Aktuelle Übersicht über die neue Verordnung zur Regulierung der Ratingagenturen

Ratingagenturen in der Krise


Rezension

Spektakuläre Fehlbewertungen von Finanzmarktprodukten durch die Ratingagenturen waren zwar nicht ursächlich für die Finanzkrise, doch tragen auch die Agenturen zu einem großen Anteil Mitverantwortung für die Krise. Niemals zuvor war die Kritik an den Ratingagenturen so deutlich und hörbar. Zu offensichtlich standen Eigeninteresse und Profitmaximierung im Vordergrund. Zu lange wurden Verbriefungen wie die Collateralized Debt Obligations (CDO), die aus bis zu einer Million Einzelkrediten bestehen konnten, als risikoarm bewertet. Als die Immobilienkrise in den USA platzte, stellte sich heraus, dass viele Verbriefungen nicht ausreichend analysiert waren. Die überwiegende Mehrzahl erhielt eine Bewertung mit den höchsten Ratingkategorien, dem Investment Grade.

Bereits am 23. 12. 2004 hatte auf Grund des politischen Drucks die internationale Vereinigung der Wertpapieraufsichtsbehörden (IOSCO, International Organization of Securities Commissions) gemeinsam mit den Ratingagenturen einen Verhaltenskodex (Code of Conduct Fundamentals) entwickelt, um so eine weitere Regulierung zu verhindern. Im September 2003 hatte die IOSCO bereits Leitlinien zur Sicherstellung von Qualität und Verlässlichkeit des Ratingprozesses veröffentlicht. Hintergrund war u. a. auch der Zusammenbruch des US-Konzerns Enron im Jahr 2001. Enron schloss u. a. Termingeschäfte mit in ausländischen Steuerparadiesen gegründeten anonymen "Offshore"-Gesellschaften ab, die unter der Kontrolle von Enron oder dessen Führungskräften standen, aber nicht in den Konsolidierungskreis des Konzernabschlusses des Enron-Konzerns einbezogen wurden. Enron machte praktisch Geschäfte mit sich selbst. Der Konzern wies die "Einnahmen" aus diesen Geschäften in der eigenen Bilanz aus. Die Ratingagenturen hingegen hatten das Unternehmen bis kurz vor der Insolvenz noch positiv bewertet.

Weitere Beispiele lassen sich benennen. So wurden die Fluglinie Swissair oder die britische Eisenbahngesellschaft Railtrack noch zu einem Zeitpunkt mit einem Investmentgrade bewertet, obwohl beide Unternehmen bereits in große finanzielle Schwierigkeiten steckten. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Selbstregulierungsvereinbarungen in der praktischen Anwendung wertlos waren. Die Mängel der Agenturen, insbesondere die der internationalen Agenturen Moody’s, Standard & Poor‘s und Fitch Ratings, wurden in der Folge der Unternehmenszusammenbrüche transparent.

Allerdings sollen sich die Ratingagenturen dem Verhaltenskodex nicht nur unterwerfen, sondern diesen n ihren eigenen Kodex integrieren. Dieser flexible Ansatz wurde gewählt, um den Unterschieden in Größe, Geschäftsmodell, Ratingmethoden und Marktumfeld der Ratingagenturen Rechnung tragen zu können.

Trotz dieser Maßnahmen befinden sich die Ratingagenturen seit einigen Jahren in der Krise. Mit diesem Thema befasst sich der Autor in seinem Werk. Der schmale Band ist in sechs in sich gut strukturierte Kapitel gegliedert. Neben einer kurzen Einführung im ersten Kapitel erhält der Leser im zweiten Kapitel einen Überblick über die Tätigkeiten der Agenturen. Kapitel 3 skizziert die bestehenden Rechtsvorschriften im Bereich des Ratingwesens. In diesem Zusammenhang werden große Schwächen der Agenturen aufgezeigt. So ist es beispielsweise nicht möglich, bei Fehlurteilen und den damit verbundenen Konsequenzen die Agenturen in die Haftung zu nehmen. Auch hinsichtlich der Selbstregulierung – wie bereits erwähnt – haben die Agenturen versagt. Das vierte Kapitel widmet sich den Fragen der Ratingqualität, ihrer Definition und Messbarkeit. So weist der Autor darauf hin, das Ratings im Ergebnis wahrgenommen werden, jedoch die verwendeten Methoden bzw. deren Verknüpfung von Parametern, die zu dem Ergebnis führen, dem Nutzern zumeist unbekannt bleiben. Die im September 2009 von der Europäischen Union beschlossene Verordnung über Ratingagenturen ist Gegenstand von Kapitel 5. Hauptziele, Zweck und der Inhalt der Verordnung werden erörtert, was auch Schwerpunkt des Buches ist. So zeigt sich bereits bei der Registrierung und Aufsicht der Agenturen, dass die Behörden der Mitgliedstaaten weit reichende Überwachungs- und Ermittlungsbefugnisse haben. So sind die Agenturen gefordert, mehr Informationen über Personal, Analysen und Bewertungsregelungen offen zu legen. Vorschriften die die Transparenz regeln, sind ebenfalls neu eingeführt. So sollen die Ratingagenturen spätestens nach drei Monaten des jeweiligen Geschäftsjahres einen Transparenz-Bericht veröffentlichen, der u. a. Informationen über die Finanzen oder aber auch über die Rechtsstruktur beinhalten muss. Ein weiterer Aspekt der Verordnung umfasst Maßnahmen zur Qualitätssicherung. Da es keine einzig richtige Bewertungsmethode gibt, werden hier lediglich Anforderungen definiert, dass "die Methoden zur Bonitätsbewertung streng, systematisch und beständig sind". Schlussfolgerungen und Ausblick des Autors runden das Werk im sechsten Kapitel ab.

Mit der im September 2009 durch die Europäische Union verabschiedeten Ratingverordnung werden die Qualitätsstandards zur Ausübung der Vergabe von Bewertungen für die Ratingagenturen präzisiert. Ob die neu gesetzten Standards ausreichen, um mehr Offenheit und Transparenz im oligopolistisch dominierten Anbietermarkt zu schaffen, bleibt abzuwarten. Eine ganz andere Frage wird sein, ob sich die gravierenden Fehleinschätzungen der Agenturen künftig nachhaltig vermeiden lassen. Fazit: Mit diesem Buch erhält der Leser eine aktuelle und nachvollziehbare Übersicht über die neue Verordnung zur Regulierung der Ratingagenturen.


Rezension von Christoph Tigges


Details zur Publikation

Autor: Andrieu Patrick
Seitenanzahl: 141
Verlag: Peter Lang Verlag
Erscheinungsort: Frankfurt am Main
Erscheinungsdatum: 2010

RiskNET Rating:

Praxisbezug
Inhalt
Verständlichkeit

sehr gut Gesamtbewertung

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