Risiko- und Chancen-Check und Rettungsanker

Die Corona-Wirtschaftskrise als Chance?


Risiko- und Chancen-Check und Rettungsanker: Die Corona-Wirtschaftskrise als Chance? Interview

Die bereits Ende 2019 in China durch Covid-19 ausgelöste Krise hat dort schwere gesundheitliche, gesellschaftliche und wirtschaftliche Schäden verursacht. Obwohl die statistischen Zeitreihen in vielen Ländern (beispielsweise Deutschland und der Schweiz) keine Ausreißer hinsichtlich Mortalität gegenüber den stärkeren Grippewintern der vergangenen Jahre aufzeigen, haben vor allem der präventive "shut down" in den betroffenen Ländern sowohl einen Angebotsschock als auch einen Nachfrageschock ausgelöst. Nach Ansicht des ifo-Instituts sind dringlich Vorkehrungen in den Unternehmen zu treffen, die es erlauben, eine Wiederaufnahme der Produktion mit einer weiteren Eindämmung der Epidemie zu verbinden. Ifo-Chef Fuest: "Wenn die Firmen für länger als einen Monat geschlossen bleiben, erreichen die Produktionsausfälle schnell Dimensionen, die deutlich jenseits der Wachstumseinbrüche liegen, die aus früheren Rezessionen oder Naturkatastrophen in der Geschichte der Europäischen Union bekannt sind."

Die RiskNET-Redaktion sprach mit Rechtsanwalt Dr. Josef Scherer, Professor für Compliance, Risiko- und Krisenmanagement, Sanierungs- und Insolvenzrecht an der Technischen Hochschule Deggendorf.

Wie können Unternehmer sicherstellen, auf diese aktuell extrem schwierige Zeit richtig zu reagieren?

Josef Scherer: Ein Extrembergsteiger verglich den wirtschaftlichen Absturz mit einer Absturzsituation im Berg: Der Bergsteiger müsse zunächst 1. einen kühlen Kopf bewahren, 2. seine akuten Wunden versorgen, 3. die Lage analysieren, 4. eine neue Strategie entwickeln und 5. dies dann konsequent verfolgen. Dies kann nicht nur in der Bergwelt, sondern auch in der Wirtschaft das Überleben sichern.

Was heißt das konkret?

Josef Scherer: Der Unternehmer sollte Schwächen identifizieren, kontrollieren und rechtzeitig prophylaktisch behandeln.

Wieso haben das Unternehmen nicht bereits gemacht? Kennen Unternehmen ihre Schwächen und Stärken etwa nicht?

Josef Scherer: Es ist in vielen Fällen von Unternehmenskrisen und bei Sanierungsberatungen zu beobachten, dass die Inhaber das eigene Unternehmen nicht gut genug kennen. Sehr häufig fehlen systematisch aufgebaute Unternehmensdarstellungen, die jede Abteilung durchleuchten und beschreiben. Wir nennen dies "Risiko-Check".

So sollte es für alle wichtigen Bereiche des Unternehmens Stärken-Schwächen-Analysen mit Handlungskonzepten geben. Solche "SWOT"-Analysen oder noch besser ein mit wenig Aufwand zu betreibendes Risiko- und Chancenmanagement helfen, frühzeitig Schwachstellen und Gefahren, aber auch ungenutzte Chancen zu erkennen und richtig zu reagieren.

Könnten Sie Beispiele nennen?

Josef Scherer: Gerade jetzt zeigt sich, wie anfällig Lieferketten ("supply chain") sind: Im Einkauf ist sicherzustellen, dass auch in turbulenten Zeiten die notwendigen Ressourcen (Material, aber auch Subunternehmer) zur Verfügung stehen.

Ein anderes Thema ist das Controlling: Manch ein Unternehmer freut sich über hohe Umsätze mit bestimmten Produkten, ohne zu erkennen, dass diese unrentabel sind. Exaktes Controlling mit Kennzahlenanalyse, Kostenrechnungen, Kalkulation kommen häufig zu kurz.

In der Praxis verlässt sich der Unternehmer noch zu häufig auf sein Gefühl, statt auf konkrete Zahlen. Eine betriebswirtschaftliche Weisheit lautet zu Recht sinngemäß: "Was man nicht gemessen hat, kann man nicht steuern."

Ist es für einen "Risiko-Check" in Krisenzeiten nicht schon zu spät?

Josef Scherer: Im Gegenteil! Natürlich wäre es besser, wenn das Unternehmen schon in ruhigen Zeiten gecheckt worden wäre. "Rettungsboote sollten nicht im Sturm gebaut werden", sagt immer wieder Frank Romeike, einer der renommiertesten Risikomanagement-Experten. Gerade aber in Zeiten, in denen viele einzelne Unternehmenskrisen anderer Unternehmen einen Dominoeffekt zu Lasten des eigenen auslösen können, ist diese Analyse unverzichtbar.

Wie läuft diese ab?

Josef Scherer: In folgender Reihenfolge: Am größten ist der Handlungsbedarf in der Liquiditätskrise: Mithilfe einer Liquiditätsplanung lassen sich gefährliche Engpässe frühzeitig erkennen.

