinstituts hat, in den Hintergrund gedrängt würde. Leider haben die Geschäftsleitung und das Aufsichtsorgan von Banken häufig die Lösung von Risikomanagementfragen einer kleinen "Spezialistenkaste" überlassen und dabei vergessen, dass ein erfolgreiches Risikomanagement eigentlich das Herzstück des Bankmanagements darstellt.

Die Herausforderungen an das Risikomanagement: Steigende Haftungsrisiken und Anforderungen an die Corporate Governance werden alle Mitglieder von Management und Aufsichtsrat dazu zwingen, sich mit der Frage, wie die Bank im Risikomanagement positioniert ist, auseinanderzusetzen. Dies erfordert fundierte Kenntnisse zu den Methoden und Erfolgskomponenten  des Risikomanagement, um die richtigen Fragen zu stellen und Aussagen zum ökonomischen Kapitalverbrauch, dem erwarteter Verlust, zu Klumpenrisiken oder den Ertragsbelastungen (Einzel- und Pauschalrisikovorsorge, Impairments, direkte Handelsbuchverluste) zu verstehen und richtig einzuordnen. Und hierbei geht es weniger darum, nachzuvollziehen, was bereits eingetreten ist, sondern darum, die Risikopotenziale der Bank in der Zukunft aus ihrer Positionierung, den Umfeldbedingungen, der Risikostrategie und der Leistungsfähigkeit der Risikofrüherkennung beurteilen zu können. Das stellt hohe Anforderung an die Qualifizierung und Weiterbildung. Es geht also darum, auf allen Ebenen des Bankbetriebes einen Pool von Mitarbeitern mit guten Kenntnissen  im Risikomanagement zu schaffen. Hierin sieht das Institut für Risikomanagement und Regulierung eine Schwerpunktaufgabe. Die interne und externe Risikokommunikation muss zudem weiter verbessert werden, damit alle Finanzmarktakteure gut zusammenarbeiten können und so frühzeitig Fehlentwicklungen erkennen.

 


100. Jubiläumsausgabe der Zeitschrift RISIKO MANAGERDie 100. Jubiläumsausgabe der Fachzeitschrit RISIKO MANAGER enthält eine Vielzahl von Fachbeiträgen sowie Stimmen zum Thema Risikomanagement aus Wissenschaft und Praxis.

Auszug aus dem Inhalt:

> Stimmen aus Wissenschaft und Praxis
> Rating und Kreditvergabe in Zeiten der globalen Wirtschafts- und Finanzmarktkrise
> Kombination von Ratings bei Mehrfach-Produkt-Nutzung
> Risikoprophylaxe in Osteuropa
> Enterprise Risk Management zur Reduzierung der Kapitalkosten
> Fotonachlese Euro Finance Week 2009
> Risikokonzentrationen und Stresstests – ein integrierter Ansatz
> Anforderungen an das Risikomanagement nach der Finanzkrise
> Risikoaggregationsverfahren für die Kapitalallokation – Konsequenzen und Erkenntnisse aus der Finanzmarktkrise
> Fotonachlese RMA-Jahreskonferenz 2009
> Wirksame Verlustbegrenzung durch Portfoliooptimierung mit Hilfe des Conditional Value at Risk (CVaR)
> Rubriken: Editorial, Kurz & Bündig, Ticker, Buchbesprechung, Produkte & Unternehmen, Personalien

