Risikomanagement der Kabel Deutschland Gruppe


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Die Ursprünge der Kabel Deutschland GmbH reichen bis in die Anfänge der 1980er zurück, als die Deutsche Bundespost anfing das Kabelnetz aufzubauen und in 1985 der Startschuss für das bundesweite Kabelfernsehen fiel. Durch die Einführung des Telekommunikationsgesetzes im Jahre 1996 begann die Liberalisierung des Telekommunikationssektors und die Deutsche Telekom musste im Jahre 2003 ihre Kabelnetze verkaufen. Sechs Regionalgesellschaften wurden durch die Investorengruppe APAX Partners, Providence Equity Partners und Goldman Sachs Capital Partners gekauft und in der Kabel Deutschland GmbH gebündelt. In 2006 übernimmt die Investmentgesellschaft Providence Equity Partners die Gesellschaftsanteile der anderen Investoren und hält damit 88% der Anteile an der Kabel Deutschland GmbH. Providence Equity Parnters ist einer der größten Kabelinvestoren Europas und unterstützt die Kabel Deutschland Gruppe nachhaltig in der Strategie, das Unternehmen von einem Infrastrukturanbieter zu einem Anbieter von Triple Play Diensten zu entwickeln, die Fernsehen, Radio, schnelle Internetanschlüsse und Telefonie über das Fernsehkabel umfassen.

Die Kabel Deutschland Gruppe heute

Die Gesellschaft ist im Hinblick auf die Zahl der angeschlossenen Haushalte, Endkunden und Umsatzerlöse Marktführer im deutschen Kabelfernsehmarkt. Sie betreibt ihr Kabelfernsehgeschäft in 13 Bundesländern.


Abbildung 1: Bediente Region der Kabel Deutschland GmbH

Zum 31. März 2007 waren ca. 15,6 Mio. Haushalte an das Kabelfernsehnetz angeschlossen. Etwa 9,2 Mio. Kunden werden direkt oder indirekt mit einem analogen Kabelanschluss bedient. Das Kabelfernsehnetz kann 33 analoge Fernsehkanäle und 36 UKW-Radiosender sowie bis zu 17 digitale Kanäle übertragen. Jeder digitale Kanal kann bis zu 12 digitale Programmströme übertragen.

Abbildung 2: Die Infrastruktur des Kabelnetzes der Kabel Deutschland GmbH

Darüber hinaus ist die Gesellschaft Eigentümerin und Betreiberin eines digitalen Playout Center, das über Satelliten-Uplinks deutschlandweit verschlüsselte digitale Fernsehsignale senden kann.
Derzeit baut die Gesellschaft das Netz rückkanalfähig aus und erhöht die Kapazität. Zum 31. März 2007 waren bereits 8,6 Mio. der insgesamt 15,6 Mio. Haushalte mit Rückkanalfähigkeit aufgerüstet. Den rückkanalfähig ausgebauten Anschlüssen können zusätzlich High-Speed-Internet (HSI)- und Telefondienste angeboten werden.
Die Grundversorgung wird Einfamilienhaushalten als Endabnehmern und kommerziellen Betreibern (so genannte Netzebene-4-Betreiber) oder Wohnungsbaugesellschaften als Zwischenhändlern angeboten.

 

Abbildung 3. Betreiberstrukturen Breitbandkabelnetz und Kundenbeziehung der Kabel Deutschland GmbH

Zusätzlich zu dem analogen Kabelfernsehgeschäft liefert die Gesellschaft über ihr digitales Playout Center und das Hyperband eigene digitale Programmpakete an die von ihr bedienten Kunden. Darin sind die von den öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten digital ausgestrahlten Programme und – seit dem 1. Januar 2006 – auch die von verschiedenen deutschen Privatsendern angebotenen digitalen Programme enthalten. Insgesamt werden über den digitalen Kabelanschluss bis zu 100 digitale Programme angeboten. Daneben bietet die Gesellschaft Digitalpakete mit weiteren Digitalprogrammen an. Die digitalen Programmpakete der Gesellschaft wurden am 27. September 2004 unter den Markennamen Kabel Digital International, Kabel Digital Basic und Kabel Digital Home auf den Markt gebracht. Darüber hinaus bietet die Gesellschaft seit der Markteinführung auch kombinierte Pakete an. Kabel Digital International strahlt in verschiedenen Paketen 41 fremdsprachige Programme aus.