Auch die Frage der Kreditwürdigkeit, also, ob die Hausbank noch Darlehen ausreichen würde oder schlimmstenfalls schon Insolvenzreife besteht, gehört hierher.

Um nicht in die der Liquiditätskrise vorangehende Ertragskrise zu schlittern, sollte geprüft werden, ob der Unternehmer die Kosten im Griff hat, der Umsatz sich nicht rückläufig entwickelt und das Betriebsergebnis tatsächlich gut ist.

Die strategische Krise stellt häufig den Anfang des Abwärtstrends dar: Neue Geschäftsideen, innovative Produkte oder Dienstleistungen und der Zuwachs guter Kunden verhindern dies in der Regel.

Die Krisenvermeidung setzt voraus, dass der Unternehmer, beziehungsweise Sanierungsberater schnell auf verlässliche Informationen über das Unternehmen zugreifen kann, um effizient zu agieren.

Auch bei einem beabsichtigten (Not-) Verkauf an einen Investor oder einer finanziellen Beteiligung von außen wird in der Regel eine sog. Due-Diligence-Prüfung durchgeführt, d.h., der Erwerber will genau wissen, welche Risiken er "einkauft". Es ist daher kein Zufall, wenn Due-Diligence-Checklisten und die Anforderungen des Instituts für Wirtschaftsprüfer an Sanierungskonzepte (IDW S 6) ähnliche Vorgaben an die Darstellung des Unternehmens aufstellen.

Als Insolvenzverwalter und Sanierungsberater mit über 20-jähriger Praxis können Sie sicher im Nachhinein beurteilen, was die betroffenen Unternehmen hätten besser machen können?

Josef Scherer: Es mag wie "Stammtischweisheiten" klingen, aber nachfolgend einige meiner m.E. wichtigsten Ratschläge:

  1. In (noch) guten Zeiten an insolvenzsichere Vermögensanlagen und den persönlichen "Unternehmer-Risikokoffer" denken,
  2. nicht "alle Eier in einen Korb" legen,
  3. in schlechteren Zeiten die Einbeziehung von weiterem Privatvermögen oder Familienmitgliedern vermeiden,
  4. frühzeitig fachlich gute, erfahrene und engagierte Berater einschalten und
  5. wenn sich der Abwärtstrend nicht aufhalten lässt, rechtzeitig loslassen können.

Für Lösungen ist es fast nie zu spät!

Sollte ein Unternehmer in Zeiten der Wirtschaftskrise zuerst einmal an sich selbst denken?

Josef Scherer: Nur wenn der Unternehmer selbst fit ist, kann er auch anderen helfen. In Krisenzeiten nehmen extreme persönliche Belastungen zu: Liquiditäts- und Kreditengpässe, Umsatzeinbrüche, Kurzarbeit bei gleichzeitigem Erfordernis, qualifizierte Mitarbeiter zu halten, etc., sowie die Frage, wie sich die Krise auf die eigene Existenz auswirken wird.
All dies führt zu Stress, den es finanziell und psychisch gesund zu überstehen gilt.

Basierend auf diversen empirischen Studien haben fast 50 Prozent der deutschen Unternehmer keine Vorsorge für den Fall des plötzlichen Ausfalls getroffen. Was ist die Ursache dafür?

Josef Scherer: Ich denke, das hat sehr viel mit Psychologie und fehlender Sensibilisierung zu tun: Der Unternehmerrisiko-Notfallkoffer streift viele Themen, die man gerne verdrängt, weil sie unangenehm sind. Außerdem denken viele, Vorsorge sei erst im Alter angezeigt, und vergessen, dass Krisen, Unfälle, Krankheiten und Tod nicht nach dem Alter fragen.

Welche Top-Risiken bzgl. seiner eigenen Person sollte ein Unternehmer denn prophylaktisch steuern?

Josef Scherer: Am wichtigsten ist seine Gesundheit. Regelmäßige Gesundheits-Checks, gesunde Lebensweise und "Work-Life-Balance" opfern die Unternehmer häufig dem Beruf. Hier gilt es, Gewohnheiten und Muster zu durchbrechen und den "inneren Schweinehund" zu überwinden.

Aber auch betriebliche Risiken können existenzgefährdend sein: So droht im operativen Geschäftsbetrieb oft trotz Rechtsform GmbH persönliche zivil- und auch strafrechtliche Haftung wegen Pflichtverstößen. Hier gilt es, den Betrieb rechtssicher zu organisieren, die wesentlichen Pflichten des Unternehmers zu kennen und zu beachten.

Bei plötzlichem Ausfall durch Krankheit, Unfall, Tod droht eine Blockade, falls Kernfunktionen auf die betroffene Person konzentriert waren. Vertretungsregelungen, hinterlegte Dokumente mit PIN, TAN, Codewörtern, Schlüsselkunden, wichtigen laufenden Aufträgen, Zweitschlüssel und Wissensmanagement sind in der Praxis noch selten, aber Gold wert.

