Warnungen der Wirtschaftsweisen

Weniger EZB in Eurokrise und mehr Spar-Ehrgeiz im Inland


Weniger EZB in Eurokrise und mehr Spar-Ehrgeiz im Inland News

Deutschland kann sich nach Einschätzung des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung - umgangssprachlich die fünf Wirtschaftsweisen genannt - nicht länger vom außenwirtschaftlichen Umfeld entkoppeln. Die Experten erwarten zwar nach wie vor keine Rezession für Deutschland, rechnen aber für das laufende wie das kommende Jahr nur mit einem Anstieg des deutschen Bruttoinlandsproduktes (BIP) um jeweils 0,8 Prozent. Damit liegen sie unterhalb der Prognosen der Bundesregierung wie auch der führenden Forschungsinstitute, die für 2013 einen deutschen BIP-Anstieg um 1,0 Prozent erwarten. Der Tiefpunkt der wirtschaftlichen Dynamik in Deutschland wird laut Wirtschaftsweisen voraussichtlich im vierten Quartal 2012 erreicht. Im Laufe des Jahres 2013 sei damit zu rechnen, dass die deutsche Wirtschaft wieder etwas Fahrt aufnehmen wird. 

In ihrem aktuellen Jahresgutachten erkennen die Wirtschaftsweisen zwar erste Lichtblicke zur Bewältigung der Eurokrise. Es seien aber noch weitreichende Entscheidungen zu treffen. Auch in der deutschen Wirtschaftspolitik bestehe weiter umfangreicher Handlungsbedarf. 

Die Experten des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (SVR) warnen vor dauerhaften Rettungshilfen der Europäischen Zentralbank (EZB) in der Eurokrise. "Die Aktivitäten der EZB dürfen allenfalls eine Notlösung sein und auf keinen Fall zu einem dauerhaften Stabilisierungsmechanismus werden". Auch wenn die EZB "mit ihren unkonventionellen geldpolitischen Maßnahmen das europäische Finanzsystem stabilisiert und einen bedeutenden Beitrag zur Stützung der Banken" geleistet habe, sei dabei die Grenze zwischen Geld- und Fiskalpolitik auf bedenkliche Weise verwischt worden. Nach wie vor bedürfe die Eurokrise einer fiskalischen Lösung etwa in Form des vom Sachverständigenrat entwickelten Schuldentilgungspaktes. 

Die Wirtschaftsweisen hatten bereits im Vorjahr vorgeschlagen, über einen gemeinsamen Tilgungsfonds und verbindliche nationale Schuldenbremsen die Staatsverschuldung unter die 60-Prozent-Grenze des Vertrags von Maastricht zu drücken. Die Teilnehmerländer am Schuldentilgungspakt sollen demnach ihre Verschuldung teilweise über einen Fonds mit gemeinsamen Anleihen finanzieren können. 

Die Verantwortung für die Haushalts- und Steuerpolitik soll nach den Vorstellungen der Experten in nationaler Verantwortung bleiben. Glaubwürdige, auf europäischer Ebene verankerte Durchgriffsrechte stünden nicht zur Verfügung und es sei "politisch in hohem Maße unwahrscheinlich, sie künftig institutionell in verbindlicher Weise zu verankern". Daher soll aus Sicht der Sachverständigen auf eine nationale Haftung und die Disziplinierung durch die Märkte gesetzt werden, allerdings erweitert um eine Insolvenzordnung für Mitgliedstaaten. 

Die Wirtschaftsweisen warnen vor einem überhasteten Einstieg in eine europäische Bankenunion und sehen große Risiken für die EZB als Oberaufseherin über die Banken. Im derzeitigen rechtlichen Rahmen sei eine hinreichende Trennung zwischen Geldpolitik und der Bankenaufsicht nicht möglich. 

Die Sachverständigen fordern die Bundesregierung auf, trotz der Anstrengungen in der Eurokrise die innenpolitischen Probleme nicht aus dem Blick zu verlieren. Die Energiewende müsse effektiv und effizient gestaltet werden. Die Experten schlagen vor, die Fördersätze für erneuerbare Energien zu harmonisieren. 

Auch beim Sparen müsse die Bundesregierung mehr tun. "Da der Bund nicht dauerhaft auf Sonderfaktoren und eine günstige konjunkturelle Entwicklung bauen kann, ist deutlich mehr Ehrgeiz bei der Konsolidierung des Haushalts notwendig", heißt es im Jahresgutachten. Kritik üben die Experten an den Beschlüssen der Koalition vom Sonntag. Die damit beschlossenen "strukturellen Mehrausgaben, wie etwa das Betreuungsgeld, die Zuschussrente oder die Abschaffung der Praxisgebühr (gingen) in die falsche Richtung". 

