Lücken bei Compliance-Aufgaben

Untergrund Banking: Geldwäsche über das Internet


Untergrund Banking: Geldwäsche über das Internet News

Im neuesten Jahresbericht der Financial Intelligence Unit Deutschland des Bundeskriminalamts in Wiesbaden wird eine dramatische Zunahme der Geldwäscheanzeigen um fast ein Viertel verzeichnet. Signifikant in diesem Zusammenhang ist die Tatsache, dass die Verdachtsanzeigen internetbasierter Zahlungsmittel sich fast verdreifacht haben. Hinter diesen virtuellen Straftaten stehen häufig kriminelle Netzwerke wie auch Terroristen. Neben dem Ausspähen von Zugangsdaten nutzen diese das Internet inzwischen verstärkt, um illegal erhaltenes Geld in den legalen Wirtschaftskreislauf einzuschleusen. Die Geldwäscher machen sich dabei die relative Anonymität des Internets zu nutze. Auf elektronischem Wege lassen sich Gelder von erfahrenen Usern mit wenigen Mausklicks in kürzester Zeit über den gesamten Globus verschieben. Für deutsche Unternehmen sind mit diesen Aktivitäten erhebliche Risiken verbunden. Sie müssen im Rahmen ihrer Compliance-Aufgaben Wege finden, nicht ungewollt Teil des so genannten Cyber-Laundering von Kriminellen zu werden.

Das Grundprinzip ist einfach: Immer dann, wenn das Internet eine Möglichkeit bietet, ein virtuelles Guthaben online anzulegen und später in den realen Wirtschaftskreislauf zu transferieren, sind Geldwäscher nicht weit. Prominentes Beispiel dieser Funktionsweise ist die Internetplattform Second Life. Dort investieren die Teilnehmer in fiktives Geld, den Linden-Dollar, und haben später die Möglichkeit, das Guthaben in realer Währung auf ein Bankkonto zu transferieren. Das Volumen der in diesen Plattformen bewegten Werte hat inzwischen gravierende Dimensionen erreicht. Allein auf Second Life werden täglich umgerechnet rund eine Million Euro umgesetzt. Das Beispiel zeigt: Je stärker sich eine virtuelle Währung einem Zahlungsmittel annähert, umso größer werden die Missbrauchsmöglichkeiten für Geldwäscher. Ins Visier der Fahnder geraten daher auch zunehmend virtuelle Zahlverfahren von Online-Shops, elektronische Voucher-Systeme oder Plattformen zur privaten Kreditvergabe. Ein anderes aktuelles Beispiel ist die Verwendung sogenannter Money Mules, mit deren Hilfe Individuen gegen Bezahlung - oft unwissentlich - Gelder für Geldwäscher auf verschiedene Konten verschieben und dabei die Herkunft der illegalen Mittel verschleiern helfen. Ähnliche Methoden werden auch von Terroristen benutzt, um ihre Aktivitäten zu finanzieren.

Geldwäsche geht alle an

Die Wirtschaft gerät wegen dieser Entwicklungen zunehmend unter Zugzwang. Denn nach dem seit zwei Jahren geltenden Geldwäschegesetz (GwG) sind praktisch alle Geschäftsleute branchenübergreifend dazu verpflichtet, genau definierte Sorgfaltsregeln einzuhalten, um der organisierten Kriminalität einen Riegel vorzuschieben. Dazu gehört beispielsweise, Informationen über den Zweck und die Art einer Geschäftsbeziehung einzuholen oder die Identität der Vertragspartner zu prüfen (Know your Customer-Prinzip). So ist beispielsweise auch ein Schmuckhändler beim Verkauf eines hochpreisigen Produkts verpflichtet einen Herkunftsnachweis des Geldes zu verlangen. Diese Anforderung wird in Deutschland aktuell nur selten erfüllt.

