Roundtable-Diskussion zum Thema Betrug, Geldwäsche, Terrorismusfinanzierung


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Der Internationale Währungsfonds (IWF) schätzt, dass jedes Jahr bis zu 1,5 Billionen US-Dollar an „schmutzigem Geld“ gewaschen werden. Dies sind etwa zwei bis fünf Prozent der weltweiten Wertschöpfung. Die Gelder stammen vor allem aus dem Bereich der organisierten Kriminalität. Allerdings haben sich deren Strukturen in den vergangenen Jahrzehnten gravierend geändert: Die streng hierarchischen, fast archaischen Organisationen (wie die Mafia/Cosa Nostra, die Chinesischen Triaden oder der Japanische Yakusa) verlieren an Bedeutung. Stattdessen wandeln sich die Organisation hin zu flexibel arbeitenden Netzwerkstrukturen mit Spezialisten für Logistik, Rechtsberatung, Geldwäsche etc. Interessanterweise spiegelt sich der Trend in der „normalen“ Wirtschaft, die ja ebenfalls zunehmend auf Netzwerke, flexible Kooperationen, Telearbeit und Outsourcing setzt, damit auch im Bereich der organisierten Kriminalität wider. Die Treiber für diese neue Struktur sind vor allem verminderte Grenzkontrollen, der globale Handel sowie  moderne Kommunikations- und Transportmittel.

Zum Thema „Betrug, Geldwäsche, Terrorismusfinanzierung“ hat das International Bankers Forum e. V. (IBF), Deutschlands größter privater Berufsverband des Bankgewerbes, u.a. Dirk Mohrmann (Chairman World Compliance, Miami), Dr. Henning Herzog (Direktor des Institute Risk & Fraud Management der Steinbeis-Hochschule, Berlin) und Dr. Joachim Kaetzler (Themenführer der AG Geldwäsche, Transparency International Deutschland e.V.) zu einer Podiumsdiskussion eingeladen. Im Folgenden veröffentlichen wir hierzu einige Ausschnitte.

RISIKO MANAGER: Seit dem 11. September haben über 120 Länder ihre Gesetze zur Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung verschärft. Die 3. EU-Anti-Geldwäsche-Richtlinie bringt das Thema jetzt zusätzlich auf die Agenda. Der Handlungsdruck wächst. Wie bewerten Sie die Aktivitäten der deutschen Institute im internationalen Vergleich, wenn es um Geldwäschebekämpfung bzw. die Bekämpfung der Terrorismusfinanzierung geht?

Dr. Joachim Kaetzler, Themenführer der AG Geldwäsche, Transparency International Deutschland e.V.Joachim Kaetzler: Die deutschen Institute sind im internationalen Vergleich sehr gut aufgestellt. Insbesondere die großen Institute beachten die Standards der 3. EU-Geldwäscherichtlinie, die auf Vorgaben durch die FATF (Financial Action Task Force on Money Laundering) beruht, bereits seit mehreren Jahren. Entsprechend besteht nur bei wenigen „Nachzüglern", die seit mehreren Jahren Industriestandards verschlafen haben, größerer Nachbesserungsbedarf. 

Hiervon möchte ich die Versicherungsindustrie allerdings ausdrücklich ausnehmen. Die Zahl der Verdachtsmeldungen von Versicherungen (insbesondere sind Lebensversicherungen und Unfallversicherungen mit Prämienrückgewähr betroffen) ist im Jahr 2005 erschreckend abgefallen. Dies kann zwei Erklärungen haben: Entweder ist die Versicherungsbranche tatsächlich unattraktiv für Geldwäscher. Dies mag sicherlich für Lebensversicherungen gelten. Der wirkliche Grund ist aber wohl, dass es in der Branche noch nicht zu publikumsträchtigen Skandalen gekommen ist. Ich halte die Assekuranz auch im Hinblick auf neuartige Produkte und vor allem im Hinblick auf erstärkende Sekundärmärkte für hoch gefährdet. Hier ist zwingend ein Umdenken erforderlich. Gleiches gilt für Rechtsanwälte, die offenbar Jahre nach der Zweiten Geldwäscherichtlinie noch immer nicht die Zeichen der Zeit erkannt haben.

