Blick hinter die Kulissen

Risikomanagement bei der Freudenberg-Gruppe


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Die im Familienbesitz befindliche Freudenberg-Unternehmensgruppe entwickelt und produziert Dichtungen, schwingungstechnische Komponenten, Filter, Vliesstoffe, Trennmittel und Spezialschmierstoffe sowie mechatronische Produkte. Die Kunden findet man in der Automobilindustrie, dem Maschinen undAnlagenbau, der Textil- und Bekleidungsindustrie, der Bau- und Bergbauindustrie, der Energie-, Chemie- sowie Öl- und Gasindustrie. Außerdem gehören Unternehmen aus der Medizintechnik, der zivilen Luftfahrt und der Halbleiterindustrie zum Kundenkreis. Allgemein bekannte Produkte sind die Vileda Reinigungsartikel.

Ein Blick in die Unternehmensstrategie der Freudenberg-Gruppe verdeutlicht, dass neben Kreativität und Vielfalt vor allem Innovationskraft die Eckpfeiler des Unternehmens darstellen. So kann man lesen, dass Verlässlichkeit und verantwortungsvolles Handeln zu den Grundwerten der gut 160-jährigen Firmengeschichte gehören. Die Unternehmen der Gruppe beschäftigen heute rund 30.000 Mitarbeiter in 52 Ländern. Der Umsatz betrug im Jahr 2009 rund 4,2 Mrd. Euro. Die Führungsgesellschaft Freudenberg & Co. gehört 300 Nachkommen des Unternehmensgründers Carl Johann Freudenberg und versteht sich als Unternehmen von Unternehmern. Damit ist Freudenberg eine der größten Kommanditgesellschaften Deutschlands. Im Jahr 1849 übernahm Carl Johann Freudenberg und sein Partner Heinrich C. Heintze eine Gerberei im Müllheimer Tal vor Weinheim. Der Sohn des Unternehmensgründers, Hermann Ernst Freudenberg entwickelte zwischen 1900 und 1904 als erster in Europa ein Verfahren zur Gerbung mit Chrombrühe statt mit vegetabilen Stoffen. So verkürzte sich die Produktionszeit um Monate und Freudenberg wurde eine der größten Gerbereien in Europa.

Periodische Risikoinventuren seit 160 Jahren

Die einzelnen Unternehmen sind zu Geschäftsgruppen zusammengefasst. Die Organe der Führungsgesellschaft Freudenberg & Co. Kommanditgesellschaft sind die Unternehmensleitung, der Gesellschafterausschuss und die Gesellschafterversammlung, deren Aufgaben denen eines Vorstands, Aufsichtsrats und einer Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft nahekommen. Die Konzernfunktionen steuern, koordinieren und überwachen die Aktivitäten der Unternehmensgruppe und beraten beziehungsweise unterstützen die Geschäftsgruppen. Wie bereits vor 160 Jahren ist auch heute die Freudenberg-Gruppe einer Reihe von Risiken ausgesetzt, die untrennbar mit unternehmerischem Handeln verbunden sind. Um diese Risiken frühzeitig identifizieren, kontrollieren und rechtzeitig Gegenmaßnahmen einleiten zu können, verfügt der Konzern über ein unternehmensweites, einheitliches Risikomanagementsystem, das eine Klassifizierung der Risiken nach Risikokategorie, Eintrittswahrscheinlichkeit und Schadenshöhe umfasst. Die Grundlage hierzu bilden periodische Risikoinventuren in allen Gesellschaften.

In einem Bottom-up-Prozess informieren die Konzernunternehmen regelmäßig über den aktuellen Status von wesentlichen Risiken. Zu jedem Risiko werden Maßnahmen zu Vermeidung beziehungsweise Reduzierung aufgeführt; die Frühwarnindikatoren werden regelmäßig aktualisiert.  Ziel des Risikomanagementsystems ist bei der Freudenberg-Gruppe nicht die Vermeidung aller potenziellen Risiken (was das größte Risiko für ein Unternehmen darstellen würde), sondern die Schaffung von Handlungsspielräumen, die ein bewusstes Eingehen von Risiken aufgrund einer umfassenden Kenntnis der wesentlichen Sachverhalte und Zusammenhänge ermöglichen.

