Artificial Intelligence

Vom Traum zur Realität


Artificial Intelligence: Vom Traum zur Realität Kolumne

"Künstliche Intelligenz oder Künstliche Dummheit?" fragte Anfang des Monats Deutschlandfunk in einem Beitrag. Und damit wären wir mittendrin in der Diskussion um das Für und Wider der smarten Maschinen. Sprich, es herrscht viel Schwarz-Weiß-Denken rund um die so genannte "künstliche Intelligenz" (KI). Ein Grund dürfte darin liegen, dass es keine exakte Definition von "Intelligenz gibt". Der englische Begriff "Artificial Intelligence" (AI) wird nur allzu häufig mit "Künstlicher Intelligenz" übersetzt. Dabei bedeutet "Intelligence" viel mehr Informationsverarbeitung. "Die Central Intelligence Agency heißt ja auch nicht so, weil die so gescheit sind", sagt der österreichische Kybernetiker, Artificial-Intelligence-Experte und emeritierter Universitätsprofessor Robert Trappl.

AI beschäftigt sich im Kern mit der Nachbildung menschenähnlicher Entscheidungsstrukturen durch Algorithmen. Das heißt ein Computer wird so programmiert, dass er eigenständig Probleme bearbeiten kann, beispielsweise Auto fahren, Texte übersetzen oder Go spielen. AI wiederum untergliedert sich in viele weitere Teilgebiete. Ein Anwendungsfeld liegt etwa darin, dass aus einer großen Menge von Daten eine allgemeine Regel abgeleitet wird oder Wissen aus Erfahrung "künstlich" generiert wird ("maschinelles Lernen").

Große Fortschritte erzielte AI in der jüngsten Vergangenheit unter anderem im Bereich künstlicher neuronaler Netze ("Deep Learning"), angewendet im Bereich der Sprach- oder Bilderkennung sowie im Bereich "autonomes Fahren".

Smart, lernfähig und Inselbegabung

Der Physiker und renommierte Wissenschafts- und Technikautor Ulrich Eberl skizzierte beim letzten RiskNET Summit im Oktober 2018 die aktuellen Möglichkeiten von smarten Maschinen. Laufen, Greifen, Sprechen, Zuhören, Sehen, Lesen oder Analysieren, sei die Bandbreite des aktuellen Stands. Und mehr noch seien Roboter nach Eberls Worten lernfähig. Roboter lernen. So gehen Roboter bereits in die Schule und lernen von Menschen. Sie lernen durch Beobachtung, Nachahmung und Belohnung – sei es mit Pfeil und Bogen umzugehen oder Klavier zu spielen. Eberl: "Die besten Roboter können heute Gäste bedienen, Geschirrspüler einräumen, Löcher bohren, Autos lenken, über Geröll klettern oder im UN-Gebäude sprechen." Doch das Feld und damit die Chancen der smarten Maschinen sei nach Ansicht des Zukunftsforschers Eberl wesentlich breiter, wie das Beispiel selbständig fahrender Autos zeigt. Das Tempo der Entwicklung ist enorm. Watson, das IBM-System, besiegte bereits im Jahr 2011 die Campions in "Jeopardy" (US-Fernseh-Quizshow). Und im letzten Jahr schlug AI erstmals Menschen im Verständnis von Texten. Eberl: "Wenn die Aufgabe präzise definiert ist, sei der Computer heute bereits unschlagbar."

Weitere Einsatzfelder seien unter anderem die vorausschauende Wartung, bei der Computer Maschinen analysieren, um Unregelmäßigkeiten zu erkennen und zu beheben. Ein Vorteil, gerade um im Vorfeld einzugreifen bevor eine Maschine ausfällt.

Ulrich Eberl, Wissenschafts- und Technikautor und Referent auf dem RiskNET Summit 2018

Ulrich Eberl, Wissenschafts- und Technikautor und Referent auf dem RiskNET Summit 2018

Für Janina Loh, Universitätsassistentin im Bereich Technik- und Medienphilosophie an der Universität Wien, haben wir es in einem schwachen Sinne bereits in unterschiedlichen Formen mit künstlicher Intelligenz in vielen Bereichen unseres Alltags zu tun. Loh nennt Suchmaschinen bis hin zu Facebook-, Amazon- und Netflixalgorithmen, die unsere Vorlieben analysieren und uns vor diesem Hintergrund Vorschläge für beispielsweise bestimmte Produkte, die uns gefallen könnten, unterbreiten. "In vielen anderen Bereichen treffen wir ebenfalls bereits auf teilautonome und zuweilen zumindest schwach lernfähige Systeme wie in der Pflege, in der Industrie und im Straßenverkehr", erklärt Loh. "Aber alle diese Technologien sind bis auf weiteres für ganz konkrete Zwecke gemacht, sie haben immer ›Inselbegabungen‹, und selbst wenn sie in einem schwachen Sinne lernfähig sind, sind sie noch lange nicht so flexibel und umfassend einsatzfähig wie Menschen." Allerdings können ein Schachcomputer eben nur Schach spielen (wenn auch das vielleicht besser als die meisten Menschen), nicht aber Auto fahren, bügeln oder unseren Kindern bei den Hausaufgaben helfen. Janina Loh: "Die Entwicklung einer starken künstlichen Intelligenz, die ganz so wie die Menschen ist, ist nicht absehbar und wir müssten uns nun Gedanken darüber machen, ob wir eine solche starke KI überhaupt wollen."