Völlig unvorbereitet trifft die Richtlinie den gemeinen Handel, beispielsweise Autohändler, Juweliere oder Verkäufer von teueren elektronischen Geräten und Luxusgütern. Hier herrscht große Unwissenheit über die Pflichten und die Gefährdung von Bargeldtransaktionen. Ein großes Manko liegt sicherlich in der mangelnden Aufsicht über diesen Sektor. Das Ziel der Geldwäscherichtlinie, die Branchen allesamt „gleich unattraktiv“ für Geldwäscher zu machen, wird dadurch gefährdet. 

Dirk Mohrmann, Chairman World Compliance, MiamiDirk Mohrmann: Amerikaner erfinden, Japaner bringen es in den Markt und die Deutschen verbessern, heißt das Sprichwort. Ähnlich verhält es sich auch im Compliance Bereich. Die Software Systeme, die in Deutschland eingesetzt werden, zählen zu den weltweit ausgereiftesten Technologien überhaupt. Wir arbeiten mit Software-Anbietern weltweit zusammen und was wir bisher aus Deutschland gesehen haben, ist ganz klar auf höchstem Niveau. Zu bedenken ist allerdings, dass viele Institute in Deutschland noch keine systematischen Lösungen für die Abgleichung von Sanktionslisten einsetzen. Im Bereich des Screening von PEPs (Politically Exposed Persons) besteht ebensolcher Aufholungsbedarf, hier sind andere Länder den Deutschen weit voraus.

Dies bedeutet auch, dass das viele Finanzinstitute sich dem Risiko des diabolischen Dreiecks zwischen Terrorismus, Drogenhandel und korrupten Politikern aussetzen. Nach kürzlich veröffentlichten Studien kommt immerhin nahezu 50 Prozent des Jahresbudgets von Al Qaida aus Kurierdiensten im Drogenhandel sowie Spenden und Mitgliedsbeiträgen. Wer also die Verhinderung terroristischer Anschläge unterstützen möchte, sollte sich auch um Eindämmung der Finanzierung des Drogenhandels machen.  Wie viele Länder steht Deutschland in diesem Bereich noch am Anfang.

RISIKO MANAGER: Man gewinnt den Eindruck, dass zum Unmut der Betroffenen das Thema weitgehend auf die Kreditinstitute abgewälzt wurde. Zu Recht?

Dirk Mohrmann: Als Mitglied einer Gesellschaft sind wir alle verpflichtet, deren Grundbausteine zu schützen. Die Verhinderung terroristischer Anschläge und der Schutz von Menschenleben zählen zu diesen Verpflichtungen. Beides sind ganz wichtige Absichten der 3. EU-Direktive. Somit haben auch Kreditinstitute die Pflicht, bestmöglich im Kampf gegen Terrorismus und Geldwäsche teilzunehmen. Aufsichtbehörden, Polizei- und Kriminalämter erwähnen immer wieder den wichtigen Beitrag, den der Informationsaustausch mit der Finanzwelt leistet. Es gibt auch Fälle, in denen Hinweise von Instituten zu erheblichen Erfolgen geführt haben. Alle Mitglieder der Gesellschaft müssen hier ihren Beitrag leisten, Individuen ebenso wie Firmen.

RISIKO MANAGER: Gemäß einer Studie des Zentralen Kreditausschusses (ZKA) entstehen der deutschen Kreditwirtschaft aufgrund spezifischer gesetzlicher Informationspflichten jährliche Kosten in Höhe von rund 3,1 Mrd. Euro (= 4.700 Euro je Mitarbeiter). Maßnahmen zur Verhinderung und Bekämpfung der Geldwäsche (775 Millionen Euro) nehmen dabei den größten Teil ein. Sind derartige Bürokratiekosten in der Kreditwirtschaft überhaupt noch angemessen?