Hier wäre es auch wertvoll, frühzeitig an Unternehmensnachfolgeregelungen sowie Patienten-, Betreuungsverfügungen und Vorsorgevollmachten zu denken.

Hier ist darauf hinzuweisen, dass Belastungen durch Ausgleichszahlungen an weichende Erben oder Ehepartner, aber auch die Nichtabstimmung von Ehe-, Gesellschafts- und Erbvertrag oder Testament häufig zu Unternehmenskrisen führen.

Welche besonderen Risiken birgt die aktuelle Krise für Unternehmer?

Josef Scherer: Eine Unternehmenskrise kann auch zur persönlichen Insolvenz des Unternehmers mit der fatalen Folge des Verlusts von Eigenheim, Einkommen und Altersvorsorge und einer Menge weiterer Probleme, wie Klagen oder Strafverfolgung führen. Dagegen helfen entsprechende gesellschaftsrechtliche und organisatorische Unternehmensstrukturen, die einen Durchgriff auf das Privatvermögen verhindern, sowie insolvenzfeste Vermögensanlagen.

Treffen Sie wichtige Entscheidungen in Abstimmung mit der Familie.

Bleiben Sie im regelmäßigen Austausch mit Ihrem vertrauensvollen und erfahrenen Berater bzgl. Risikovorsorge und suchen Sie auch das Gespräch mit Ihrer Hausbank.

Ist "Risikomanagement", die derzeit meistgenannte Möglichkeit zur optimalen Unternehmenssteuerung und Krisenvermeidung, sehr aufwändig?

Josef Scherer: Risikomanagement ist zunächst in der "absoluten Basis-Version" im Grunde so einfach, dass jeder Unternehmer sich mit seinen Führungskräften selbst eines "basteln" kann: Entsprechend dem Unternehmensorganigramm oder noch besser entlang der dokumentierten Prozessabläufe (falls vorhanden) werden zunächst in den diversen Bereichen (mit Hilfe von Checklisten oder mittels Interviews mit Geschäfts- und Abteilungsleitung) bestandsgefährdende Risiken identifiziert. Auch externe Risiken (beispielsweise Währungsrisiken, Auswirkungen der Wirtschaftskrise etc.) und das Unternehmerrisiko sollten Beachtung finden.

Die gefundenen Top-Risiken werden unter dem Aspekt Häufigkeit und Schadensszenario (bspw. als "worst case", "realistic case" und "best case") bewertet. Danach werden die gravierendsten Risiken abgearbeitet, abgewälzt oder versichert.

Die noch verbleibenden Risiken werden ebenso wie neu auftretende beobachtet. Für nicht vermeidbare Fälle sollten Notfallpläne existieren. Dabei ist besonders Augenmerk auf Aufrechterhaltung des Betriebsablaufs ("Business Continuity") zu richten.

Ist das nicht etwas zu banal?

Josef Scherer: Nein, wichtig ist lediglich, dass sich die Unternehmen endlich angemessen und vernünftig mit dem Thema beschäftigen. Keine bloßen Alibiveranstaltungen, sondern "gelebtes" und vor allem wirksames Risikomanagement. Im Grunde sollte jeder Mitarbeiter sich als Risikomanager in seinem Arbeitsumfeld und hin zu Schnittstellen fühlen. Die Beiziehung von echten Profis empfiehlt sich natürlich gerade in Krisenzeiten, um fatale Fehler zu vermeiden.

Beispiel bzgl. der jetzigen Corona-Pandemie: Es lag dem Deutschen Bundestag bereits im Jahr 2012 (!) eine Risikoanalyse vor, die das worst-case-Szenario erschreckend realistisch abbildete. Das Robert Koch Institut vermeldete aber am 27.03.2020, die Analyse sei nicht tauglich gewesen, da es sich um ein worst-case-Szenario handelte. Da fehlen einem einfach die Worte. Unternehmen und auch der Staat sollten sich auch mit Worst-Case-Szenarien beschäftigen, d.h. mit den Szenarien, wenn die Sonne eben nicht scheint und es stürmisch und ungemütlich wird. Auf diese stürmischen Zeiten muss ich mich vorbereiten. Die Alternative ist ein reaktives Ad-hoc-Krisenmanagement – was selten funktioniert und sehr teuer ist. Der Beweis wird uns gerade tagtäglich geliefert!

Gibt es in diesen Krisenzeiten spezielle Indikatoren, die zu beachten wären?

Josef Scherer: Ja, zum einen auf Grund der drohenden Vielzahl von Insolvenzen: Häufig holen sich Insolvenzverwalter erhaltene Zahlungen vom Gläubiger mit dem Instrument der Insolvenzanfechtung zurück. Das heißt, sogar beim Forderungseinzug, also beim Erhalt von Zahlungen lässt sich viel falsch machen, wenn der Vertragspartner zu den gefährdeten Krisenunternehmen zählt. Hier gilt es Besonderheiten aufgrund des COVInsAG. Dazu sollten wir später ausführlich diskutieren.

Positiv: Viele Unternehmen installieren Risikomanagement jetzt nicht nur bei sich selbst, sondern verlangen dies mit mehr oder weniger Nachdruck auch von ihren Lieferanten und Kunden, auf deren Bestand sie angewiesen sind.