Mit Statements und Beiträgen von

> Univ.-Prof. Dr. Christoph J. Börner, Inhaber des Lehrstuhls für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Finanzdienstleistungen, Heinrich Heine Universität Düsseldorf
> Benoît Claire, Vorstandsvorsitzender Coface Deutschland
> Thies Clemenz, Geschäftsführer, HSBC Global Asset Management
> Andreas Gadmer, Chief Risk Officer, SIGNAL IDUNA Reinsurance Ltd, Zug/Schweiz
> Jörg Geisler, Leiter Risikocontrolling, TeamBank AG
> Dr. Andreas Gottschling, Managing Director, Global Head of Risk Analytics & Instruments, Global Head of Operational Risk Management, Deutsche Bank AG
> Wolfgang Hartmann, Vorsitzender des Vorstands, Frankfurter Institut für Risikomanagement und Regulierung (FIRM)
> Dr. Teo Jašić, Partner im Bereich Financial Services und Risikomanagement, PPI AG, Frankfurt/M.
> Hans Peter Lang, Leiter Konzernrisikomanagement, Wüstenrot & Württembergische AG
> Sabine Lautenschläger, Exekutivdirektorin Bankenaufsicht bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin)
> Prof. Dr. Axel Lehmann, Chief Risk Officer, Zurich Financial Services AG
> Dr. Michael Lesko, ICnova AG
> Martina Neumayr, Director Risk Management Solutions & Partner bei D&B Deutschland
> Dr. Stefan Peiß, Bereichsleiter Risikomanagement und -controlling der KfW Bankengruppe
> Dr. Frank Schlottmann, msgGillardon AG
> Dr. Markus J. Rieder, Geschäftsführer der mjr quantitative solutions gmbh, Kufstein
> Jens Schmidt-Bürgel, Managing Director und Geschäftsführer der Fitch Deutschland GmbH
> Prof. Dr. Diethard B. Simmert, International School of Management (ISM) sowie Geschäftsführer der ISM IRCF GmbH, Dortmund
> Dr. Andreas von Stosch, Leiter Risikomanagement/-controlling, Financial Services, BMW Group
> Joachim Oechslin, Chief Risk Officer, Munich RE
> Olaf Wegner, Abteilungsdirektor für Marktpreisrisikomanagement und -controlling beim Deutschen Sparkassen- und Giroverband e.V.
> Univ.-Prof. Dr. Arnd Wiedemann, Inhaber des Lehrstuhls für Finanz- und Bankmanagement, Universität Siegen


Weitere Informationen sowie Bestellmöglichkeiten unter www.risiko-manager.com




[Bildquelle oben: Bank-Verlag Medien GmbH, Bildquelle unten: diverse]

Kommentare zu diesem Beitrag

Markus /14.12.2009 19:53
Um die weltweite Finanzstabilität zu gewährleisten sollte man gerade durch die Krise gelernt haben, dass man anfangen MUSS ausserhalb der "NORMALEN" Dimensionen zu denken. Insbesondere im Risikomanagement und daraus abgeleitet auch im operativen Geschäft und nicht umgekehrt.

Alle obigen Meinungen implizieren erhöhte regulatorische Anforderungen.
Ob nun durch Solvency, Basel, MaRisk oder Bilanzierungsvorgaben usw.

Jedoch dreht sich alles immer um den Status Quo.

Ein bissl hier.... ein bissl da...

Würde man einen wertstabilen Zustand aller Institute (Level-The-Playing-Fields) definieren bzw. anstreben, mit dem sich auch sehr sehr große Verluste oder negative Entwicklungen abfedern lassen (Verursachungsprinzip und Haftung), stellt sich die Frage, ob nicht so ein Zustand erstrebenswert ist?

Alle Detailvereinbarungen ob nun Banken bzw. Versicherungswelt oder Private-Equity, Hedge-Fonds usw. sollten sich diesem Prinzip unterwerfen.
Besonders im Hinblick auf Nachhaltigkeit und Transparenz.

In Anlehnung an Josef Ackermann, hier ein das Fundament der Geschäftstätigkeit betreffender Vorschlag:

Keine EK-Rendite von 25 %, sodern eine EK-Quote von 25 % !!!

Value-At-Risk oder andere quantitaive Ansätze sind nutzlos...
Das hat die Krise gezeigt.

Natürlich wäre die Umsetzung nicht binnen eines Jahres möglich, aber als mehrjähriger Prozess denkbar.

Selbstverständlich würde das die Gewinne/Dividende in dieser Zeit schmälern.
Es bliebe die Frage: Welche Situation würde dann vorherrschen?
Chronisch unterfinanizierte Finanzinstitute (Leverage) mit unkalkulierbaren Risiken oder substanziell gut aufgestellte Unternehmen.

Zusätzlich sollte der Staat bedenken, wenn sich Institute um eine umfassende verbesserte Kapitalaustattung bemühen, um die Allgemeinheit vor Risiken zu schützen, ob nicht auch dies eine unterstützungswürdige Maßnahme ist.
Bernd /14.12.2009 23:05
@Markus: Warum keine EK-Rendite von 25 Prozent? Wichtig ist jedoch eine risikoadjustierte EK-Rendite von 25 Prozent. Dann würde Herr Ackermann die 25 Prozent schnell relativieren. Auch eine EK-Quote von 25 Prozent hätte weder der IKB, noch der Sachsen LB, der AIG oder der BoA das Leben gerettet. Wenn ich mein EK um den Faktor 50 oder 100 hebel, dann darf ich mich nicht wundern, dass ich am nächsten Tag an der Wand klebe.