Zum 31. März 2007 konnte die Gesellschaft ihre digitalen Produkte etwa 9,2 Mio. der von ihr bedienten Kunden über einen analogen Kabelanschluss zur Verfügung stellen und etwa 692.000 mit Digitalempfang mit ihren digitalen Programmpaketen versorgen. Zum 31. März 2007 stellte die Gesellschaft etwa 331.000 Kunden HSI-Dienste zur Verfügung. Diese Summe umfasst auch 152.000 Telefoniekunden.

Die Beweggründe für ein Risikomanagementsystem

Nicht nur der neue Basler Akkord der Eigenkapitalunterlegung – kurz Basel II genannt – sondern auch die vergangene konjunkturelle Tiefphase mit steigenden Insolvenzzahlen zeigten es deutlich - das Umfeld aller Unternehmen ist von einer Vielzahl von Risiken geprägt. Die dynamische, immer turbulentere Entwicklung in fast allen Märkten schränkt die Vorhersehbarkeit der Zukunft ein und neue Risiken entstehen.
Unternehmerische Tätigkeit ist ohne Risiken undenkbar und der Umgang mit Risiken damit ein zentraler Erfolgsfaktor. Das Chancen- und Risikomanagement eines Unternehmens bestimmt maßgeblich dessen Zukunftsfähigkeit und damit seinen Wert. Beweggründe und Zielsetzungen bei der Einführung eines Risikomanagements bei der Kabel Deutschland GmbH waren somit:

  • Das frühzeitige Aufdecken risikobehafteter Entwicklungen
  • Das frühzeitige Erkennen von Chancen
  • Die Erhöhung der Transparenz des Unternehmens
  • Die Verbesserung planungs- und steuerungsrelevanter Informationen
  • Die Unterstützung der Entwicklung eines hohen Risikobewusstseins bei den Mitarbeitern
  • Die kontinuierliche Senkung der Risikokosten, z.B. niedrigere Versicherungsprämien
  • Die Verbesserung der Bonität / des Ratings
  • Ein uneingeschränkter Bestätigungsvermerk des Wirtschaftsprüfers
  • sowie das Erreichen der SOX-Konformität, da die Unternehmensanleihen der Kabel Deutschland GmbH in der USA an der SEC registriert sind.


Der Start des Risikomanagementsystems

Ausgehend von den Zielen des Projektes wurde im ersten Schritt eine umfassende Identifikation und Bewertung der maßgeblichen Einzelrisiken durchgeführt. Die Betrachtung aller maßgeblichen Risikofelder und Unternehmensbereiche stellte sicher, dass Transparenz über die tatsächliche Risikosituation des Unternehmens erzeugt wurde und insbesondere eine mögliche Bedrohung der Zukunftsfähigkeit des Unternehmens („bestandgefährdende Risiken“) erkennbar gewesen wäre. Hierzu wurde unter anderem auch eine risikoorientierte Jahresabschlussanalyse durchgeführt, welche ein transparentes, indikatives Finanzrating umfasste, wie es Banken heute typischerweise durchführen.

Basierend auf den Ergebnissen der Einzelrisikoanalyse wurde im Kontext der Unternehmensplanung die Risikoaggregation durchgeführt. Bei der Risikoaggregation geht es darum, eine Information über den Gesamtrisikoumfang, den Eigenkapitalbedarf und risikoadjustierte Kapitalkostensätze des Unternehmens abzuleiten und so ein wirkliches Abwägen von erwarteten Erträgen und den damit verbundenen Risiken bei wichtigen Unternehmensentscheidungen zu ermöglichen.

Weiterhin sah das Vorgehensmodell zum Aufbau eines Risikomanagementsystems vor, die Bewältigung bedeutsamer Risiken durch die operativen Verantwortlichen zu unterstützen. Hierbei wurden die grundsätzlichen Möglichkeiten der Risikobewältigung (vermeiden, vermindern, transferieren, selbst tragen) strukturiert und – soweit sinnvoll möglich – neue Ansätze für Bewältigungslösungen generiert.

Weiterhin umfasste das Konzept den Aufbau des Risikomanagement-Systems an sich. Ein solches System, wie es durch das KonTraG skizziert ist, zielt darauf ab, durch dokumentierte organisatorische Regelungen sicherzustellen, dass in regelmäßigen Abständen die Risikosituation neu bewertet, die Ergebnisse der Unternehmensführung kommuniziert und rechtzeitig adäquate Risikobewältigungsmaßnahmen eingeleitet werden. Hier wurde auch diskutiert, wie die auf verschiedene Unternehmensbereiche verteilten Teilaufgaben im Risikomanagement zukünftig produktiver koordiniert werden können.
Zudem wurde das Software-Tool „Risiko-Kompass“ (http://www.risiko-kompass.de) eingeführt, welcher von Beginn an die Prozesse der Systemgestaltung unterstützte und für effiziente Abläufe bei der Zusammenführung der Informationen im Risikomanagement sorgte.