Sie haben bereits 2009 als Studiengangsleiter an der Technischen Hochschule Deggendorf zusammen mit Frank Romeike, dem Kompetenzportal RiskNET und der TÜV Süd Akademie den in Deutschland immer noch einzigartigen Masterstudiengang Risiko- und Compliancemanagement gestartet und im Jahr 2012 mit Genehmigung des Staatsministeriums das Internationale Institut für Governance, Management, Risk und Compliance mit einem großen Netzwerk von Experten gegründet. Welche Erfahrungen haben Sie gesammelt?

Josef Scherer: Die Resonanz ist seit nunmehr 11 Jahren extrem positiv. Viele Unternehmer haben erkannt, dass Risikomanagement nicht nur gesetzlich vorgeschrieben, sondern durchaus sinnvoll und unter Umständen "lebensrettend" sein kann. Dennoch sind diese Themen in Ausbildung, Studium, Weiterbildung und beruflicher Praxis noch viel zu unterrepräsentiert.
Auch der immanente Begriff "Chancenmanagement" sollte gerade in der Krise seine Bedeutung bekommen: Derzeit werden von innovativen Unternehmen die Wettbewerbsvorteile und Nischen für die Zeit nach der Krise besetzt.

Wie ist bei Restrukturierung oder Sanierung am effektivsten vorzugehen?

Josef Scherer: Zunächst sollte sich der Unternehmer Gedanken machen, wie akut die Situation im Unternehmen ist. Zu beachten ist, dass es selten zu früh, aber oft zu spät ist, sich Gedanken über Sanierungsmaßnahmen zu machen.
Falls bereits Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung droht, ist es höchste Zeit, das Ruder herumzureißen, um Insolvenz und persönliche zivil- und strafrechtliche Haftung des Unternehmers wegen Begehung von "Krisenstraftaten" zu vermeiden. Auch hier hat das COVInsAG besondere Regelungen.

Im Übrigen liefert das Institut der Wirtschaftsprüfer ausführliche und gute Informationen über die Anforderungen an Sanierungskonzepte: "IDW S 6".

Welche zum Beispiel?

Josef Scherer: Neben der Prüfung der Sanierungsfähigkeit und -würdigkeit werden auch zahlreiche Möglichkeiten zur Sanierung in den unterschiedlichsten Bereichen angesprochen. Jede Abteilung, zum Beispiel Finanzen, Personal, Einkauf, Produktion, Vertrieb, und so weiter, muss dabei gecheckt werden.

Worum geht es denn bei der Sanierung im finanzwirtschaftlichen Bereich?

Josef Scherer: Hier unterscheidet man Eigenkapitalmaßnahmen, beispielsweise die Beteiligung eines (stillen) Gesellschafters, und Fremdkapitalmaßnahmen, wozu vor allem ein außergerichtlicher Vergleich mit den Gläubigern zählt. Beispielsweise: Verzicht auf Zinsen oder Teile der Hauptforderung, gegebenenfalls kombiniert mit Stundung oder Besserungsschein.

Auch die Umwandlung von Darlehen in Eigenkapital (Debt Equity Swap), die Nutzung von Anlagevermögen über das sogenannte "Sale and lease back"-Verfahren oder auch von Umlaufvermögen, zum Beispiel Factoring im Debitorenmanagement, gehören zum Sanierungsinstrumentarium.

Nicht zu vergessen ist das oft rettende Engagement von Investoren (Private Equity), die häufig nicht nur im Kreis der Wettbewerber, sondern auch der Kunden oder Lieferanten zu finden sind. Gesellschafterbeiträge könnten neben Forderungsverzicht oder Rangrücktritten auch "Finanzspritzen" (Fresh Money) sein.

Welche Rolle spielen in solchen Situationen Kommunikation und Psychologie?

Josef Scherer: Eine ganz wesentliche! Krisenmanagement beinhaltet zwingend auch professionelle Krisen-PR und -Kommunikation im Unternehmen sowie gegenüber Außenstehenden wie Lieferanten, Kunden, Behörden, Gläubigern, insbesondere auch gegenüber Banken.

Von der psychologischen Seite her bedeutet Krisenmanagement sachliches, ruhiges und planvolles Vorgehen.

Der erfahrene Krisenmanager behält den Überblick und setzt sinnvoll Prioritäten. Dazu gehört auch, bei nicht steuerbaren Krisen loszulassen, sprich, auch an Liquidation oder Insolvenz zu denken, bevor noch weiteres (Privat-) Vermögen "verbrannt" wird.
Häufig ist hier ein Ende mit Schrecken besser als ein Schrecken ohne Ende. Darüber hinaus lässt sich oft mit rentablen Unternehmensteilen ein unbelasteter Neuanfang durchführen.

Hat ein Unternehmer in der Krise die Wahl, sich zwischen außergerichtlicher Sanierung und einer Sanierung mittels Insolvenzverfahren zu entscheiden?

