Interessenkollision wird der Kampf angesagt

Politik wünscht sich europäische Ratingagentur


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Ratingagenturen sollen nach den Erfahrungen der Finanzkrise künftig schärfer reguliert werden. Entsprechend äußerte sich der Vorstandsvorsitzende der Commerzbank AG, Martin Blessing, auf der jüngsten Konferenz der Schmalenbach-Gesellschaft für Betriebswirtschaft in Frankfurt. Diese Forderung ist populär und wird gerne von der Politik aufgegriffen. Wesentlich weiter geht jedoch deren Forderung nach der Errichtung einer europäischen Ratingagentur. Dieses Thema spielt auch eine Rolle bei den derzeitigen Verhandlungen zwischen Union und FDP. Die künftigen Koalitionäre sind entschlossen, die Beschlüsse des G-20-Gipfels umzusetzen, "das heißt, alles dafür zu tun, dass es nicht zu einer Wiederholung der Finanzkrise kommt", sagte der CDU-Unterhändler Thomas de Maizière nach Beratungen der Spitzen von Union und FDP in Berlin. Eine Ursache für die Finanzkrise sei die Rolle der Ratingagenturen gewesen, die Finanzprodukte erst entwickelt und dann beurteilt hätten. "Dieser Interessenkollision sagen wir den Kampf an. Ratingagenturen müssen unabhängig sein", sagte de Maizière. Daher werde von Union und FDP die Errichtung einer europäischen Ratingagentur angestrebt.

Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt empfiehlt, eine europäische Ratingagentur mit der Unterstützung der Bundesregierung und der EU zu initiieren. Damit solle die "Abhängigkeit von den angelsächsischen Bewertungen" verringert werden. Christa Thoben, Wirtschaftsministerin von Nordrhein-Westfalen, plädiert für die Schaffung einer Regulierungsbehörde für Ratingagenturen, die unter dem Dach der Europäischen Zentralbank (EZB) in Frankfurt angesiedelt werden soll.

Die laxe Kreditvergabe an Schuldner mit geringer Kreditwürdigkeit wurde zweifellos dadurch befeuert, dass innovative Finanzinstrumente das Weiterreichen des Kreditrisikos weg von der Bank und hin zu renditesuchenden Investoren erlaubten. Doch die Investoren saßen beileibe nicht ausschließlich in den USA. "Verkaufsfördernd für die strukturierten Finanzprodukte waren aber vor allem die Bewertungen der großen Ratingagenturen, die einen Großteil der Wertpapiere mit 'AAA' versahen – ein Gütesiegel, das sich im Nachhinein als krasses Fehlurteil erwies", so Rudolf Böhmler, Mitglied des Vorstands der Deutschen Bundesbank. Nicht zuletzt dieses Versagen der Ratinganalysten ließ den Druck auf die internationalen Ratingagenturen zuletzt stetig wachsen.

Doch eines steht fest: Mit der politisch verordneten Schaffung einer neuen europäischen Ratingagentur ist das Problem nicht zu lösen. Politisch-korrekte Ratings braucht niemand. Doch der Wunsch bleibt Vater des Gedankens. "Ich glaube, es wird eines Tages eine europäische Ratingagentur geben", prophezeit der scheidende Bundesfinanzminister Peer Steinbrück und will damit seinen Nachfolgern die Richtung vorgeben, ohne dies allerdings "auf der Zeitachse" benennen zu können. Jedenfalls ist er überzeugt, dass es einen "zunehmenden Bedarf" daran geben werde. Steinbrück hatte mehrfach Kritik an der Dominanz der US-Ratingagenturen geübt, die in der jüngsten Finanzmarktkrise gleichzeitig Ratings ausgesprochen und eigene Interessen vertreten hätten. Marktteilnehmer sehen den Bedarf an einer europäischen Ratingagentur jedoch insofern nicht, da es für Ratings ebensowenig Grenzen gibt wie für Kapitalmärkte. Internationale Ratings haben internationale Gültigkeit. Außerdem existiert mit Fitch Ratings bereits eine international etablierte Ratingagentur, die dem französischen Mischkonzern Fimalac SA gehört. Fitch wird aber nicht als europäische Agentur, sondern als US-amerikanische Agentur wahrgenommen, weil auch sie ein Großteil ihres Geschäfts in Nordamerika tätigt.

Viel wichtiger wäre eine bahnbrechend neue Erkenntnis: Ratingurteile können die eigene Risikoeinschätzung nur ergänzen, aber niemals ersetzen. Einen Ersatz für eine breit angelegte Risikobeurteilung können externe Ratings nicht leisten – ob deutsch, europäisch oder US-amerikanisch.

[Bildquelle: iStockPhoto]


Kommentare zu diesem Beitrag

swissbanker /26.10.2009 20:09
meiner meinung nach geht es weniger um das thema europäische ratingagentur, sondern eher um ein klare trennung von ratinggeschäft und beratung sowie eine beseitigung der interessenkonflikte. dann waere viel gewonnen. alles andere sind nebenschauplätze
Peli /27.10.2009 06:33
Leider haben die Lobbyisten und auch die Politik noch nicht verstanden, dass die Qualität einer Ratingagentur nicht vom Sitzland abhängig ist. Mit Fitch existiert eine "europäische Ratingagentur" (mit einer französischem Eigentümer). Die Musik spielt aber nun mal an den US-Finanzplätzen. Da wird auch eine weitere europäische Ratingagentur nicht vorbei kommen.

Wichtiger ist die Umsetzung der von den G20-Staaten beschlossenen Regeln. Auch Ratingagenturen sollen der Aufsicht und Regulierung unterliegen. Dies soll die Transparenz des Ratingprozesses insbesondere bei strukturierten Produkten erhöhen. Entsprechende Aufsichtsgremien sollen bis Jahresende eingerichtet werden. Damit wäre wir schon mal einen Schritt weiter ...
Sonja /27.10.2009 21:28
Leider schwätzen alle nur nach, was irgendein Experte mal gefordert hat ... und wenn es um die Gründung einer europäischen Ratingagentur geht. Mit Fitch haben wir einen europäischen Gesellschafter - also eine europäische Agentur. Ich würde allen Experten mal empfehlen sich mit der rund 100jährigen geschichte der grossen Agenturen zu beschäftigen. Dann wird man vielleicht endlich verstehen, dass die Forderung äußerst theoretisch ist und am eigentlich Thema komplett vorbei geht ;-(
marcus /28.10.2009 19:09
Seit vielen, vielen Jahren geistert das Thema durch die Politik. Dann sollen sie doch endlich handeln und nicht so viel quatschen. Sonja hat allerdings völlig recht ... die Diskussion geht am thema vorbei
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