Somit bezieht sich der Risikobegriff nicht nur auf die Gefahr, dass etwas Negatives eintritt, sondern auch darauf, dass etwas Positives nicht realisiert wird beziehungsweise Chancen nicht wahrgenommen werden.

Die Turbulenzen der Finanzkrise durch Risikomanagement abgemildert

Das umfassende Risikomanagementsystem hat sich bei der Freudenberg-Gruppe im vergangenen wirtschaftlich schwierigen Geschäftsjahr bewährt. Durch die internationale Wirtschafts- und Finanzkrise kam es zu einer erheblichen Abschwächung des Geschäfts- und Konsumklimas, in einigen Märkten zu erhöhter Arbeitslosigkeit, zu einem Rückgang des Investitionsvolumens und daraus resultierend zu gesunkener Nachfrage und äußerst schwierigen Marktbedingungen. Die Wirtschafts- und Finanzkrise hat und wird sich wesentlich auf die Ertragslage des Freudenberg-Konzerns auswirken. Für Freudenberg als Zulieferer liegen die geschäfts- und produktbezogenen Risiken und Chancen besonders in der Entwicklung der Abnehmerbranchen.

Einige der wichtigsten Abnehmerbranchen sind besonders schwer vom wirtschaftlichen Einbruch betroffen: die Automobilindustrie und der Maschinenbau. Der Konzern hat seine Kapazitäten bereits an die verringerte Nachfrage angepasst. Wo aufgrund struktureller Probleme für ganze Industriezweige mit einer dauerhaft niedrigen Nachfrage zu rechnen ist, wurden Produktionsstätten geschlossen. In vielen Bereichen hat Freudenberg auf Kurzarbeit umgestellt, Zeitverträge nicht mehr verlängert und auch einzelne Arbeitsplätze abgebaut.

Investitionen in Zukunftsmärkte und konsequentes Cash Management

Freudenberg treibt den Ausbau des Geschäfts in den Wachstumsregionen, vor allem in China, Indien und Lateinamerika, voran. Der Konzern geht davon aus, dass sich diese Regionen deutlich besser entwickeln werden als die Märkte in Europa, USA und Japan. Trotz der Krise wird Freudenberg weiter in Zukunftsmärkte investieren und das Engagement gezielt in Segmenten mit Wachstumschancen wie die Märkte Öl und Gas, Medizintechnik, erneuerbare Energien, Luftfahrt und Schwerhydraulik ausbauen. Freudenberg reagierte auf die Auswirkungen der Wirtschafts- und Finanzkrise auch mit der kurzfristigen Umstellung der Steuerung der Geschäftsentwicklung auf ein konsequentes Cash Management. Hierzu wurde ein zusätzliches Cash Reporting eingeführt, um kurzfristig und aktiv die erforderlichen Weichenstellungen vornehmen zu können. Der Konzern hat sich im vergangenen Jahr sehr stark an der Liquidität als wichtigste Steuerungsgröße orientiert. Die Bestände in den Lagern wurden massiv gesenkt, ohne dass die Lieferfähigkeit darunter gelitten hätte.

Trotz großer Insolvenzfälle wie General Motors und Chrysler waren keine materiellen Zahlungsausfälle zu verzeichnen. Darüber hinaus wurde das geplante Investitionsvolumen an die veränderte Geschäftslage angepasst. Zusätzlich wurde mit Hilfe von Restrukturierungs- und Kostensenkungsmaßnahmen eine signifikante Senkung der Break-even-Punkte angestrebt und erzielt. Bei dem hohen Maß an Unsicherheit über die zukünftige wirtschaftliche Entwicklung der meisten Industrieländer unterliegt der Konzern Währungs- und Zinsänderungsrisiken, deren Überwachung im Risikomanagementsystem implementiert ist.

