Versäumnisse in Rohstoff-, Energie- und AI-Strategien

Risikoblind in die Zukunft


Versäumnisse in Rohstoff-, Energie- und AI-Strategien: Risikoblind in die Zukunft News

Der Artikel "Why China will win the arms race – It is streets ahead on AI" von Wolfgang Münchau, Direktor von Eurointelligence und Kolumnist bei UnHerd, skizziert eindrucksvoll die wachsende strategische Überlegenheit Chinas im technologischen und militärischen Wettbewerb. Was sich zunächst wie ein geopolitischer Weckruf liest, offenbart bei näherer Betrachtung ein systemisches Versagen westlicher Staaten im Bereich des staatlichen Risikomanagements. Denn wer Risiken nicht antizipiert, sondern nur reagiert, verliert – nicht nur in der Wirtschaft, sondern auch im geo- und sicherheitspolitischen Raum.

Risikomanagement beginnt mit strategischer Vorausschau

China handelt planvoll: Der staatlich geführte Ausbau von Hochtechnologie, Energieinfrastruktur und künstlicher Intelligenz folgt keiner kurzfristigen Marktlogik, sondern einem langfristigen politischen Ziel – technologische Souveränität und militärische Dominanz. Das chinesische System zeigt, was möglich ist, wenn Risiko nicht als Störgröße, sondern als Steuerungsgröße begriffen wird. Im Westen hingegen fehlt es an übergreifender Strategie. Nationale Sicherheit, Innovationspolitik und Energieversorgung werden isoliert betrachtet – mit fatalen Konsequenzen für die Resilienz ganzer Gesellschaften.

Rohstoffstrategie als vernachlässigter Risikofaktor

Ein zentrales Element strategischer Verwundbarkeit liegt im Zugang zu kritischen Rohstoffen – Seltene Erden, Halbleitermetalle, Lithium. China kontrolliert nicht nur große Teile der weltweiten Förderkapazitäten, sondern auch die nachgelagerte Verarbeitung. Während westliche Länder auf kurzfristige Marktverfügbarkeit vertrauten, baute China gezielt Lagerkapazitäten und Lieferketten auf. Ein aktives Risikomanagement hätte hier bereits vor Jahrzehnten die Weichen stellen müssen – durch Diversifikation, strategische Partnerschaften und Investitionen in Recyclingkapazitäten. So hat beispielsweise das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in den vergangenen Jahrzehnten mehrere Studien veröffentlicht, die sich mit der Abhängigkeit der deutschen Industrie von Rohstoffen für Zukunftstechnologien beschäftigen. Beispielsweise unterstreicht die IW-Analyse Nr. 93 aus dem Jahr 2012 die dringende Notwendigkeit für Deutschland, seine Rohstoffstrategie zu überdenken. Angesichts der zentralen Rolle von Seltenen Erden wie Yttrium in Schlüsseltechnologien sollte die Politik Maßnahmen ergreifen, um die Versorgungssicherheit zu erhöhen, beispielsweise durch a) Investitionen in Recyclingtechnologien, b) Förderung von Forschung und Entwicklung alternativer Materialien und c) Aufbau strategischer Partnerschaften mit rohstoffreichen Ländern.

Da die Politik in Deutschland es versäumt hat, ein fundiertes Rohstoff-Risikomanagement aufzubauen, droht im Krisenfall ein regelrechter Rohstoffschock, der ganze Industrien lähmen könnte.

AI-Strategie: Innovationsdruck ohne Handlungsfreiheit

Ein besonders sensibles Feld ist die "künstliche Intelligenz" (Artificial Intelligence) – nicht nur für militärische Anwendungen, sondern auch für Nachrichtendienst, Spionageabwehr, Cyberverteidigung und autonome Waffensysteme. China kann hier weitgehend frei agieren: ethische Richtlinien sind staatlich gelenkt, Datennutzung kaum eingeschränkt. In westlichen Staaten hingegen hemmen fragmentierte Datenschutzvorgaben, ethische Überfrachtung und fehlende Reallabore die Entwicklung kritischer AI-Funktionen. Dass britische Soldaten keine Signalstörer nutzen durften, weil sie angeblich gegen die DSGVO verstoßen, illustriert das Dilemma: Ein rechtsstaatlich fundiertes System ist nur dann krisenfest, wenn es über handlungsfähige Ausnahmen und ein robustes Risikomanagement verfügt.

Ohne Energie keine AI

China koppelt seine AI-Strategie eng an den massiven Ausbau erneuerbarer Energien. Ziel ist nicht nur Dekarbonisierung, sondern energiepolitische Unabhängigkeit bei gleichzeitigem Kapazitätsaufbau für energieintensive AI-Anwendungen. Währenddessen sind die westlichen Staaten durch jahrelange Investitionslücken, ideologische Blockaden und unkoordinierte Förderpolitik in eine strukturelle Energieabhängigkeit geraten. Ein staatliches Risikomanagement müsste Energiepolitik nicht nur als Umweltfrage, sondern als sicherheitspolitische Infrastruktur begreifen – resilient, dezentral, krisenfähig. Hierzu führt Wolfgang Münchau aus: "Das schiere Ausmaß des Ausbaus der chinesischen Energiekapazitäten sollte den Westen beunruhigen. China strebt bis 2030 eine Kapazität von 2.461 Gigawatt an. Die entsprechenden Zahlen für die EU und die USA liegen bei 1.100 bzw. 500 Gigawatt. Für die Chinesen werden erneuerbare Energiequellen wie das weltgrößte Wasserkraftwerk in Tibet, das eine Energiekapazität in der Größenordnung der heutigen Kapazität Deutschlands haben wird, die Hauptlast tragen. Und das nur aus einem einzigen Staudamm."

Koordination und Allianzfähigkeit als resiliente Antwort

Münchau betont zu Recht die mangelnde Koordination westlicher Akteure. Doch diese Lücke ist kein Zufall, sondern Folge fehlender risikoorientierter Governance. Strategische Risikosteuerung müsste nicht nur auf nationaler Ebene verankert sein, sondern transnational koordiniert erfolgen – etwa durch abgestimmte Technologie- und Rüstungsstrategien, gemeinsame Standards im Bereich AI-Sicherheit und eine synchronisierte Außenwirtschaftspolitik, die kritische Abhängigkeiten reduziert.

Fazit: Von der Reaktion zur Prävention – ein neuer Risikobegriff ist nötig

Westliche Demokratien müssen sich eingestehen, dass Freiheit allein keine Strategie ist. Sicherheit, technologische Souveränität und wirtschaftliche Resilienz setzen ein proaktives, institutionell verankertes staatliches Risikomanagement voraus – das nicht nur auf Bedrohungen reagiert, sondern systematisch Vorsorge trifft. Der technologische Wettlauf mit China ist nicht allein eine Frage der Mittel, sondern der politischen Risikokompetenz. Wer Risiken nur verwaltet, wird von der Geschichte überholt. Wer sie vorausschauend gestaltet, kann sie zum strategischen Vorteil machen.

[ Bildquelle Titelbild: Generiert mit AI ]
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