Joachim Kaetzler:  Ich störe mich ein wenig an dem Begriff „Bürokratiekosten". Die Institute sollten ihre Aufgaben in der Geldwäschebekämpfung nicht als bloße Pflichterfüllung ansehen, sondern aus Risikogründen den eigenen – auch wirtschaftlichen – Nutzen sehen, der hieraus erwächst. Ich begrüße grundsätzlich, dass die Kreditwirtschaft mittlerweile solchen Risikoerwägungen offen gegenübersteht. Auf der anderen Seite warne ich davor, die Bekämpfung unlauteren Verhaltens zum bloßen Rechenexempel verkommen zu lassen: Die Institute, Rechtsanwälte und Händler sind es schon aus ethischen Gründen der Allgemeinheit schuldig, dass kein Schindluder mit ihren Dienstleistungen begangen wird. Dieses Motiv sollte eigentlich das treibende sein – nicht andersherum.

Dr. Henning Herzog, Direktor des Institute Risk & Fraud Management, BerlinHenning Herzog: Vor dem Hintergrund des Vorstraftatenkatalogs gemäß § 261 StGB in Bezug auf den Sekundärstraftatbestand der Geldwäsche stellt sich die Frage nach der Effektivität und Effizienz der umgesetzten Geldwäschepräventionsmaßnahmen in der Kreditwirtschaft; oder anders gefragt: ist ein Betrag von 775 Mio. Euro nicht möglicherweise sinnvoller in Bezug auf die Bekämpfung von Kriminalität in Verbindung mit Geldwäsche einzusetzen?

Es fehlt augenscheinlich an Infrastruktur und Maßnahmen zur Erarbeitung eines wirksamen Profilings auf der Basis der gesamten Erkenntnisse in den Ermittlungsbehörden, der Aufsicht, den Verbänden und den Kreditinstituten auf nationaler und internationaler Ebene. Die Verantwortung an eine wirksame Bekämpfung der Geldwäsche sollte nicht den einzelnen Kreditinstituten übertragen, sondern als Gesamtverantwortung aller Beteiligten organisiert werden. Die gegenwärtig investierten Beträge der Kreditinstitute in die geforderten Präventionsmaßnahmen führen aufgrund der derzeitigen Gesamtorganisation nur zu sehr eingeschränkten Erkenntnisgewinnen auf der Bankenseite, insofern erscheinen diese nicht als angemessen. Die Kreditwirtschaft ist unter der Voraussetzung eines effizienteren Einsatzes der Mittel bereit, auch weiterhin diese Beträge zu investieren, jedoch benötigt sie einen Rückfluss an verwertbaren Erkenntnissen aus der Analyse der Strafverfolgung und Umsetzung der Maßnahmen in anderen Häusern.

RISIKO MANAGER: Obwohl grundsätzlich alle Branchen betroffen sind, gibt es erkennbar risikosensitive Wirtschaftszweige, die in jüngster Zeit vermehrt Opfer bandenmäßigen Betrugs geworden sind. Dazu gehören beispielsweise die Leasingbranche oder die Geldtransporteure (Heros, Arnolds, GWS). Um welche Art von Betrug handelt es sich hierbei und wie kann man dem aus Risikosicht vorbeugen?