Reduzierung der Zinsänderungsrisiken

Zur Reduzierung der Zinsänderungsrisiken stellt Freudenberg & Co. den Tochtergesellschaften finanzielle Mittel über interne Darlehen beziehungsweise Cash Pools zur Verfügung, umgekehrt führen die Konzerngesellschaften überschüssige Liquidität an die zentrale Finanzabteilung ab. Durch die weltweit ansässigen Produktionsstandorte wird nicht nur das Währungsrisiko, insbesondere das Verhältnis des US-Dollars zum Euro, reduziert, sondern auch die Nähe zum Kunden sichergestellt.

Darüber hinaus werden Währungs- und Zinsänderungsrisiken in einem sinnvollen Maß abgesichert. Für die Konzernunternehmen ist in internen Richtlinien verbindlich festgelegt, dass derivative Finanzinstrumente nicht zu Spekulationszwecken, sondern ausschließlich zur Absicherung von Risiken im Zusammenhang mit Grundgeschäften und den damit verbundenen Finanzierungsvorgängen eingesetzt werden dürfen. Im Hinblick auf das gesamtwirtschaftliche Umfeld hat Freudenberg die bestehende und bewährte Risikorichtlinie überprüft und weiterentwickelt, um somit den künftigen Herausforderungen in noch besserer Art und Weise gerecht zu werden.

Durch die Wirtschafts- und Finanzkrise hat sich auch der Zugang zu den Geld- und Kapitalmärkten erschwert. Die Unternehmensgruppe Freudenberg profitiert jedoch von ihrer soliden Bank- und Gesellschafterfinanzierung und verfügt über hohe Reserven an Flüssigen Mitteln. Das Unternehmen ist mit einer überdurchschnittlich hohen Eigenkapitalquote, einem stabilen Stand an Gesellschaftereinlagen sowie umfassenden Kreditlinien ausgestattet. Freudenberg hat frühzeitig kurzfristige Verbindlichkeiten in langfristige umgeschuldet und sich mit zusätzlichen Kreditlinien eingedeckt.

Steuerung potenzieller Risiken aus Technologiewandel hat Priorität

Die Freudenberg-Gruppe misst ihren Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten eine hohe Bedeutung bei. Durch den kontinuierlichen Ausbau dieser Aktivitäten wirkt der Konzern nicht nur möglichen Risiken aus dem schnellen Technologiewandel entgegen, sondern sichert durch technologischen Vorsprung seine Wettbewerbsvorteile und eröffnet neue Chancen in Wachstumsmärkten.
Beispielsweise entwickelt Freudenberg seit Jahren Komponenten für alternative Antriebskonzepte wie Hybrid- oder Elektromotoren. Auf dem Beschaffungsmarkt bestehen für Freudenberg Risiken hinsichtlich der Verfügbarkeit und der Preise von Rohstoffen, insbesondere von Stahl, Rohöl und Kautschuk. Diesen Beschaffungsrisiken begegnen die operativen Einheiten durch weltweite Einkaufsaktivitäten sowie durch die Prüfung der Einsatzmöglichkeit von Ersatzrohstoffen und alternativen Produktionsverfahren. Soweit möglich und sinnvoll werden langfristige Verträge vereinbart. Dem durch die Krise gestiegenem Lieferantenrisiko begegnet Freudenberg mit einer sorgfältigen Auswahl der Lieferanten.

Steuerung der Produkthaftungsrisiken mit Qualitätssicherungsmaßnahmen

Die Gesellschaften der Unternehmensgruppe unterliegen bei ihren geschäftlichen Aktivitäten rechtlichen Rahmenbedingungen und dem Risiko von Rechtsstreitigkeiten. Aufgrund der Funktion als Zulieferer liegt der Schwerpunkt hierbei auf Produkthaftpflichtrisiken.

Freudenberg ist bestrebt, diese Risiken durch umfangreiche Qualitätssicherungsmaßnahmen und -kontrollen zu vermeiden. Gegen Qualitätsrisiken werden spezifische Qualitätsmanagementstrategien wie "Six Sigma" oder "Zero Defect" eingesetzt.