Josef Scherer: Unter Umständen ja. Die Entscheidung kann jedoch nur sinnvoll getroffen werden, wenn er frühzeitig die Lage prüft, die Vor- und Nachteile der jeweiligen Verfahrensart kennt und gegeneinander abgewogen hat. Außerdem kann es sein, dass eine der Alternativen aus rechtlichen oder faktischen Gründen ausgeschlossen ist.

Könnten Sie das näher erläutern?

Josef Scherer: Gerne. Zunächst zu den Vorteilen einer Sanierung ohne Insolvenzverfahren: Es besteht die Möglichkeit der "diskreten" Durchführung, wogegen ein Insolvenzverfahren zumindest im Internet und unter Umständen in der Tagespresse veröffentlicht wird. Außerdem fallen anders als im Insolvenzverfahren keine Gerichts- und Verwaltungskosten an. Am wichtigsten erscheint jedoch die Möglichkeit, einen sanierungserfahrenen und willigen Berater aussuchen zu können.

Dass nämlich im Insolvenzverfahren das Krisenunternehmen in der Regel keinen Einfluss auf die Auswahl des Verwalters nehmen kann, wird als größtes Risiko gesehen: Der Insolvenzverwalter vertritt die Interessen der Gläubiger und es hängt bei ihm alleine von Erfahrung, Geschick und Gutmütigkeit ab, ob eine Sanierung versucht wird oder nicht.

Welche Vorteile hätte denn dann eine Sanierung mit Insolvenz?

Josef Scherer: Zunächst entfallen für den Unternehmer mit Antragstellung für die Zukunft elementare persönliche Haftungsgefahren, zum Beispiel auf Grund von Insolvenzverschleppung, Eingehungsbetrug oder Begünstigung: Einzelvollstreckungsmaßnahmen der Gläubiger sind nicht mehr zulässig. Über das Insolvenzausfallgeld werden unter Umständen bei einer Unternehmenssanierung im vorläufigen Insolvenzverfahren bis zu drei volle Monatsgehälter von der Bundesagentur für Arbeit übernommen, was gerade bei lohnintensiven Unternehmen eine erhebliche Entlastung darstellt. Auch arbeitsrechtlich gibt es einige Erleichterungen bei Kündigungsfristen und Höhe von Sozialplanforderungen. Der wichtigste Vorteil besteht jedoch in der Möglichkeit, mittels Insolvenzplan unter Umständen sogar Gläubiger, die gegen eine Sanierung votieren, zu überstimmen.

Auch "Altlasten", zum Beispiel unverhältnismäßig hohe Pensionsverpflichtungen oder Verbindlichkeiten aus früheren Zeiten, kann das Unternehmen loswerden. Beides ist ohne Insolvenz meist nicht möglich.

So ein Insolvenzplanverfahren oder "Schutzschirmverfahren" scheint ja sehr positiv zu sein. Wann kommt es in der Praxis zum Einsatz?

Josef Scherer: Der Gesetzgeber hat 1999 ein hervorragendes Sanierungsinstrument in die Welt gerufen und später über das "Schutzschirmverfahren" noch optimiert.

Es ist sogar möglich, mit eigenen Sanierungsberatern und Hauptgläubigern ein Sanierungsinsolvenzplankonzept abzustimmen und mit diesem vorgepackten Plan ("Prepackaged-Plan") vorbereitet und zum optimalen Zeitpunkt (auch schon wegen drohender Zahlungsunfähigkeit) Insolvenzantrag zu stellen.

Bei Unternehmen scheint aber häufig noch die Besorgnis vorzuherrschen, so ein Insolvenzplanverfahren sei viel zu kompliziert. In den USA dagegen wird das ähnliche "Chapter-Eleven-Verfahren" seit Jahrzehnten wie selbstverständlich und erfolgreich praktiziert.

Was ist generell die Ursache, dass, egal ob mit oder ohne Insolvenz, nur relativ wenige Unternehmen saniert werden?

Josef Scherer: Zum einen ist das fehlende Know-how von Unternehmern und Gläubigern über Sanierungsinstrumente.
Das größte Hindernis ist jedoch die fehlende Sanierungswürdigkeit und -fähigkeit, wenn jegliche Perspektive fehlt, weil eine frühzeitige konsequente Sanierung so lange verdrängt wurde, bis auch noch die letzte Chance vertan ist.

Wie läuft optimalerweise eine Unternehmenssanierung ab?

Josef Scherer: Zunächst ist ein Frühwarnsystem zur rechtzeitigen Krisenerkennung vorzuhalten, um zeitnah reagieren zu können. An das Vorliegen einer "Krise" knüpft der Gesetzgeber eine Reihe von weitreichenden Rechtsfolgen. Ob und wann jedoch von einer "Krise" im Rechtssinne gesprochen werden kann, ist eine höchst diffizile Frage. Dafür gibt es Checklisten mit externen und internen Krisenanzeichen.

Und falls sich Krisenanzeichen zeigen?