Henning Herzog:
Auch auf Seiten der wirtschaftskriminell handelnden Personen ist eine Innovation im Hinblick auf die Umsetzung der strafbaren Handlungen zu verzeichnen. So sieht sich beispielsweise die Leasingbranche in den letzten Jahren dem so genannten Stoßbetrug ausgesetzt. Dabei erwerben die Straftäter i. d. R. Firmenmäntel mit guten Bonitäts- und Scoringwerten und besetzen die Geschäftsführung häufig mit ahnungslosen Personen, zumeist aus sozial schwachen Verhältnissen. Über diese Unternehmen werden dann bei vielen Leasingunternehmen parallel sehr viele Investitionsfinanzierungen häufig für Fahrzeuge oder andere gut verwertbare Objekte angefragt und Leasingverträge geschlossen. Diese Leasingverträge werden mit der ersten Leasingrate bedient, die Fahrzeuge oder Güter jedoch ins Ausland verkauft. Parallel sind häufig weitere Verträge mit Lieferanten, Versicherungen u. a. abgeschlossen worden. Die Straftäter planen ihren Ausstieg zu einem bestimmten Zeitpunkt, um so mit einem „Stoß“ zu betrügen.

Dieses Beispiel verdeutlicht die notwendigen konzertierten Präventionsmaßnahmen im Hinblick auf eine unternehmens- und branchenübergreifende Infrastruktur, um Informationen auf der einen Seite über Firmenmantelgeschäfte, Firmensitzverlegung oder Geschäftsführerwechsel und auf der anderen Seite über Parallelanfragen bei Leasinggesellschaften, Versicherungen, Lieferanten oder sonstiger Dritter aufzuarbeiten und auszuwerten. Insofern kommt den Büroauskunfteien und den Organisationsmodelle von Leasing- oder sonstigen Unternehmen hier eine besondere Bedeutung zu, denn diese müssen bereit sein, Informationen über Geschäftsanbahnungen durch Evidenzzentralen verwalten zu lassen.

 

RISIKO MANAGER: Neuerdings müssen über die 3. EU-Anti-Geldwäsche-Richtlinie so genannte „Politisch exponierte Personen" (PEPs) besonders behandelt werden. Dazu gehören Personen und ihnen nahestehende Personen, die politische Ämter inne hatten oder noch haben. Diese Gruppe wird daher per se als höheres Risiko eingeschätzt. Wie ist dieser Personenkreis  in der Praxis zu definiert? Ist beispielsweise bereits der Bürgermeister einer Kleinstadt eine PeP? Wo sind die Grenzen?

Dirk Mohrmann: Hier gilt der Satz: Andere Länder, andere Sitten ... Wirkliche Grenzen gibt es hier nicht und es hängt tatsächlich von der Gesetzgebung des jeweiligen Landes ab. In Mexiko sieht die lokale Gesetzgebung den Bürgermeister absolut als PEP an. In Deutschland zählt diese Frage gegenwärtig zu den vielfach diskutierten Problemstellungen in der Industrie. Erfahrungen aus anderen Ländern haben gezeigt, dass die Herausforderung für Finanzinstitute zunimmt, wenn Lokal-Politiker mit in die PEP Definition einbezogen werden. Daher ist dies eine wichtige Fragestellung, die letztlich jedes Institut für sich selber beantworten muss.

Heutige Geldwäsche-Vorschriften fordern zu einem risikoorientierten Ansatz auf, der Freiraum und gleichzeitig Erklärungsbedarf für Definitionen, wie die einer PEPs bietet. Dabei ist immer zu bedenken, dass die Wahrscheinlichkeit, dass ein Bürgermeister, beispielsweise bei der Auswahl der lokalen Müllabfuhr, der Korruption unterliegt, ja zumindest genauso hoch sein könnte, wie die Wahrscheinlichkeit das ein Parlamentsmitglied auf nationaler Ebene seine Position ausnutzt. Das bedeutet, dass zeitgemäße PEP-Datenbanken die Auswahl zwischen nationalen, regionalem und lokalem PEP ermöglichen, damit der Kunde solche PEPs identifizieren kann, die nach dem jeweiligen Risikobefinden identifiziert werden müssen.