Und noch eine Klarstellung: Wieso hat der Value at Risk versagt? Der VaR wurde leider von den meisten Marktteilnehmern völlig falsch interpretiert. Der VaR hat und wird auch nie eine Aussage über extreme Marktsituationen treffen. Das liegt in der Natur der Sache. Wenn ich ein bestimmten Quantil betrachte, blende ich den Tail der Verteilung aus ... leider haben viele Marktteilnehmer den Value at Risk immer wieder als "maximalen Verlust" interpretiert. Das geht leider völlig am wahren Aussagewert des VaR vorbei. Ich empfehle hier die exzellente Definition der VaR hier auf RiskNET sowie die diversen Artikel von Frank Romeike. Aber leider haben viele Banker seine Texte wohl nicht gelesen.

Nein, Markus, leider kann ich Ihnen nur bedingt zustimmen. Aber ich freue mich auf eine Fortsetzung der Diskussion. Denn nur die bringt uns jedes Mal ein STück weiter ...
swissbanker /15.12.2009 05:49
Nachhaltigkeit und Transparenz klingen gut. Aber was heisst das in der Praxis? Nachhaltig bedeutet doch vor allem, dass Unternehmen langfristig die Relation von Rendite und Risiko beachten (das war Bernd als risikoadjustierte EK-Rendite bezeichnet) und langfristig an eine saubere Balance von Risiken und Risikotragfähigkeit denken. Nachhaltig ist es sicherlich nicht, dass EK auf Biegen und Brechen zu leveragen, um die EK-Rendite in die Höhe zu treiben. Das ist kein Kunststück und gerechtfertigt keine hohen Boni-Zahlungen. Und ansonsten kann ich Bernd nur zustimmen!
beat /15.12.2009 07:02
glueckwunsch an die redaktion ... da ist ihnen eine klasse ausgabe gelungen. inhaltlich und vom layout ein "meisterwerk". sehr zu empfehlen. weiter so
Markus /15.12.2009 20:41
@Bernd

Schön dass wir uns einig sind... ;-)

Zum Thema IKB, BoA, AIG usw.:
Blindheit und Rendite-Gier sterben wohl nie aus...
Wenn dann noch mangelnde Aufsicht und Intelligenzschwund hinzu kommt.......

Wer zusätzlich noch Leverage nutzt ( ich habs sehr stiefmüterlich behandelt) bzw. das Geschäftsmodell nur auf Basis riesiger Hebel halbwegs ertragreich ist, sollte man sich ernsthaft Gedanken über die tatsächliche Tragfähigkeit des eigenen Unternehmens machen.... soviel zum Thema Nachhaltigkeit.

Thema VaR:
Wenn ein CEO nicht mal in der Lage ist, den VaR halbwegs richtig zu interpretieren, geschweige denn, die Risk-Net-Version, bzw. Expected Shortfal usw. wie soll selbige Person ein umfassendes Verständnis von der Risikotragfähigkeit eines Unternehmens kommunizieren können.
(Thema der MaRisk:... Der Vorstand hat sich ein ....blabla...--> Nicht deligierbarkeit
der Verantwortung usw. --- ufert hier zu sehr aus, aber ist ebenfalls ein wichtiges Element einer neuen Finanzordnung)

Den CEO zum FRM oder PRM-Lehrgang/Zertifikat schicken bzw. zwingen !!!

In Deutschland gibt´s glaube ich noch bestimmte Berufsstandsgesetze.
Kein Meister fällt vom Himmel,... jeder war mal Lehrling...

Die 25%-risikoadjustierte-EK-Quote ist eine Idee, die wahrscheinlich leichter zu vermitteln ist und die Kapitalbasis der Unternehmen stärken soll. Zusätzlich zum verbesserten Risikobewußtsein.

