EU beschließt Richtlinienvorschlag für Solvency II


Auf die EU-Versicherungsbranche kommen enorme Umwälzungen zu. Sie müssen künftig ihren Eigenkapitalbedarf nach EU-einheitlichen Vorgaben wesentlich mehr als bisher an den eingegangenen Versicherungsrisiken ausrichten und dabei auch Kapitalanlagerisiken berücksichtigen. Die Aufsichtsregeln sollen harmonisiert, das Nebeneinander inkonsistenter nationaler Aufsichtssysteme beseitigt und für Versicherungskonzerne eine Gruppenaufsicht eingeführt werden. Die von der EU-Kommission am Dienstag nach jahrelangen Vorbereitungen vorgeschlagene Solvency-II-Rahmenrichtlinie soll die Branche auf ein langfristig solides Fundament stellen. Für Kunden und Kapitalanleger sollen die Produkte transparenter und vergleichbarer werden und letztendlich auch die Preise sinken. An den bisherigen Regelungen ist seit rund 30 Jahren nichts von Substanz geändert worden, und der Markt ist entsprechend fragmentiert. Solvency II, das Pendant der Assekuranz zu Basel II in der Kreditwirtschaft, steht für einen Paradigmenwechsel in Richtung einer streng ökonomischen, an den Risiken orientierten Aufsicht.

Konsolidierte Aufsicht kommt

Die Kommission erwartet, dass die neuen Bestimmungen frühestens 2012 angewendet werden können. Der Gesetzentwurf wird jetzt dem EU-Ministerrat und dem Europäischen Parlament vorgelegt, die der Rahmendirektive zustimmen müssen. Diese wird später noch durch technische Detailvorschriften zur Durchführung ergänzt werden. Der Dachverband der europäischen Versicherer (CEA) sicherte dem Großprojekt seine volle Unterstützung zu. Solvency II sei die Gelegenheit, den EU-Binnenmarkt für Versicherungen zum Vorteil der Versicherungsnehmer zu stärken, sagte die CEA-Generaldirektorin Michaela Koller. Die großen, grenzübergreifend arbeitenden Versicherer, müssen sich derzeit an die unterschiedlichen Anforderungen vieler nationaler Aufsichtsbehörden halten. Das kostet sowohl Zeit als auch Geld. Den rund 20 großen Versicherungsgruppen in der EU, darunter  Allianz oder Axa, die rund die Hälfte des Marktes beherrschen, kommt eine konsolidierte Aufsicht daher sehr entgegen. Die Frage, wie viel Kompetenzen die nationalen Aufsichtsbehörden an die Aufsicht im Sitzland der Obergesellschaft abgeben sollen, dürfte aber noch für lebhafte Debatten sorgen.

Volle Unterstützung der Branche für Solvency II

Für die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) müssen die Befugnisse von Solo- und Gruppenaufseher "klar geregelt und ausbalanciert" werden. Besonders wichtig sei es, dass der Gruppenaufseher bei internen Modellen ein eindeutiges Entscheidungsrecht bekomme. 400 von 620 deutschen Versicherern sind der BaFin zufolge in Gruppen organisiert, und beim Risikomanagement und bei der Steuerung einer Gruppe werden interne Modelle zur Risikoberechnung eine wichtige Rolle spielen. Nach Solvency II können die Unternehmen wählen, ob sie das Risikokapital mithilfe einer Standardformel oder auf der Basis eines internen Modells bestimmen können, das als genauer gilt und deshalb mit niedrigeren Kapitalanforderungen belohnt werden soll. Nach einer Studie der Unternehmensberatung Ernst & Young, hatten rund 80 % der größten europäischen Versicherungsunternehmen die Einführung von Solvency II bereits im vergangenen Herbst in Angriff genommen. Zwei Drittel seien der Meinung, dass die neue Regelung zur Verbesserung jeglicher Aspekte des Risikomanagements im gesamten Unternehmen beitragen werde, heißt es in der im September 2006 veröffentlichten Studie.

Gute Arbeit von EU-Kommission und CEIOPS

Auch die Münchener Rück unterstützt den Richtlinienvorschlag für Solvency II, wie der Konzern umgehend mitteilte. "Die geplanten neuen Regeln werden für die Versicherer ein riesiger Fortschritt sein. Der Vorschlag ist ein wichtiger Meilenstein auf diesem Weg", sagte Finanzvorstand Jörg Schneider. Es sei beeindruckend, in welch kurzer Zeit die EU-Kommission mithilfe der in CEIOPS organisierten europäischen Versicherungsaufsichtsbehörden einen Vorschlag dieser Qualität erarbeiten konnte. Zwar gebe es Kritik an einzelnen Details. So sollten laut Schneider in der endgültigen Richtlinie die Ausgleichswirkungen verschiedenartiger Risiken stärker berücksichtigt und sollte die Aufsicht über Unternehmensgruppen noch wirkungsvoller gestrafft werden. "Wir sind aber zuversichtlich, die Verbesserungsmöglichkeiten im Dialog mit den politischen Instanzen aufzeigen zu können", sagte Schneider. Wichtig sei nun, dass die guten wirtschaftlichen Grundsätze des Richtlinienvorschlags im weiteren Verlauf der europäischen und nationalen Gesetzgebungsverfahren konsequent umgesetzt würden. Mit Blick auf die nächsten Schritte erklärte Schneider: "Wir hoffen, dass der ambitionierte Zeitplan eingehalten werden kann und die Rahmenrichtlinie bis Anfang 2009 verabschiedet wird. Das nützt den europäischen Versicherungskunden sowie den Versicherungsunternehmen und stabilisiert die europäischen Finanzmärkte."

Weit reichende Auswirkungen für die Rückversicherung

Auch für die Rückversicherung ergeben sich weit reichende Auswirkungen. Rückversicherer unterliegen als beaufsichtigte Unternehmen den anspruchsvollen Solvency-II-Regelungen. Zugleich ergeben sich für sie neue geschäftliche Perspektiven: Unter den verbesserten aufsichtsrechtlichen Rahmenbedingungen entlastet Rückversicherung die Erstversicherer noch wirkungsvoller von dem Kapitalbedarf, der aus ihren Spitzenrisiken resultiert. "Gefragt sind Lösungen, die sich künftig noch stärker an individuellen Risikoparametern orientieren und ein hohes Maß an Flexibilität bieten", so Schneider.

 

Download des Richtlinienvorschlags:


 

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