Online-Aktivitäten in die Offline-Compliance

Die Prävention gegen Geldwäsche wird in Unternehmen von einer Compliance-Einheit betreut. Insbesondere in kleineren und mittelständischen Unternehmen besteht jedoch oftmals kein ausreichendes Bewusstsein, welche Compliance-Aufgaben überhaupt bestehen und welche kriminellen Risiken adressiert werden müssen. Um die eigene Gefahrenabwehr zu verbessern, sollten die Firmen auf ein konsequentes Compliance-System setzen und etwaige Berührungspunkte eigener Online-Operationen mit möglichen Geldwäscheansätzen abgleichen. Dabei wird künftig eine intensivere Überprüfung des Unternehmensengagements bei virtuellen Zahlungsmitteln und deren Handhabung eine wichtige Rolle spielen. Nachholbedarf besteht jedoch bei einem Großteil der Betriebe häufig schon bei der schriftlichen Fixierung und Verbreitung der nötigen Verhaltensgrundsätze. Laut Umfragen sind In knapp jedem zweiten Unternehmen in Deutschland bis 500 Mitarbeiter Richtlinien überhaupt nicht hinterlegt.

Compliance-Einheit ermöglicht ganzheitlichen Ansatz

Die Einführung einer eigenen Compliance-Einheit im Unternehmen bietet hier die Chance, Maßnahmen der Gefahrenabwehr zentral gesteuert, ganzheitlich und präventiv zu etablieren. Denn die Geldwäscheaktivitäten sind gezielt darauf ausgerichtet, Schwachpunkte in den Unternehmensprozessen zu identifizieren und auszunutzen. Diese Gefahrenquellen gilt es, zusammen mit einer schlüssigen Gesamtstrategie, bei allen Mitarbeitern deutlich zu kommunizieren. Auch in diesem Bereich gibt es erheblichen Nachbesserungsbedarf. Denn derzeit fühlen sich 45 Prozent der Belegschaft in kleineren Unternehmen nur unzureichend über die Compliance-Anforderungen informiert. In Großunternehmen (ab 5.000 Mitarbeiter) sind es mehr als 40 Prozent. Mehr Aufklärung in Verbindung mit internen Schulungsmaßnahmen und einer Stärkung der Compliance Funktion können helfen, aktuelle Schwachstellen zu reduzieren und Geldwäschern das Leben so schwer wie möglich zu machen. Dies gilt insbesondere für die Bekämpfung der Geldwäsche über das Internet, gegen das die meisten Unternehmen nicht genügend gerüstet sind.

Abbildung: Unternehmen zeigen Lücken bei Compliance-Aufgaben: Sind in Ihrem Unternehmen im Rahmen des Compliance Verhaltensgrundsätze und -richtlinien schiftlich fixiert? [Basis: alle Befragten, N = 307]


Abbildung: Unternehmen zeigen Lücken bei Compliance-Aufgaben: Sind in Ihrem Unternehmen im Rahmen des Compliance Verhaltensgrundsätze und -richtlinien schiftlich fixiert? [Basis: alle Befragten, N = 307]


[Bildquelle: iStockPhoto]


Kommentare zu diesem Beitrag

RiskNET Redaktion /08.09.2010 14:55
+++ Aktuelle Entwicklungen auf dem Gebiet der Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung +++

Das Bundeskriminalamt (BKA) und die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) haben einen Bericht über ihre gemeinsame Arbeit und über aktuelle Entwicklungen auf dem Gebiet der Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung vorgelegt. Demnach wurden im vergangenen Jahr insgesamt 9.046 Verdachtsanzeigen nach dem Geldwäschegesetz (GwG) gemeldet. Dies bedeutet gegenüber dem Vorjahr eine Steigerung um 23 %. Die Zunahme basiert zum Großteil darauf, dass die Zahl der Anzeigen im Zusammenhang mit Finanzagenten im Jahr 2009 auf 2.394 gestiegen ist. Bei „Finanzagenten“ handelt es sich um Personen, die angeworben werden, um ihr Privatkonto für Geldwäsche-Transaktionen zur Verfügung zu stellen und die Beträge – regelmäßig gegen Provision - ins Ausland an Hinterleute oder zur weiteren Verschleierung von Zahlungsvorgängen an andere Finanzagenten weiterzuleiten. 2009 konnte bei etwa der Hälfte der Verdachtsanzeigen (46 %) der Verdacht einer Straftat erhärtet werden; 63 % dieser Anzeigen enthielten Hinweise auf Betrugsdelikte, 7 % auf Urkundenfälschung sowie jeweils 5 % auf Insolvenz- und Steuerdelikte. Über 4 % der Verfahren der Organisierten Kriminalität (25 von insgesamt 579 OK-Verfahren im Jahr 2009) wurden 2009 durch entsprechende Geldwäsche-Verdachtsanzeigen ausgelöst. In 98 Verdachtsanzeigen waren Hinweise auf mögliche „Terrorismusfinanzierung“ enthalten.