Zum Abschluß das Thema Transparenz:

Ganz einfach:
1. Keine OTC-Geschäfte, alles sollte über Börsen handelbar sein (Liquiditätssteigerung)
2. Meldepflicht bestimmter Volumina
3. Keine Boni für Leverage
Bernd /15.12.2009 21:33
Die letzten 3 Punkt gefallen mir!

Und leider hast Du auch Recht, dass viele Vorstandsmitglieder nicht fähig sind den VaR richtig zu interpretieren oder (was noch schlimmer ist) eine eigene Definition haben, die mit der Begrenztheit des VaR leider nicht viel zu tun hat. Wie oft habe ich von Vorständen die Definition "maximaler Verlust" im Zuammenhang mit dem VaR gehört. Und niemand widerspricht - weder die Fachexperten, noch der Regulator (der das Thema leider auch nur sehr begrenzt versteht - vgl. die Aussagen zur Risikobewertung in den MaRisk). Ja, vielleicht sollte man als ein erster Schritt an der Qualifikation der Vorstände arbeiten, damit sie zumindest das kleine 1x1 des Risikomanagements verstehen ...
Rudolf /16.12.2009 17:34
Verstehen ist das eine .. tatsächliches Umsetzen das andere. Wenn die Anreizsystem einen sorglosen Umgang mit Risiken fördern und so gut wie nicht "riiskoadjustiert" sind, dann darf man sich später nicht wundern und sich beschweren, dass der Vorstand Risiken in seinen Entscheidungen nicht berücksichtigt hat.
Markus /16.12.2009 21:59
@Rudolf

Dann müssen eben auch die Anreizsysteme überarbeitet werden.

Als Vorstand sollte und MUSS man an langfristigen Erfolg des Unternehmens interessiert sein, sonst ist man fehl am Platz.

Diesem Grundgedanke folgend, solte ein "Manager" mehr Geld bekommen, wenn er das langfristige Überleben anstrebt und erzielt, als durch hohe Boni für eine riskante und glücklicherweise erfolgreiche Einzelaktion.

Vorschlag:
Höhere Vergütung für eine langfristige verbesserte Kapitalausstattung sowie erweiterte RM-Systeme und ein liquides ALM.
Rudolf /17.12.2009 11:04
@Markus: Völlig richtig. Leider beobachte ich zur Zeit eher das Gegenteil auf den Finanzmärkten. Die Saison der Bonuszahlungen hat begonnen - und diese Zahlungen basieren nur recht wenig auf einer langfristig verbesserten Kapitalausstattung oder der Qualität der Risk-Systeme bzw. einem angemessenen ALM. Die Jungs wissen mit einer hohen Wahrscheinlichkeit weder was ein angemessenes ALM ist noch was Kapitalausstattung mit Risiko zu tun hat ;-(( Wird sich da etwas ändern, Markus? Er muss aktiv werden? Eine globale Regulierung oder Mikroregulierung im Land? Ich bin unschlüssig ;-(
Markus /17.12.2009 20:56
@Rudolf

Wir sollten uns in Deutschland nicht zu sehr auf Basel & Solvency oder sonstige internationale Beschlüsse verlassen (Da floriert im Moment mal wieder der Lobbyismus).

Letzlich wird der Staat für Versäumnisse geradestehen müssen, denen er im Moment sehenden Auges entgegensteuert...

Folglich: Selbstverständlich Mikroregulierung (Nationale BIP-Standards) plus Internationale Entflechtung und Haftungsabsprache.

Wenn Erfolg und Misserfolg im Unternehmen entstehen (meistens weiter oben auf der Hierachieleiter), dann hat die Haftung auch dort zu Beginnen. Sowohl in monetärer als auch personeller Form.
Frank /31.12.2009 11:07
Zur Befruchtung der Diskussion könnte der folgende Beitrag von Wolfgang Schäuble (Handelsblatt, Quelle: www.bundesregierung.de) von Interesse sein:

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"Es gibt keine Sicherheit, nur verschiedene Grade der Unsicherheit" – diese Erkenntnis des russischen Dramatikers Anton Tschechow ist zwar schon gut 100 Jahre alt, aber sie gilt auch heute. Verantwortlich hierfür ist im Wesentlichen das Phänomen, das wir landläufig als Globalisierung bezeichnen. Sie hat uns gelehrt, dass die fortschreitende Integration globaler Märkte die Möglichkeiten einzelner Nationalstaaten verringert, im Alleingang wirksame Regeln aufzustellen und zu überwachen. Dies gilt insbesondere für die Finanzmärkte.