Joachim Kaetzler: Die verschärften Sonderregeln über PEPs wurden aufgrund von spektakulären Einzelfällen geschaffen, um Potentaten und korrupten hochrangigen Funktionsträgern die Möglichkeit der Veruntreuung von Staatsvermögen zu erschweren. Demnach fallen nur hochrangige Politiker unter diese Definition. Nachdem die 3. EU-Geldwäscherichtlinie aber die Korruptionsbekämpfung ausdrücklich erwähnt, sind Banken gehalten, auch mittelrangige Politiker und Funktionsträger im Rahmen des „normalen" Risikoansatzes genau zu überprüfen. Dies hat im 25. Erwägungsgrund der Richtlinie – der oftmals übersehen wird – ausdrücklich seinen Niederschlag gefunden.

Die teilweise völlig absurde Diskussion darum, wer eigentlich eine PEP sein soll, macht aber deutlich, dass ein solcher Personenkreis in der Tat nicht genau zu definieren ist. Ich wünsche mir, dass die unter dem Geldwäschegesetz verpflichteten, dieser Absurdität Rechnung tragen und jeden einzelnen Kunden nach dem Risikoansatz anhand von Kriterien wie Branchenzugehörigkeit, Länderrisiko, Berufsrisiko etc. bewerten – und ihre Präventionssysteme entsprechend kalibrieren. Es ist völlig klar, dass ein Leiter einer Baubehörde qua natura höheren Korruptionsrisiken ausgesetzt ist als ein Forstwirt. 

RISIKO MANAGER: Infineon, Siemens, Volkswagen – die Beispiele sind prominent: Schmiergeldannahme und Korruption bis in die Vorstandsetagen sind auch in Deutschland keine Seltenheit mehr. Diese Fälle beleuchten aber auch die Schattenseite der Globalisierung. Können sich deutsche Firmen international überhaupt noch ohne Korruption behaupten?

Joachim Kaetzler: Im Gegenteil: Deutsche Firmen, die sich der Korruption bedienen, werden schon kurzfristig mit erheblichen Nachteilen rechnen müssen. Viele Unternehmen unterschätzen die schwer wiegenden Folgen eines Skandals – bedenken Sie allein die Kosten für interne Nachforschungen, Schadensersatzklagen enttäuschter Mitbewerber, strafrechtliche Folgen – ganz zu schweigen von den eintretenden Reputationsschäden, die früher oder später in materielle Schäden (Kundenabwanderungen, außerordentliche Kündigungsrechte von Vertragspartnern, Kursverluste etc.) umschlagen werden. Solche Kosten wiegen die möglichen Wettbewerbsvorteile deutlich auf. Das Phänomen der Korruption gehorcht dem Prinzip von Angebot und Nachfrage; beide Seiten müssen daher bekämpft werden. Es ist der Ansatz von Transparency International, durch gezielte Bildung von Koalitionen korruptionsaverse „Inseln" zu schaffen. Auch Unternehmen können dies in ihrer jeweiligen Branche tun. Dies kann einfach auf Ebene einzelner Projekte geschehen, beispielsweise durch Schaffung von so genannten „Integritätspakten".



RISIKO MANAGER: Gerade in Russland oder auch in afrikanischen Ländern ist Korruption fester Bestandteil des wirtschaftlichen und politischen Lebens. Nach aktuellen Erhebungen zahlt ein russischer Unternehmer im Schnitt rund 244.000 Dollar im Jahr, um Beamte zu bestechen. Für Firmen mit Moralansprüchen ist das ein Genickbruch, oder?

Joachim Kaetzler: In jedem Land gibt es Firmen, die Schmiergelder zahlen und solche, die es nicht tun. Ich warne davor, aus Statistiken ableiten zu wollen, dass ein Unternehmen in einem bestimmten Land gar nicht mehr präsent sein kann, ohne sich an unlauteren Geschäftspraktiken zu beteilligen – „Honi soit, qui mal y pense“. In jedem Land gibt es lautere und unlautere Kräfte.