Josef Scherer: Sofern eine Krise im Unternehmen herrscht, bedarf es – schon allein zur Vermeidung einer zivil- oder strafrechtlichen Haftung der Geschäftsführung – der kurzfristigen Prüfung von Insolvenzgründen:

Für juristische Personen sind dies Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung, sofern nicht die Fortführung trotz Überschuldung als wahrscheinlich erscheint. Liegt ein Insolvenzgrund vor, so besteht für GmbH-Geschäftsführer oder Vorstände von Aktiengesellschaften eine Insolvenzantragspflicht. Bei einem Unterlassen macht sich die Geschäftsführung nicht nur strafbar, sondern auch zivilrechtlich persönlich haftbar.

Diesbezüglich gibt es jedoch aktuelle Neuerungen aufgrund der Corona-Krise: Durch das COVInsAG (COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetz), das am 27.03.2020 in Kraft trat, wird die Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrages nach § 15a InsO bis zum 30.09.2020 ausgesetzt. Dies gilt jedoch nicht, wenn die Insolvenzreife nicht auf den Folgen COVID-19-Pandemie beruht oder wenn keine Aussichten darauf bestehen, eine bestehende Zahlungsunfähigkeit zu beseitigen. Lag bis 31.12.2019 keine Zahlungsunfähigkeit vor, wird vermutet, dass die Insolvenzreife durch die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie entstanden ist.

Des Weiteren wurden die Zahlungsverbote für Geschäftsführer nach Eintritt der Insolvenzreife eingeschränkt.
Zahlungen, die im ordnungsgemäßen Geschäftsgang getätigt werden bzw. die für die Aufrechterhaltung oder die Wiederaufnahme des Geschäftsbetriebes notwendig sind oder im Rahmen der Umsetzung eines Sanierungskonzeptes erfolgen, gelten nach der Neuregelung als mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters vereinbar und können keine persönliche Haftung des Geschäftsführers auslösen (§ 64 S. 2 GmbHG, § 92 Abs. 2 S. 2 AktG, § 130a Abs. 1 S. 2, auch in Verbindung mit § 177a S. 1 HGB und § 99 S. 2 GenG).

Bei Vorliegen der Voraussetzungen für die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht das Risiko einer späteren Insolvenzanfechtung in vielen Konstellationen ausgeschlossen. Dies gilt jedoch nicht, wenn dem "anderen Teil" (in der Regel: Vertragspartner) bekannt war, dass die Sanierungs- und Finanzierungsbemühungen des Schuldners nicht zur Beseitigung einer eingetretenen Zahlungsunfähigkeit geeignet gewesen sind.

Welche Möglichkeiten zur Liquiditätsschonung und Unterstützung gibt es?

Josef Scherer: Resultierend aus dem "Gesetz zur Abmilderung der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht" gibt es vielfältige Möglichkeiten zur Liquiditätsschonung und Unterstützung.

  • Zum Beispiel können Miet- und Pachtverhältnisse über Grundstücke oder Räume durch den Vermieter nicht mehr gekündigt werden, wenn der Mieter im Zeitraum von 01.04.2020 – 30.06.2020 die Mietzahlungen einstellt und dies auf den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie beruht.
  • Leistungsverweigerungsrechte für Kleinstunternehmer.
  • Anpassung der Körperschaftsteuervorauszahlung sowie der Einkommensteuervorauszahlung.
  • Zinslose technische Stundung bezüglich Einkommens-, Körperschaft- und auch Umsatzsteuer.
  • Stundung von Sozialversicherungsbeiträgen.
  • Unter erleichterten Voraussetzungen kann Kurzarbeitergeld rückwirkend ab dem 01.03.2020 (vorerst bis zum 31.12.2020 befristet) beantragt werden.
  • Corona-Soforthilfe
  • Einmalzahlungen für 3 Monate. Daneben gibt es auch noch landesspezifische Programme.
  • Fonds für Eigenkapital- und Kreditmaßnahmen sowie ein Sonderprogramm für die Kreditvergabe (KfW bzw. LfA Förderbank Bayern in Bayern; KfW-Unternehmerkredit, ERP-Gründerkredit, Kredit für Wachstum, Großbürgschaftsprogramm, Universalkredit der LfA, Akutkredit für Mittelständische Unternehmen der gewerblichen Wirtschaft, Bürgschaften für mittelständische Unternehmen und Freie Berufe).

Sollte man jetzt bereits die Hausbank einbeziehen?

Josef Scherer: Grundsätzlich ja. Die Gefahr dabei kann aber sein, dass die Bank die Aussichten für das Unternehmen generell negativ bewertet und Kredite sofort kündigt und fällig stellt. Daher muss dieses Krisengespräch gut vorbereitet werden.

Bevor aufgrund der im Unternehmen angenommenen Krise vorschnelle Schlüsse gezogen werden, ist es sinnvoll, dass das Unternehmen einen externen Berater sucht, der das hausinterne Ergebnis überprüft. Die Anforderungen an einen derartigen externen Berater, beziehungsweise das von ihm erstellte Gutachten sollten dabei an den Standards des Instituts der Wirtschaftsprüfer (IDW S 6 und IDW S 11) gemessen werden. Beispielsweise kann das Ergebnis des Gutachtens sein, dass die Zuführung von Fremdkapital zur Überwindung einer Liquiditätslücke ausreicht, womit in der Regel ein Beitrag der Hausbank oder beispielsweise der LFA in Form eines Sanierungskredits gefordert werden wird.