Rückblick auf das erste Geschäftsjahr mit einem Risikomanagementsystem

Das Risikoportfolio zum 31. März 2007 der Kabel Deutschland Gruppe umfasst 37 Risiken, die ihrem Ursprung nach verschiedenen Kategorien zugeordnet werden. Die Mehrheit der Risiken sind Leistungs- (40% Anteil) und Strategische Risiken (24% Anteil). Ihnen folgen mit 22% Anteil die Finanzmarkrisiken und mit 14% Anteil die Marktrisiken.

Abbildung 4: Verteilung der Risikokategorien

Neben der sofortigen Bewältigung von Risiken wird auch eine permanente Überwachung der relevanten Risiken sichergestellt. Dazu wurde für jedes identifizierte Risiko vereinbart, wie die Überwachung erfolgen soll. Für die Risiken wurden Indikatoren und Überwachungszyklen sowie Berichtsinhalte und –wege festgelegt.

Eine wesentliche Bedeutung für die Funktionsfähigkeit des Risikomanagementsystems hat die Berichterstattung über die Risiken sowie über die (Nicht-)Erreichung der festgelegten Ziele des Risikomanagements. Das zentrale Risikomanagement hat dazu ein geeignetes Berichtswesen entwickelt. Einerseits werden regelmäßig Risikoberichte erstellt werden, die sowohl das Risikoinventar darstellen als auch einzelne wesentliche Risiken bzw. deren Veränderungen beschreiben. Andererseits soll sichergestellt sein, dass bei Eilbedürftigkeit förmliche Berichtsstrukturen überwunden und institutionalisierte Kommunikationswege sowie Periodizitäten der Berichterstattung verkürzt werden (Ad-hoc-Berichterstattung).

Im Rahmen des integrierten Risikomanagement-Prozesses fragt das zentrale Risikomanagement pro Quartal die Änderungen der Risikolage bei den dezentralen Risikomanagern ab. Dies erfolgt unterjährig per E-Mail und zum Geschäftsjahresende durch Einzelinterviews. Schwerpunkte dieser Abfragen bilden die Aktualisierung der Bewertung, der Maßnahmen und der Frühwarnindikatoren der bestehenden Risiken sowie das Überprüfen der zugeordneten Risikofelder auf das evtl. Vorhandensein neuer Risiken.

Die Risikoberichterstattung an die Geschäftsführung erfolgt durch das zentrale Risikomanagement in aggregierter Form. So wird auch hier eine Systematisierung der Risiken (Zusammenführung und Bereinigung) vorgenommen und die Risiken werden - insbesondere hinsichtlich Ursachen und Wirkungen - näher beschrieben und quantitativ oder qualitativ beurteilt. Änderungen im Umfeld bzw. in der Beurteilung einzelner Risiken werden ebenso erläutert wie die bereits eingetretenen Schäden.

Das zentrale Risikomanagement beschreibt außerdem sowohl die schon ergriffenen als auch die geplanten Risikobewältigungsmaßnahmen. Dabei werden Angaben zum zeitlichen Verlauf der Risikobewältigung, zu den bereits erzielten Erfolgen sowie zu den verbleibenden „Rest“- Risiken gemacht.

Die vom zentralen Risikomanagement auf Basis der Berichte der dezentralen Risikomanager und unter Nutzung des Aggregationsmodells ermittelte Gesamtrisikoposition wird in die Berichterstattung an die Geschäftsführung ebenfalls einbezogen.

Bei Kabel Deutschland beschäftigen sich verschiedene Bereiche und Abteilungen mit Risiken bzw. der Risikosteuerung im Unternehmen – jeweils auf verschiedenen Ebenen und mit verschiedenen Zielen. Wie die verschiedenen Bereiche ineinander greifen, verdeutlicht das nachfolgende Schaubild.

Abbildung 5: Risikosteuerung der Kabel Deutschland GmbH

Das Versicherungsmanagement wurde organisatorisch der Abteilung Risikomanangement zugeordnet. Die abgeschlossenen Versicherungen dienen primär der Absicherung gegen Großschäden, deren Eintritt wesentliche finanzielle Auswirkungen hätte und somit das Betriebsergebnis oder sogar den Fortbestand der Kabel Deutschland Gruppe gefährden könnte.