Diese Machtverschiebung ist jedoch noch lange kein Grund, dass Staaten das Schicksal des globalen Finanzsystems allein in die Hände einer sich nur scheinbar selbst regulierenden Finanzindustrie legen. Die jüngste globale Finanzkrise hat deutlich gemacht, dass Finanzmärkte – wie jede Freiheitsordnung – Regeln brauchen. Regeln und Grenzen, die sie selbst nicht schaffen, geschweige denn effektiv durchsetzen können. Die verantwortlichen Politiker haben deshalb die Aufgabe, durch entsprechende Regelsetzung die Wahrscheinlichkeit und die Wucht künftiger Finanzkrisen zu verringern und das internationale Finanzsystem robuster und widerstandsfähiger zu machen. Nur dann können wir unkalkulierbare oder übergroße Risiken und volkswirtschaftlich schädliche Fehlentwicklungen wirksam verhindern.

Nationale Lösungen reichen nicht mehr

Wenn einerseits nationalstaatliche Lösungen nicht mehr ausreichen und andererseits supranationale Institutionen wie die Europäische Union noch nicht überall vollständig entwickelt sind, bedarf es internationaler Foren, in denen die systemisch wichtigen Nationalstaaten und Volkswirtschaften ihr finanz- und wirtschaftspolitisches Handeln abstimmen. Anders formuliert: Internationale Wirtschaftskrisen erfordern international abgestimmte Antworten.

Im Interesse ihrer Bürgerinnen und Bürger muss die internationale Staatengemeinschaft eine effektive und legitime politische Koordinierung und Kooperation auf internationaler Ebene vornehmen. Im 20. Jahrhundert gelang dies erst nach der kathartischen Wirtschaftskrise der dreißiger Jahre und der Katastrophe des darauf folgenden Krieges. Beides führte schließlich zur Schaffung und Legitimierung effektiver internationaler Institutionen wie IWF und Weltbank. Später etablierte sich dann die G7/G8 als zusätzliches, informelles Koordinierungsforum für weltwirtschaftliche Fragen, das internationale Wirtschaftskrisen und extreme Verwerfungen der Finanzmärkte durch abgestimmtes Handeln der größten Industrieländer mildern, wenn auch oftmals nicht verhindern konnte.

Bereits vor der ersten großen Finanzkrise des 21. Jahrhunderts war deutlich geworden, dass die Legitimation und Effektivität der bisherigen, vornehmlich von westlichen Ländern geprägten G7/G8-Formate als informelles Koordinierungsforum nicht mehr ausreichen würde. Zu erkennbar war geworden, dass mit den Schwellenländern neue Akteure das weltwirtschaftliche Geschehen, insbesondere Art, Tempo und Umfang der Globalisierung, wesentlich mitbestimmten. Dies sowie die zunehmende Integration der Weltwirtschaft und der Finanzmärkte forderten eine weiter reichende internationale Zusammenarbeit im Wirtschafts- und Finanzbereich, ein ständiges Forum für den informellen Dialog zwischen Industrie- und Schwellenländern.

Die Asienkrise in den neunziger Jahren gab den Anstoß zur formellen Gründung der G20, die immerhin vier Fünftel der Weltwirtschaftsleistung, zwei Drittel der Weltbevölkerung und 90 Prozent des Welthandels repräsentieren. Die immer noch anhaltende globale Finanz- und Wirtschaftskrise war dann der Katalysator, der die Integration der Schwellenländer in weltwirtschaftliche Entscheidungsprozesse beschleunigte. Seinen vorläufigen Höhepunkt fand der Inklusionsprozess der großen Schwellenländer, der von Deutschland von Beginn aktiv befördert wurde, in der offiziellen Aufwertung der G20 zum wichtigsten informellen Forum für die internationale wirtschaftspolitische Koordinierung – so geschehen durch Beschluss der G20-Staats- und Regierungschefs in Pittsburgh im September 2009.