Uwe Rühl, Gründer der Rucon Gruppe, einem Beratungs-, Trainings- und Auditspezialist für alle Aspekte der Organizational Resilience, sieht das gezielte Auswerten von Daten unter anderem im Fokus. Und das könne nach Rühls Worten eine Maschine fast immer schneller und präziser, als ein Mensch. "KI bietet großes Potenzial für Unternehmen" ist sich Uwe Rühl sicher.

Und er ergänzt: "Wenn man den Begriff Intelligenz richtig betrachtet. Es geht nicht so sehr um "Intelligenz" als solches, sondern um das Gewinnen von Einsichten, also das sinnvolle Auswerten von Daten um daraus Pattern zu erkennen." Mit Blick auf die sich bietenden Geschäftsmodelle warnt Rühl alles mit Sinn und Verstand zu tun. Damit meint er unter anderem das Erstellen von Profilen über natürliche Personen. Nach Rühls Ansicht spiele immer eine Rolle, ob den Personen klar sei, wofür Daten gesammelt und ausgewertet würden und ob die rechtliche Grundlage dafür vorhanden sei. Wenn nicht, drohen rechtliche Konsequenzen, Haftungs- und Reputationsschäden. Nach Aussagen von Deutschlandfunk sei die Künstliche Intelligenz in die neue Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) der EU eingeflossen. "Demnach hat jeder Bürger ein Auskunftsrecht über den Algorithmus, also das mathematische Verfahren, welches einer Entscheidung über ihn zugrunde lag", folgert der Beitrag. Leider halten sich große Digitalplayer nicht an diesen Grundsatz und tun alles, um genaue Informationen über die hinterlegten Algorithmen und Auswertungen zu verhindern. Im Grunde herrscht an dieser Stelle eine Diskrepanz zwischen der DSGVO und der Realität um Datenhoheit sowie Transparenz.

Nachholbedarf und Arbeitsplätze

Auch an einer anderen Stelle herrscht ein Auseinanderklaffen zwischen dem Sagen und dem Tun. Dies zeigt eine jüngst veröffentlichte Umfrage des "Center for Financial Studies" (CFS) zur Zukunft der künstlichen Intelligenz in der Finanzindustrie zeigt. Demnach bezweifelt das Gros der deutschen Finanzbranche (84 Prozent der Befragten), dass die meisten Entscheidungsträger aus Wirtschaft und Politik die Bedeutung von Künstlicher Intelligenz präzise kennen. Ein Grundproblem besteht darin, wenn die Begriffe Digitalisierung im Allgemeinen und Künstliche Intelligenz im Besonderen in zahlreichen öffentlichen Diskussionen verwendet werden, obwohl viele Menschen nur eine vage Vorstellung von diesen Themen haben, erklären die Macher der Umfrage. Eine Erkenntnis aus der Umfrage lautet denn auch,  dass sich die deutsche Finanzbranche deutlich (86 Prozent) für eine Initiative zur Information und Aufklärung der Bevölkerung ausspricht.  "Wir befinden uns in einer Zeit dramatischer Veränderungen der Wirtschaft und der Arbeitswelt. Daher ist es essentiell, die Menschen altersgerecht zu informieren und aufzuklären. Ich würde mir wünschen, dass wir uns nicht nur auf die Schulen konzentrieren, sondern auch Formate für die Erwachsenenbildung für diese zentralen Zukunftsfragen entwickeln.", kommentiert Volker Brühl, Professor für Banking and Finance und Geschäftsführer des Center for Financial Studies, die Umfrageergebnisse.

Auf die Frage nach der weiteren Reise gab Zukunftsforscher Eberl im Rahmen des RiskNET Summit neben der weiter steigenden Rechenleistung auch nachdenkliche Antworten. Was bedeutet die zunehmende Robotik und AI für Arbeitsplätze? Für Eberl werden Routinetätigkeiten in Büros automatisiert. Sei es Texte, Bilder oder Videos finden oder Assistenzfunktionen auszulagern. Betroffen seine vor allem Bankberater, juristische Assistenten, Makler, Lagerarbeiter, Bus- und Taxifahrer. Weniger betroffene Berufsfelder sind kreative Berufe, Forscher oder soziale Berufe. Was heißt das für Bildungssysteme? Zwei Drittel der heutigen Kinder werden in Berufen arbeiten, die es heute noch nicht gibt. Als Beispiel nennt Ulrich Eberl Lehrer für Maschinen oder AI-Trainer. Wohin die Reise geht? Keiner weiß es genau. Allerdings sollten Unternehmen früh die Weichen stellen und ein modern aufgestelltes Risikomanagement begleitend zur Seite stellen, um der AI zum Erfolg und letztendlich einem Mehrwert für die eigene Organisation zu verhelfen.

Wirksames Risikomanagement beschäftigt sich immer mit der Chancen- und Risikoseite. Und insbesondere beim Thema AI sollten immer beide Seiten betrachtet werden. So zeigt eine McKinsey-Studie auf, dass die Unfallquote durch selbstfahrende Autos um 90 Prozent sinken könne. Dies lässt sich sehr gut nachvollziehen, da rund 90 Prozent aller Unfallursachen sich auf personenbezogenes Verhalten (zu schnelles Fahren, Alkohol am Steuer, Ablenkung durch Mobiltelefon etc.) zurückführen lassen. Computer können komplexe Aufgaben schlicht und einfach besser bewältigen und lassen sich nicht ablenken. Und wenn die Computer dann doch irgendwann einmal zu "intelligent" werden, dann gibt es eine sehr wirksame Maßnahme: Einfach den Stecker ziehen.

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[ Bildquelle Titelbild: Adobe Stock | Bild Eberl: Stefan Heigl / RiskNET GmbH ]
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