Aus diesem grundsätzlichen Gedanken heraus sind und werden die Versicherungsprogramme der Kabel Deutschland Gruppe weitestgehend derart gestaltet, dass so genannte „Kleinschäden“ von den Unternehmen der Kabel Deutschland im Eigenbehalt getragen werden. Hierdurch werden u.a. auch unangemessen hohe Prämienforderungen der Versicherer vermieden.

Soweit möglich, werden für die Kabel Deutschland Gruppe einheitliche und zentral gesteuerte Versicherungsprogramme abgeschlossen, wodurch grundsätzlich folgende Vorteile generiert werden:

  • Weitestgehender Versicherungsschutz, um das Anlage- und Umlaufvermögen sowie die Haftpflichtrisiken der Kabel Deutschland Gruppe bestmöglich zu schützen,
  • Wettbewerbsfähige Versicherungsprämien und Deckungsqualität,
  • Einheitlicher Versicherungsumfang und Schadenservice für alle zur Kabel Deutschland Gruppe gehörenden Unternehmen.

Die voranstehend beschriebene Versicherungsphilosophie und Einkaufsstrategie wird fortlaufend durch das Risikomanagement überprüft und stetig an die individuelle Risikosituation der Kabel Deutschland Gruppe angepasst.

Neben den Quartalsabfragen zur aktuellen Einschätzung der bestehenden Risiken und Risikofelder wurden auch einige Sonderanalysen durchgeführt. Dies betraf im Einzelnen folgende Themen:

  • Risikoanalyse zum vermehrten Einsatz von externen Dienstleistern
  • Sichtung des globalen Risikoumfeldes im Zusammenhang mit der aktuellen strategischen Ausrichtung
  • Analysen der Risikostruktur der Mitbewerber
  • Technische Überprüfungen der werthaltigen Regionalstandorte
  • Schadenanalysen z.B. laufende Netzschäden, technische Ausfälle, Sturm Kyrill.


Ausblick und Ziele des Risikomanagementsystems für das Folgegeschäftsjahr

Im laufenden Geschäftsjahr wird das zentrale Risikomanagement den Risikobewertungs-Horizont von einem auf drei Planungsjahre erweitern. Es wird geprüft, ob eine Umstellung des Bewertungsbezugs von der EBITDA-Größe auf Liquiditäts-Größen aussagekräftiger ist. Ebenso werden die noch zu ermittelnden Chancen, die den Cash Flow positiv beeinflussen können (Liquiditätszufluß), in die Aggregation mit einfließen.

Im Versicherungsmanagement hat das zentrale Risikomanagement die Überprüfung der aktuellen Versicherungsprogramme durch zwei kompetente Versicherungsmakler abgeschlossen. Schwerpunkt wird hier neben weiteren Kostensenkungen im Prämienbereich auch eine Optimierung der Risikotransferstrategien im Bereich unserer Leistungsrisiken sein.

Die weiteren Schwerpunkte für das laufende Geschäftsjahr parallel zum operativen Risikomanagementsystem bilden:

  • die Entwicklung eines funktionsfähigen Frühwarnsystems für alle wesentlichen Risiken
  • das Erreichen der SOX-Konformität für das Risikomanagementsystem
  • die Unterstützung der Organisation bei der Implementierung von Recovery-Szenarien als Basis eines Business Continuity Managements
  • die zu vertiefende Integration in die strategische und operative Unternehmensplanung
  • die Weiterentwicklung des riskorientierten Scoping-Ansatzes für SOX.


Das Risikomanagementsystem ist nun integraler Bestandteil aller Prozesse der Kabel Deutschland Gruppe. Damit wird sichergestellt, dass risikobehaftete Entwicklungen möglichst früh identifiziert, bewertet und durch ein aktives Management gesteuert werden.

Neben den großen Chancen in dem sich stetig ändernden und wachsenden Breitbandkabelmarkt ist das notwendige Eingehen von Risiken in jeder Situation zu überwachen und zu steuern. Nur so kann sichergestellt werden, dass es in keiner Situation zu einer wesentlichen Gefährdung des Fortbestands oder zu nachhaltigen negativen Auswirkungen auf die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage kommen kann.


Autoren:

Dr. Werner Gleißner
Vorstand FutureValue Group AG und Geschäftsführer RMCE RiskCon GmbH,
Leinfelden-Echterdingen, kontakt@rmce.de, www.rmce.de


Holger Kiese
Referent Risk Management der Kabel Deutschland Gruppe,
München, Holger.Kiese@kabeldeutschland.de, www.kabeldeutschland.com


Bernd P. Mott
Leiter Leistungserstellung der FutureValue Group AG und der RMCE RiskCon GmbH, Leinfelden-Echterdingen, kontakt@rmce.de, www.rmce.de

 

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