Auch mikroökonomische Anreize sind wichtig

Der G20-Prozess schließt nun eine wichtige Lücke im Ordnungsrahmen des internationalen Wirtschafts- und Finanzsystems. Der G7-Finanzministerprozess wird dadurch im Übrigen nicht unwichtiger, er bietet weiterhin einen informellen und effizienten Rahmen zur Abstimmung wichtiger Finanz- und Wirtschaftsfragen unter den Industrienationen. Inzwischen erweist sich die G20 aber als wichtige Ergänzung der internationalen Architektur, die einen wertvollen Beitrag zu einer besseren "Global Governance" leisten kann. Schlüssel ihres Erfolges ist die Fähigkeit der Gruppe, zentrale Fragen offen zu diskutieren, die Konsensbereitschaft ihrer Mitglieder sowie die Fähigkeit, wichtigen multilateralen Institutionen wie IWF und Weltbank Leitlinien für ihr Handeln geben zu können.

Auf den G20-Gipfeln in Washington im November 2008, in London im April 2009 und in Pittsburgh im September 2009 trafen die Staats- und Regierungschefs der G20-Staaten zentrale Entscheidungen für die Bewältigung der schwersten Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise der Nachkriegszeit sowie für die Neuordnung der internationalen Finanzarchitektur, um Krisen wie diese in der Zukunft zu verhindern beziehungsweise abzumildern.

Hierzu wird der Umfang der Finanzmarktregulierung auf alle Akteure, Produkte sowie Märkte ausgeweitet und dafür gesorgt, dass die Regulierungsmaßnahmen konsistent und umfassend implementiert werden. Im Bankenbereich wird es – als zentrales Element der Finanzsektorreform – neue Eigenkapital- und Liquiditätsregeln und international gültige Rechnungslegungsvorschriften geben. Es geht um den Aufbau qualitativ hochwertigen Eigenkapitals und die Eindämmung von Prozyklizität durch eine verbesserte prudentielle Regulierung. Darüber hinaus hat die G20 beschlossen, dass sich die nationalen Aufsichtsbehörden ebenso wie die internationalen Organisationen besser koordinieren, um national und global Finanzmarktstabilität sicherstellen zu können.

Ebenso wichtig wie intelligente Rahmenbedingungen und eine funktionierende Aufsicht sind für die Finanzmarktstabilität angemessene mikroökonomische Anreize, sprich eine Anpassung der individuellen Entlohnungsregelungen der Bankmanager mit Bonus- wie Maluselementen. Deshalb ist die Reform der Vergütungspraktiken, etwa durch Auszahlung variabler Vergütungsbestandteile in Abhängigkeit von nachhaltigen Unternehmensgewinnen, ein weiteres zentrales Element der Finanzmarktreform.

Die Vorgaben der G20 werden auf allen Ebenen zügig umgesetzt. Beispielsweise hat der Baseler Ausschuss die Aufsichtsstandards für Banken zum besseren Schutz vor finanziellen Risiken erhöht. Es gibt striktere Regeln für spekulative Handelsgeschäfte, strengere Vorgaben für das Risikomanagement und erweiterte Offenlegungsanforderungen an die Banken. Hinzu kommen verschärfte Prinzipien für das Liquiditätsmanagement und die Eigenkapitalanforderungen.

Bei alldem erfolgt Regulierung nicht um des bloßen Regulierens willen, sondern damit die Finanzmärkte auch unter den Bedingungen der Globalisierung wieder stärker ihre eigentliche, dienende Funktion wahrnehmen. Dies heißt insbesondere, auf der Basis nachhaltiger Geschäftsmodelle Unternehmen und private Haushalte mit Kapital zu versorgen und den Menschen verlässliche Anlageformen, zum Beispiel für ihre Altersversorgung, bereitzustellen. In den letzten Jahren und Jahrzehnten sind die internationalen Finanzmärkte mehr und mehr zu selbstreferenziellen Systemen mutiert und haben diese Aufgaben nicht mehr ausreichend erfüllt.

In meinen Augen können die Entscheidungen der G20 im Finanzmarktbereich die ersten Schritte auf dem Weg zu einer auf Nachhaltigkeit angelegten, neuen Weltwirtschaftsordnung sein. Schon heute ist die G20 mehr als nur ein Forum der Krisenbewältigung und -verhinderung. In Pittsburgh wurde – von Presse und Öffentlichkeit weitgehend unbeachtet – auch eine über die Krise hinausgehende gemeinsame Strategie für ein robustes, nachhaltiges und ausgewogenes Wachstum diskutiert. Kernelement einer solchen gemeinsamen Strategie ist die Zusage von Ländern beziehungsweise Währungsräumen mit dauerhaft hohen Leistungsbilanzdefiziten, ihre private Ersparnisbildung zu fördern, ihre Haushalte zu konsolidieren, offene Märkte beizubehalten und die Exportsektoren zu stärken.