BKA-Präsident Jörg Ziercke zur Vorgehensweise der Täter: „Wir stellen fest, dass die Modi Operandi im Deliktsbereich der Geldwäsche immer komplexer werden. Geldwäsche wird zunehmend über fiktive Handels- oder Warengeschäfte abgewickelt, wobei internationale Tätergruppierungen und Gesellschaften mit Sitz im Ausland im Mittelpunkt stehen. Geldwäscher nutzen gezielt die Tatsache, dass Rechtshilfeersuchen typischerweise langwierig sind, dass in verschiedenen Staaten unterschiedliche Bank- und Berufsgeheimnisse gelten und die Kontroll- und Strafverfolgungsintensität unterschiedlich ausgeprägt ist. Zudem entwickeln die Täter fortlaufend neue
„Geschäftsmodelle“.

Die „Kreativität der Geldwäscher“ beklagt auch BaFin-Präsident Jochen Sanio: „Regulierer und Gesetzgeber müssen ständig auf der Hut und im Stande sein, sofort auf neue Entwicklungen zu reagieren.“ Dies gilt insbesondere auch für die Nutzung so genannter „neuer Zahlungsmethoden“, die teilweise nicht einmal den Regularien des konventionellen Finanzsystems unterliegen. Nachdem im Jahr 2008 insgesamt 26 Verdachtsanzeigen eingingen, bei denen die Tatverdächtigen ein internetbasiertes Zahlungssystem nutzten, wurden 2009 insgesamt 63 Verdachtsanzeigen erstattet. Einige dieser neuen Zahlungsmethoden eröffnen aufgrund ihrer technischen Multifunktionsfähigkeit und der möglichen anonymen Nutzung neue Varianten der Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung. BKA und BaFin hätten die Entwicklung der so
genannten „neuen Zahlungsmethoden“ mit großem Interesse verfolgt und sehr schnell erkannt, welche potenziellen Gefahren diese Zahlungsmethoden in puncto Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung mit sich brächten, erläutert Sanio. Auch die FATF beschäftigt sich derzeit mit diesem Thema.

Folgende weitere Entwicklungen waren für das Jahr 2009 kennzeichnend:

Handel mit CO2-Emissionszertifikaten
Seit Ende Juli 2009 wurden in Deutschland durch Kreditinstitute und Energie-Handelsunternehmen vermehrt Geldwäscheverdachtsanzeigen erstattet, deren Hintergrund Angebote oder Geldtransfers im Zusammenhang mit CO2-Emissionszertifikaten waren. Bislang konnten 62 Anzeigen mit Verdachtsmomenten für Umsatzsteuerbetrug festgestellt werden.

Bargeldabwicklungen
Im Jahr 2009 ist die Zahl der Verdachtsanzeigen (1.866) im Zusammenhang mit Bargeldabwicklungen im Vergleich zum Vorjahr um 34 % gestiegen (2008: 1.388). Diese Zunahme beruhte zum großen Teil auf Anzeigen, denen zum Beispiel Bareinzahlungen direkt bei Banken oder an Geldautomaten oder Barkäufe z.B. von Kfz, Edelmetallen oder Immobilien, zugrunde lagen.

Goldhandel
Bereits 2008 hatte die FIU auf eine neue Typologie im Zusammenhang mit Goldscheideanstalten hingewiesen, der Verdachtsmomente für die Straftatbestände Betrug und Geldwäsche zugrunde lagen. Seit Januar 2009 stellte die FIU 69 entsprechende Verdachtsanzeigen fest, bei denen insgesamt Transaktionen in Höhe von über 60 Millionen Euro durchgeführt wurden.

Kommerzielle Webseiten
Im Jahr 2009 wurden in 417 Verdachtsanzeigen Sachverhalte angezeigt, bei denen auf „kommerziellen Webseiten“ im Internet Waren zu sehr günstigen Preisen angeboten, diese aber nach Eingang der Vorkassenzahlung nicht versandt wurden. Die Gelder wurden zumeist auf Konten von Privatpersonen gesammelt, die als Finanzagenten ihre Konten zur Verfügung stellten.

Der vollständige Jahresbericht der FIU Deutschland kann auf der Homepage des BKA unter www.bka.de abgerufen werden.
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