Systemische Risiken: Kettenreaktion an den Finanzmärkten


Für massive Turbulenzen an den Märkten sorgte in den vergangenen Tagen die  Schieflage des Hedge-Funds Carlyle Capital, der übrigens nicht im risikoreichen Subprime-Segment engagiert war, sondern in praktisch mündelsicheren Hypotheken-Bonds investierte. Der auf der Kanalinsel Guernsey registrierte, an der Amsterdamer Börse gehandelte und von New York aus geleitete Funds wurde in den vergangenen Tagen mit substanziellen Nachforderungen an Sicherheiten ("margin calls") seitens der Kreditgeber konfrontiert.

Angesicht der äußerst knappen Liquidität kann Carlyle Capital die Forderungen jedoch nicht erfüllen. Ein Blick in die Bilanz schafft Klarheit: Der Hedge-Funds basiert auf einer Eigenkapitaldecke von etwa 670 Mio. US-Dollar und finanziert seine Engagements daher in einem hohen Maße bei Banken, um die Rendite auf das Eigenkapital zu erhöhen. Bei einem Anlagevolumen von 21,7 Mrd. US-Dollar beträgt der "leverage" mehr als 32. Kurzum: Die Risikotragfähigkeit basiert auf äußerst tönernen Füßen.

Die logische Konsequenz ist daher, dass die Kreditgeber von Carlyle Capital nervös wurden und werden und damit begonnen haben, die als Sicherheit hinterlegten Vermögenswerte des Hedge-Funds zu verkaufen. Dies wiederum verschlechtert die Risikotragfähigkeit des Hedge-Funds, was zu einer massiven Abwärtsspirale führt. Und Carlyle Capital ist keine Ausnahme: alle Funds, die mit einem hohen Kredithebel arbeiten und eine nur geringe Risikotragfähigkeit aufweisen, können sehr leicht in den Strudel geraten. Bei einer makroökonomischen Betrachtung kann dies wiederum zu einer systemische Krise führen. Erst vor wenigen Monaten hatte der jährlich erscheinende Bericht Global Risks – der in Zusammenarbeit mit der Citigroup, Marsh & McLennan Companies (MMC), Swiss Re, dem Wharton School Risk Center und Zurich Financial Services entstanden ist – systemische Risiken als eines von vier zentrale Themen herausgearbeitet, welches die globale Risikolandschaft in der Zukunft bestimmen wird.

"Durch die stark zunehmende Komplexität der Finanzprodukte und -märkte sowie durch die enge weltweite Vernetzung der Finanzmärkte steigen die systemischen Risiken auf den internationalen Finanzmärkten stark an", so das Ergebnis der Experten-Studie.

Potenzieller Abschreibungsbedarf: 1.000 Mrd. US-Dollar

Die von Experten genannten Summen für die insgesamt zu erwartenden Abschreibungen in der Folge der US-Subprime-Krise steigen von Tag zu Tag und überschreiten inzwischen schon die Grenze von 1.000 Mrd. US-Dollar. Derartige Szenarien haben in der Zwischenzeit auch die US-Regierung zum "fire fighting" motiviert. US-Finanzminister Henry Paulson will die komplexe Finanzwelt stärker regulieren und seitens des Staates beaufsichtigen: "Die Regulierung muss mit der Finanzinnovation Schritt halten, um das Vertrauen der Anleger wiederherzustellen." So legte Paulson gestern ein detailliertes Maßnahmenpaket vor, dass das Risikomanagement der Banken professionalisieren soll und die Finanzaufsicht deutlich verschärft. Auch John Lipsky, Vizechef des Internationalen Währungsfonds (IWF), hatte zuvor eine höhere staatliche Marktintervention gefordert.

Die US-Regierung fordert die Kreditinstitute insbesondere auf, die Risikotragfähigkeit und die Eigenkapitalbasis zu stärken. Auch die neuen Eigenkapitalvorschriften, die vom Basler Ausschuss für Bankenaufsicht in den letzten Jahren erarbeitet wurden (Basel II) und seit dem 1. Januar 2007 in den Mitgliedsstaaten der EU für alle Kreditinstitute und Finanzdienstleistungsinstitute angewendet werden, sollen verschärft werden. Die US-Regierung hatte die Einführung von Basel II immer wieder kritisiert und die Einführung für US-Banken auf das Jahr 2009 verschoben. Quae nocent, docent: Durch Schaden wird man klug!


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