Ich wünsche mir, dass deutsche Unternehmen diesbezüglich etwas selbstbewusster auftreten: Korruption ist zwar weit verbreitet, aber in den allermeisten Ländern ist auch die Bestechlichkeit und das Eintreiben von Schmiergeldern strafbewehrt. Genau genommen hat der bestechliche Beamte große Angst vor Ärger – sicherlich deutlich höhere Angst als der Unternehmer, der ihm gegenübersitzt. Entscheidend ist, wer zuerst dieser Angst nachgibt. Ich frage mich, welche Selbstwahrnehmung ein Manager eigentlich hat, der sich von dem Schmiergeldbegehren eines russischen Beamten beeindrucken lässt.

Firmen mit Moralanspruch zahlen keine Bestechungssummen – auch nicht im Ausland. Diejenigen auf der anderen Seite des moralischen Spektrums werden in der Zukunft merken, dass sie Bestechungsgelder genauso genommen vierfach zahlen: 1) Das Schmiergeld selbst, 2) die Folgeaufwendungen für Strafen, Schadensersatz und Aufklärung, 3) den Reputationsschaden und 4) die Kosten der Erpressbarkeit, die aus strafbarem, dem Bestochenen bekannten Handeln resultieren. 

RISIKO MANAGER: Die überwiegende Mehrheit der Unternehmen gibt an, das Phänomen Wirtschaftskriminalität als ein ernsthaftes Problem zu betrachten. Die Unternehmen verbinden damit jedoch nur ein relativ geringes eigenes Risiko. Wie erklären Sie dieses Paradoxon?

Henning Herzog: Häufig fehlt es in den Unternehmen an der Erkenntnis, dass es sich in den jeweiligen Fällen um Fraud oder wirtschaftskriminelle Vorgänge handelt. Die Verantwortlichen in den Unternehmen besitzen möglicherweise ein Gefühlt dafür, häufig haben sie jedoch keine Spezialisten zur Aufdeckung und Verfolgung von kriminellen Vorgängen im Haus oder sie besitzen kein ökonomisches Interesse daran, die monetären Schäden aus den Fraudfällen zu qualifizieren und quantifizieren. Diese werden häufig als „normale“ Zahlungsausfälle verbucht.

 

RISIKO MANAGER: Wie muss eine effektive Prävention aussehen? Welche Bedeutung haben dabei Reputationsrisiken?

Joachim Kaetzler: Reputationsrisiken gelten in weiten Teilen der  Wirtschaft als sehr gefährlich: Bei einer Studie unter Entscheidungsträgern fand PWC im Jahr 2003 heraus, dass das Reputationsrisiko bei weitem als das gefährlichste Risiko eingestuft wird. Denken Sie an Geldwäschefälle: Man weiß nie, ob und wann sie publik werden. Man weiß nie, welche Personen (intern oder extern), einen solchen Geldwäschefall publik machen. Man weiß nie, wann und in welcher Form sich Reputationsrisiken verwirklichen. Wie verhält sich die Presse? Wie verhalten sich die Staatsanwaltschaften? Interessiert sich die Öffentlichkeit in einem journalistischen „Sommerloch" für den Geldwäschefall – oder zieht er still vorüber? Die Informationsgesellschaft macht auch Kommunikationswege völlig unvorhersehbar; die Bundesanstalt für Arbeit hat dies angesichts einer an die Öffentlichkeit gelangten, inhaltlich völlig belanglosen und privaten e-mail-Verkehrs zweier Mitarbeiterinnen über ihr Sexualleben gerade besonders deutlich erfahren. Gerade diese Unkalkulierbarkeit der Folgen macht das Reputationsrisiko so gefährlich.

Bei Dienstleistungen ist derjenige erfolgreich, der Kompetenz und Reputation hat. Im schlimmsten Falle kommt eine Bank oder eine Rechtsanwaltskanzlei mit weniger Kompetenz über die Runden – solange die Reputation stimmt. Diejenigen, die Reputationsrisiken nicht ernst nehmen, sind gedanklich in der Industriegesellschaft verharrt und sind noch nicht im Informationszeitalter angekommen.