Wie ist zu reagieren, wenn das Gutachten zu dem Ergebnis kommt, dass das Unternehmen nicht saniert werden kann?

Josef Scherer: Ist Sanierungsfähigkeit nicht gegeben und liegt ein Insolvenzgrund vor, so ist nach den gesetzlichen Vorgaben umgehend Insolvenzantrag zu stellen. Viele Berater wissen nicht, dass sie sich möglicherweise sogar strafbar machen, zum Beispiel wegen Beihilfe zur Insolvenzverschleppung, wenn sie in diesem Stadium weiterberaten.

Und was ist im positiven Fall der Sanierungsfähigkeit zu veranlassen?

Josef Scherer: Bei Sanierungsfähigkeit sollte ein erfahrener Berater engagiert werden. Expertise in diesem speziellen, höchst komplexen Rechtsgebiet und persönliches Engagement sind hierbei Faktoren, die bei einer Mandatserteilung zu berücksichtigen sind. Beim Erstkontakt des Unternehmens mit dem Berater wird zunächst das Ziel der Mandatierung erarbeitet und beispielsweise der Ablauf bereits erfolgreich durchgeführter Sanierungen besprochen, damit der Unternehmer das entsprechende Basiswissen bekommt.

Welche Fragen müssen danach geklärt werden?

Josef Scherer:  Es ist zu prüfen und zu entscheiden, ob außergerichtlich ohne Insolvenzverfahren oder mit Hilfe einer Insolvenz, insbesondere sogar einem "prepackaged Plan" – Insolvenzplanverfahren "oder Schutzschirmverfahren" saniert werden kann oder soll.

Sofern die Sanierung glückt, ist der Prozess damit abgeschlossen?

Josef Scherer: Der Unternehmer sollte aus der Krise gestärkt hervorgehen und auch aus Versäumnissen gelernt haben.
Für die Zukunft muss jetzt aktiv Risikomanagement und Business Continuity-Management betrieben und gelebt werden werden. Darüber hinaus hat sich die Einrichtung eines aktiven Beirats oder Aufsichtsrats mit professionellen Mitgliedern, die ihre Aufgabe ernst nehmen, bewährt.

Welche Art von Unternehmen beweisen sich in Krisenzeiten resilienter als der Durchschnitt?

Josef Scherer: Unternehmen, die sich in der Vergangenheit auf die Schaffung und Steigerung nachhaltiger Werte ausgerichtet hatten, können auch Krisenzeiten erfolgreich überstehen.

Was ist denn unter "nachhaltigen Unternehmenswerten" zu verstehen?

Josef Scherer: In Bilanzen tauchen unter den Rubriken "Anlage- und Umlaufvermögen" Positionen wie Immobilien, Maschinen, Rohstoffe, Vorräte, (halb-) fertige Erzeugnisse, offene Forderungen und ähnliches auf.

In den vielen Insolvenzen oder Sanierungssituationen, bei Verhandlungen mit Investoren oder Unternehmensnachfolgern zeigt sich meist, dass diese Werte nicht sehr beständig sind: Immobilien, aber auch Maschinen sind z.T. nur mit erheblichem Abschlag oder mangels Nachfrage gar nicht verwertbar, Forderungen bisweilen nur schwer oder gar nicht einbringlich.

Der sogenannte "going concern", also Verkehrswert lässt sich eben tatsächlich nur dann ansetzen, wenn eine günstige Fortführungsprognose besteht.

Der alternative Zerschlagungswert der angesprochenen Positionen geht häufig gegen null.

Auch die geläufigen Unternehmensbewertungsverfahren stoßen bei Interessenten nicht immer auf Gegenliebe, weil sie sich – vergangenheitsorientiert – an den letztjährigen Umsatz- oder Gewinnzahlen orientieren, aber wenig über die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens aussagen.

Zahlreiche Beispiele aus jüngster Vergangenheit demonstrieren, dass Unternehmen, die – weil kurzfristig orientiert oder mit legalen Bilanztricks gepuscht – in den letzten Jahren noch tolle Umsätze und Gewinne auswiesen, heute zu den Insolvenz-Kandidaten zählen.

Ein nachhaltiger Unternehmenswert dagegen ergibt sich, wenn sich weitere Faktoren positiv darstellen: Das sogenannte "value engineering" stellt ab auf

  • Innovationsorientierung bei den Produkten bzw. Leistungen des Unternehmens,
  • effiziente, qualitativ hohe und sichere Organisation, wozu Prozessabläufe,
  • Wissens-, Qualitäts- und Risikomanagement, aber auch Netzwerke (Cluster) zählen,
  • das Kunden- aber auch Lieferantenbeziehungspotenzial,
  • ein funktionierendes Finanzierungsmanagement und nicht zuletzt
  • das Mitarbeiterpotenzial, beispielsweise bei Qualifikation und Motivation.

Wie lassen sich diese "nachhaltigen Unternehmenswertfaktoren" schaffen oder steigern?