Der Sachverständigenrat hat gestern sein Jahresgutachten mit dem Titel "Stabile Architektur für Europa - Handlungsbedarf im Inland" an Bundeskanzlerin Angela Merkel überreicht.

 

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RiskNET Redaktion /13.11.2012 07:33
+++ Troika: Griechenland braucht bis 2016 zusätzlich 32,6 Mrd EUR +++

Griechenland steckt trotz der harten Einsparungen für die nächsten beiden Jahre in großen Finanznöten. Aus dem Entwurfsbericht der internationalen Finanzinspektoren geht hervor, dass das überschuldete Euro-Mitglied zwischen 2013 und 2016 zusätzlich die hohe Summe von 32,6 Milliarden Euro benötigt. Der Betrag wird wirksam, wenn Griechenland zwei Jahre Aufschub bei dem Reform- und Sparkurs erhält, was in Brüssel als ausgemachte Sache gilt.

Dow Jones Newswires hatte vorab Einblick in den Entwurf der Troika-Buchprüfer von EU, Europäischer Zentralbank (EZB) und Internationalem Währungsfonds (IWF), in dem es wörtlich heißt: "Eine Finanzierungslücke hat sich wegen der schleppenden Privatisierung, langsameren Wachstums und eines längeren Zeithorizonts beim Abbau des Defizits aufgetan".

Bis Ende 2014 braucht Griechenland allein 15 Milliarden Euro mehr. Zu diesem Zeitpunkt sollte das Sparen und Reformieren eigentlich ein Ende haben. Schon vor dem Bericht war klar, dass dieser Termin nicht zu halten ist. Der Entwurf der Troika-Delegation wurde auch den Finanzministern der Euro-Länder vorgelegt, die sich zur Stunde in Brüssel versammeln. Um die Verlängerung für Athen werden die Minister wohl kaum mehr herumkommen.

Die Buchprüfer warnen, dass ohne einen Aufschub die Kürzungen "ungewöhnlich hart" ausfallen müssten. Ein Entgegenkommen würde es der Regierung um Ministerpräsident Antonis Samaras erlauben, erst 2016 einen Primärüberschuss von 4,5 Prozent der Wirtschaftsleistung zu erzielen und nicht bereits 2014. Der Primärüberschuss ist der Einnahmeüberschuss des Staates ohne Zinszahlungen.

Die Euro-Finanzminister haben sich in Brüssel versammelt, um über die Auszahlung der nächsten Rate aus Rettungspaket für Griechenland zu beraten. Dabei geht es um die Summe von 31,5 Milliarden Euro, die schon lange auf den Konten des griechischen Patienten eingetroffen sein sollten. Doch die Auszahlung verschiebt sich seit Monaten. Das griechische Parlament hatte am Sonntag den neuen Sparhaushalt für das Jahr 2013 mit solider Mehrheit beschlossen, was als eine unbedingte Voraussetzung für neues Geld aus Brüssel bestimmt wurde.

Am Morgen hatte Eurogruppen-Chef Jean-Claude Juncker den Bericht der Troika schon einmal "im Grundton positiv" genannt, war aber jegliche Details schuldig geblieben. "Es gab in den vergangenen Monaten eine deutliches Aufholen bei den Reformen", lobt auch die Troika. Die Regierung habe eine klare Haltung gezeigt und das Programm zurück in die Spur gebracht.

Trotz der Anerkennung der Kassenprüfer kann es noch Wochen dauern bis Griechenland die nächste Rate ausgezahlt bekommt. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble wünscht eine saubere Lösung in der kniffligen Frage und bremst das Drängen anderer Amtskollegen. Bei der EZB ist man aber zuversichtlich, dass Griechenland trotzdem nicht Pleite gehen wird.

Athen wird sich weiter mit kurzlaufenden Staatsanleihen über Wasser halten, die von griechischen Banken gekauft werden. Diese können sie dann zum Teil wieder als Sicherheiten bei der griechischen Zentralbank hinterlegen, um frische Liquidität zu bekommen. Auch wenn die EZB das Limit für die Kurzläufer gesenkt hat, die als Pfand hinterlegt werden können, hat der EZB-Rat gleichzeitig beschlossen, mehr andere Sicherheiten zu akzeptieren. Das kompensiert die Delle bei den Kurzläufern und bringt Griechenland nicht in akute Gefahr.
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