Dirk Mohrmann: Eine effektive Prävention erfordert vom Unternehmen eine permanente Anpassung an sich ständig ändernde Verhaltensweisen, Geldwäsche-Methoden und terroristische Aktivitäten. Dies bedeutet, dass sich ein Finanzinstitut heute modernster Technologien bedienen muss, um hier erfolgreich zu sein. Dass dies möglich ist, zeigen immer wieder Beispiele aus der Praxis. Erfolgreiche Unternehmen bedienen sich hierbei immer mehrerer Schutzschilder. Ganz oben auf der Liste steht die Mitarbeiterqualifikation, gefolgt von Softwaresystemen, die Kundenverhalten analysieren und gegebenenfalls Warnmeldungen hervorrufen. Auch Datenbanken, die Informationen über sanktionierte Personen, Geldwäscher, Drogenhändler oder ähnliche Risikokunden beinhalten, sind sehr hilfreich. Wichtig ist die Integration der Datenbanken in die Softwaresysteme zur Analyse des Kundenverhaltens. Durch geschickte Integration und Kooperation können hier sinnvolle Mehrwerte geschaffen werden, die Prävention erfolgreicher gestalten und die Minimierung von Risiken wie Reputationsschäden minimieren.

RISIKO MANAGER: Die vorsätzliche Angabe von falschen Informationen zur Vorbereitung einer Betrugsstraftat weitet sich auch im Konsumenten-Kreditgeschäft von Banken oder in der Telekommunikationsindustrie zunehmend zum Problem aus. Wie lässt sich dabei die Erkennungsgenauigkeit verbessern und eine effektive Betrugsprävention in die Auftragsbearbeitung integrieren, ohne die Bearbeitungsgeschwindigkeit oder den Dienst am Kunden für den schnellen Kapitalertrag zu opfern?

Henning Herzog: Diese Frage lässt sich aus unterschiedlichen Perspektiven beantworten. In Deutschland besitzen wir aufgrund kultureller und rechtlicher Aspekte Rahmenbedingungen, die dazu führen, dass Manipulationen aufgrund des Identitätsmissbrauchs im kleinpreisigen Massengeschäft möglich und für die einzelnen Unternehmen nur unter erschwerten Bedingungen sanktionierbar sind. Im Vergleich zu Skandinavien besitzen wir in Deutschland kein eindeutiges und für viele „Lebenslagen“ durchgängiges Identitätserkennungsmerkmal, wie beispielsweise eine öffentlich zugängliche Sozialversicherungsnummer. Unser Meldewesen wird erst ab 2010 von einem föderalen auf ein zentrales, bundesweites Meldesystem umgestellt. Auskunfteien ist es nicht gestattet, eindeutige Identitätsmerkmale, wie beispielsweise die Personalausweisnummer zu speichern, um sie für die Wirtschaft nutzbar zu machen. Insofern stellt sich die Frage, ob diese Rahmenbedingungen als statisch und nicht veränderbar anzusehen oder ob im Hinblick auf ein effizientes Fraud-Management diese einer Überarbeitung und gesellschaftlich breit angelegten Diskussion zuzuführen sind. Andernfalls sind branchen- oder Phänomenspezifische Lösungen zu erarbeiten. Hierbei ist jedoch zu vermuten, dass sie den Ausprägungen des wirtschaftskriminellen Handels ständig reaktiv „hinterherlaufen“.

Die Fragen stellten Frank Romeike, Chefredakteur RISIKO MANAGER und Dr. Stefan Hirschmann, Bank-Verlag.

 

Den kompletten Sonderdruck aus der Zeitschrift RISIKO MANAGER können Sie hier herunterladen: 


 [Fotos: Bernd Schaller]

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