Josef Scherer: Durch ein wirksames Risikomanagement.

Dieser Ansatz findet sich in diversen Instrumentarien: Bekannt aus dem Bereich "Unternehmensstrategie" sind sogenannte SWOT-Analysen, oder die "balanced scorecard". Ebenso verlangen brauchbare Business-Pläne, Sanierungskonzepte oder die due-diligence-Checks fundierte Aussagen zu den oben angesprochenen Bereichen. Ein umfassendes Risikomanagement, analysiert und bewertet Schwachstellen und brachliegende Chancen, behandelt die priorisierten Themen und beinhaltet auch ein funktionierendes Business Continuity- und Krisenmanagement.

Geht es bei der "Schaffung und Steigerung nachhaltiger Unternehmenswerte durch Risikomanagement" nur um monetäre Werte?

Josef Scherer: Keinesfalls, mit "Werten" sind auch ethische Werte gemeint. Leider gibt es auch hier genügend Beispiele für Fehlentwicklungen und damit genügend Anlass für eine Umorientierung: Große Konzerne aus nahezu allen Branchen machten Negativ-Schlagzeilen mit unterschiedlichsten Skandalen. Dadurch wurden in Deutschland die Begriffe "Compliance" und "Corporate Social Responsibility" / Nachhaltigkeit modern, das nichts anderes bedeutet, als dass sich auch Manager, Unternehmen und Mitarbeiter pflichtgemäß und verantwortlich zu verhalten haben.

Mittlerweile wird dem "Compliancemanagement" in einigen Unternehmen aber bereits ein großer Stellenwert eingeräumt. Meines Erachtens werden wir hier aber eine echte Umorientierung erst erreichen, wenn "compliance" sich lohnt und "non compliance" ein unter Risikomanagementgesichtspunkten ein erhebliches finanzielles oder Reputationsrisiko darstellt. Die Realität ist hier noch weit davon entfernt, lieferte erst allmählich einige signifikante Beispiele. Ein grundlegendes gesellschaftliches Umdenken und ein effektiver ordnungspolitischer Rahmen wären hier jedoch noch dringend erforderlich. Da wir heute aber global agieren, reichen Änderungen auf nationaler und europäischer Ebene nicht aus. Was nutzt es, wenn beispielsweise Markenpiraterie in Europa, nicht jedoch in Asien sanktioniert werden kann?

Aber selbst auf nationaler Ebene versagt meines Erachtens unser System noch zu häufig: Es gab bereits vor der Corona-Wirtschaftskrise Instrumentarien wie Risikomanagement. Wie bereits erwähnt, lag bereits im Jahr 2012 dem Bundestag eine perfekte Risikoanalyse bzgl. einer Corona-Pandemie vor. Wenn jedoch der Staat oder in den Unternehmen das Management gute Methoden und Werkzeuge falsch oder per se nicht anwenden und Aufsichtsgremien ebenfalls versagen, nutzt das beste Instrumentarium nichts.

Wieso hat die aufgezeigten Systemschwächen kaum jemand erkannt bzw., warum sind vereinzelte warnende Stimmen ungehört verhallt?

Josef Scherer: Dafür mag es viele Gründe geben, insbesondere, dass es in der Weltgesellschaft eben "menschelt".

Menschliche Entscheidungen sind häufig von Egoismen oder irrationalen Zielen geprägt. Wenn regulierende Wertemechanismen verschwinden, kann ein "Leben auf Pump" und das Dogma "Wachstum um jeden Preis" gesellschaftsfähig werden.
Die Rechnung dafür wird uns gerade serviert. Vielleicht fehlen uns auch ausreichend Querdenker: Wieso wird immer noch so wenig in Forschung und Entwicklung, in Ökologie, in Bildung oder wichtige Infrastrukturen investiert, obwohl dies durchaus nachhaltigen Mehrwert schaffen könnte?

Welchen Mehrwert schaffen dagegen andere Bereiche, die kräftig um sich greifen, wie unsere ausufernde Bürokratie. Milliarden werden in Selbstverwaltung investiert, ohne für irgendjemanden Mehrwert zu schaffen. Die aktuelle Krise sollte uns zum Nach- und Querdenken über unser Selbstverständnis anregen.

Die Zeit ist dafür reif. Dies wäre eine weitere Chance, die in der Krise steckt.

Prof. Dr. Josef Scherer
Prof. Dr. Josef Scherer, Rechtsanwalt, Professor für Krisenmanagement, Vorstand des Internationalen Instituts für Governance, Management, Risiko und Compliance der Technischen Hochschule Deggendorf.
Rechtsanwalt, Professor für Krisenmanagement, Vorstand des Internationalen Instituts für Governance, Management, Risiko und Compliance der Technischen Hochschule Deggendorf. Zuvor arbeitete er als Staatsanwalt an diversen Landgerichten und Richter am Landgericht in einer Zivilkammer. Mitglied diverser ISO- / DIN- / ASI-Normenausschüsse.

 

[ Bildquelle Titelbild: Adobe Stock | Bild Scherer: Stefan Heigl / RiskNET GmbH ]
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