IT-Risikomanagement basierend auf ISO/IEC 27001

Wie für andere globale Unternehmen sind auch für Freudenberg die Zuverlässigkeit und Sicherheit der Informationstechnologie von großer Bedeutung. Dies gilt sowohl für den Einsatz informationstechnologischer Systeme zur Unterstützung der Geschäftsprozesse als auch für die Unterstützung der internen und externen Kommunikation. Risiken aus dem IT-Bereich begegnet die Unternehmensgruppe Freudenberg daher mit einer konzernweit einheitlichen und an den internationalen Standard ISO/IEC 27001 angepassten IT-Sicherheitsrichtlinie. Diese Richtlinie berücksichtigt alle Aspekte des IT-Einsatzes und legt fest, wie angemessene Sicherheitsmaßnahmen identifiziert und umgesetzt werden. Im Wesentlichen werden drei Ziele verfolgt: Verfügbarkeit der Systeme, Integrität der abrufbaren Informationen und das Ausschließen unbefugten Zugriffs auf Daten. Das Bewusstsein der Mitarbeiter hinsichtlich des Umgangs mit Informationen und Informationssystemen wird durch interne Kommunikation ständig geschärft.

Gesundheitsschutz, Arbeitssicherheit und Umweltschutz hat oberste Priorität

Von den bei der Herstellung der Produkte eingesetzten Rohstoffen und Verfahren gehen unterschiedliche Auswirkungen auf Umwelt und Arbeitsplatz aus. Hier gilt für Freudenberg der Grundsatz, den Einsatz kritischer Stoffe möglichst zu vermeiden. Müssen derartige Stoffe zur Einhaltung technischer Spezifikationen dennoch eingesetzt werden, so geschieht dies unter besonderen Schutz- und Vorsorgemaßnahmen. Darüberhinaus werden zur Vermeidung von Unfallrisiken und zum Schutz der Gesundheit am Arbeitsplatz im Rahmen der Umweltschutz-, Arbeitssicherheits- und Gesundheitsschutzinitiative „We all take care“, die jeden einzelnen Mitarbeiter dazu aufruft, sich persönlich für die Verbesserung des Umwelt-, Arbeits- und Gesundheitsschutzes einzusetzen, zahlreiche Projekte durchgeführt und entsprechende Maßnahmen eingeleitet. An allen Freudenberg-Standorten weltweit werden jährlich Aktionswochen durchgeführt, die sich mit den Themen Gesundheitsschutz, Arbeitssicherheit und Umweltschutz befassen. Das hierfür verantwortliche Health, Safety and Environment (HSE) Corporate Committee trifft sich zweimal im Jahr, um sich auf oberster Managementebene und mit den jeweiligen Hauptfunktionsträgern der Teilkonzerne über den Themenkreis Umwelt-, Arbeits- und Gesundheitsschutz auszutauschen. Ziel ist es, die Umwelt- und Arbeitsschutzpolitik sowie die dazugehörigen HSE-Initiativen für die gesamte Unternehmensgruppe weiterzuentwickeln.


[Quelle: Eigener Text basierend auf Geschäftsbericht 2009 der Freudenberg-Gruppe. Bildquelle: Freudenberg]

Kommentare zu diesem Beitrag

OekOek68 /19.05.2010 10:45
Freudenberg ist das klassische Vorzeigeunternehmen im Mittelstand: Kerngesund, hohe Eigenkapitalquote, breit aufgetstellter Produktmix, international tätig, konservativ im Risikomanagement aber innovativ in der Entwicklung. Gut so!
Mandu /19.05.2010 12:22
Die Ansätze im RIsikomanagement klingen recht solide ... da können sich die Finanzdienstleister eine Scheibe abschneiden. Leverage von EK steht bei Freudenberg nicht auf der Agenda. Und Innovation findet nicht in der Welt der CDOs und CDS statt, sondern auf der Produktebene. Dummerweise wurden auch sie - wie so viele andere Mittelständler auch - von der Zockerkrise massiv getroffen (siehe Umsatzentwicklung, im Jahr 2007 noch 5,3 Mrd. Euro Umsatz und in 2009 "nur" noch 4,2 Mrd.)
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