Datensilos bremsen Digitalisierung in Versicherungen

2 von 5 Versicherern stochern im Risiko-Nebel


Datensilos bremsen Digitalisierung in Versicherungen: 2 von 5 Versicherern stochern im Risiko-Nebel Kolumne

Führungskräfte in Versicherungen treffen businessrelevante Entscheidungen nach wie vor überwiegend isoliert für ihren Zuständigkeitsbereich – der Blick auf übergreifende Konsequenzen und Risiken fehlt. Das ergab eine weltweite Studie von risk.net in Zusammenarbeit mit SAS.

Die Versicherungswirtschaft steckt in einem Zwiespalt: Einerseits verfügen viele Unternehmen über ambitionierte strategische Ziele, andererseits scheitert deren Umsetzung immer noch häufig an fragmentierten Strukturen und isolierten Entscheidungsprozessen. Zu diesem Ergebnis kommt die aktuelle globale Studie Breaking Silos: Agile Insurance in an Uncertain World von Risk.net in Zusammenarbeit mit SAS (hier zum kostenlosen Download). Die Untersuchung, für die weltweit 350 Führungskräfte befragt wurden, zeigt deutlich, wie stark Silodenken die Risikosteuerung in Versicherungsunternehmen weiterhin prägt.

Knapp 40 Prozent der Befragten geben an, sie seien unsicher, ob ihr Unternehmen über eine umfassende, aktuelle Sicht auf Risiken, Kosten und Umsätze verfügt. Noch deutlicher wird die Diskrepanz zwischen Strategie und operativer Realität: Zwar sagen 85 Prozent, ihr Unternehmen habe einen klaren Plan für die Zukunft, doch rund ein Drittel erkennt fehlende organisatorische, technologische oder prozessuale Voraussetzungen, um diesen Plan wirksam umzusetzen.

Als zentrale Hindernisse nennen die Versicherer vor allem mangelnde Datenqualität (41 Prozent) sowie unzureichende Zusammenarbeit und unklare Verantwortlichkeiten (je 36 Prozent). Für ein Umfeld, das von Klimarisiken, Cyberbedrohungen, regulatorischen Veränderungen und wirtschaftlicher Unsicherheit geprägt ist, stellt diese Fragmentierung ein nicht zu unterschätzendes Risiko dar.

Datenbasierte Steuerung bleibt ausbaufähig

Besonders kritisch zeigt sich die Studie im Bereich der Schadenbearbeitung. Hier geben mehr als 40 Prozent der Führungskräfte an, Entscheidungen beruhten überwiegend auf Erfahrung und Intuition statt auf fundierten Analysen. Dies steht in Kontrast zu Bereichen wie Finanz- und Meldewesen, in denen der analytische Reifegrad wesentlich höher ist. Die Ergebnisse verdeutlichen, dass die datengetriebene Steuerung in vielen Kernprozessen der Versicherer noch nicht konsequent umgesetzt ist. 

Zwar investieren viele Versicherungen bereits in KI, moderne Datenplattformen und Analytics – doch Budgetrestriktionen, komplexe IT-Landschaften und fehlende Governance verhindern häufig eine ganzheitliche Nutzung. Die Studienautoren betonen, dass technologische Einzellösungen ohne übergreifende Strategie lediglich neue Silos schaffen. Erst ein kohärentes Daten- und Risikomanage-ment schaffe Transparenz, die funktionsübergreifende Entscheidungen ermöglicht.

Wie können Versicherer in der Praxis gegensteuern?

  • 1. End-to-End-Sicht auf Risiken etablieren: Versicherer sollten Risiko-, Finanz-, Kunden- und Betriebsdaten auf einer einheitlichen Plattform konsolidieren. Dies erhöht die Konsistenz der Risikobewertung, verkürzt Entscheidungswege und verbessert die Reaktionsfähigkeit bei exogenen Schocks.
  • 2. Governance und Verantwortlichkeiten klären: Klare Ownership-Modelle über Datenhaushalte und analytische Prozesse hinweg sind Voraussetzung dafür, dass Erkenntnisse nicht in einzelnen Fachbereichen steckenbleiben. Ein Chief Risk Data Officer oder vergleichbare Rollen können eine bereichsübergreifende Steuerung sicherstellen.
  • 3. Analytics im Kerngeschäft verankern: Die Schadensbearbeitung birgt erhebliches Potenzial für KI-gestützte Automatisierung, Fraud Detection und Pricing-Prognosen. Versicherer sollten gezielt in Anwendungsfälle investieren, die messbare Effizienz- und Qualitätsgewinne ermöglichen.
  • 4. Organisatorische Silos durch agile Arbeitsweisen aufbrechen: Funktionsübergreifende Teams aus Underwriting, Risikomanagement, IT, Operations und Aktuariat fördern gemeinsame Verantwortlichkeit und beschleunigen Innovationsprozesse.
  • 5. Resilienz als strategische Führungsaufgabe verankern: Angesichts der wachsenden wirtschaftlichen und geopolitischen Risiken müssen Versicherer ihre Szenario- und Stresstestfähigkeit ausbauen und diese eng mit Kapitalplanung, Produktstrategie und Vertrieb verzahnen.

Die Studie zeigt einmal mehr, dass der Weg zu einem widerstandsfähigen, agilen Versicherungsunternehmen nicht primär technologisch, sondern organisatorisch geprägt ist. Moderne Daten- und KI-Lösungen bieten enorme Chancen – für die Risikosteuerung sind sie aber nur effektiv, wenn sie eingebettet sind in eine unternehmensweite, abgestimmte Entscheidungsarchitektur. Versicherer, die Silos konsequent abbauen und datenbasierte Steuerung in die Breite tragen, erhöhen nicht nur ihre operative Effizienz, sondern schaffen die notwendigen Bedingungen für Risikoresilienz, Agilität und Wettbewerbsfähigkeit.

Autor:

Thorsten Hein
, Principal Product Manager Financial Services bei SAS Deutschland 

[ Bildquelle Titelbild: SAS ]
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