Dem entspricht spiegelbildlich die Verpflichtung der Länder mit dauerhaften hohen Leistungsbilanzüberschüssen, ihre binnenwirtschaftlichen Wachstumsquellen zu stärken, zum Beispiel, indem Investitionen erhöht, die Produktivität im Dienstleistungssektor gesteigert oder die sozialen Sicherungssysteme ausgebaut werden – je nach landesspezifischen Gegebenheiten.

Und dazu gehören für mich auch glaubwürdige, international koordinierte Strategien des Ausstiegs aus den aktuell expansiven fiskal- und geldpolitischen Maßnahmen sowie den Stützungsprogrammen für den Finanzsektor. Zur Implementierung dieser gemeinsamen Strategie werden die G20-Finanzminister für die nächsten G20-Gipfel im Juni und November 2010 politische Optionen und konkrete Politikempfehlungen für die Staats- und Regierungschefs erarbeiten.

Die Bundesregierung hält das Konzept der Nachhaltigkeit für einen Schlüssel zur Gestaltung einer gerechten, nachhaltigen Weltwirtschaftsordnung in diesem Jahrhundert. Die Bundeskanzlerin hat deshalb Anfang des Jahres den Vorschlag gemacht, im G20-Rahmen eine Charta für nachhaltiges Wirtschaften zu entwickeln. Ziel der Charta ist es, den internationalen Konsens über Grundprinzipien einer nachhaltigen Wirtschaftsordnung zu stärken. Die Charta soll einen Ordnungsrahmen formulieren, der Marktkräften Raum gibt, sich zu entfalten, aber zugleich eine stabile, sozial ausgewogene und nachhaltige Entwicklung der Weltwirtschaft anstrebt. Dabei wäre es ein Kardinalfehler, den Schwellen- und Entwicklungsländern ihre Wachstumsstrategie, ihr Wachstumstempo oder ihre Wachstumspräferenzen vorschreiben zu wollen.

Ökonomisches Handeln darf kein Selbstzweck sein

Die schwerste Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise der Nachkriegszeit hat vor allem eines in aller Deutlichkeit offengelegt: In den vergangenen Jahrzehnten wurde vergessen, dass ökonomisches Handeln – wie im Übrigen auch staatliches Handeln – kein Selbstzweck ist und keiner werden darf.

Am Ende muss es um das Wohlergehen der Menschen gehen. Das bedeutet nicht mehr und nicht weniger, als dass dem Markt und seinen Akteuren dort, wo sie die gesellschaftlichen Werte und die Legitimation unserer Wirtschaftsordnung sowie die Lebensgrundlagen zukünftiger Generationen gefährden, Grenzen gesetzt werden müssen.

Die Krisenanfälligkeit der Weltwirtschaft in den letzten Jahrzehnten legt nahe, dass es eher ein Zuwenig als ein Zuviel an Global Governance gab. Heute, in Zeiten rapiden wirtschaftlichen Wandels und zunehmender Interdependenzen auf den Finanz-, Dienstleistungs- und Gütermärkten, die wir landläufig als Globalisierung bezeichnen, können wir uns ein Zuwenig an Global Governance aber nicht mehr leisten, ohne dass es zu heftigen ökonomischen und sozialen Verwerfungen kommen könnte, die immer auch die Gefahr radikaler, antidemokratischer politischer Entwicklungen in sich tragen.

Der G20-Prozess ist für mich das zentrale Instrument zur Abstimmung zwischen systemisch bedeutenden Volkswirtschaften über zentrale wirtschafts- und finanzpolitische Fragen und zur Erreichung des Ziels eines stabilen und nachhaltigen Weltwirtschaftswachstums. Dies kann der institutionelle Nukleus sein, aus dem eine neue, auf Nachhaltigkeit angelegte Weltwirtschaftsordnung des 21. Jahrhunderts hervorgeht.
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