Analyse der EZB

Systemische Risiken für Finanzsystem nur leicht verringert


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Die systemischen Risiken für das Finanzsystem des Euroraums haben sich nach Einschätzung der Europäischen Zentralbank (EZB) in den vergangenen sechs Monaten leicht verringert, was vor allem an der verbesserten Gewinnsituation großer Finanzinstitute (Large and Complex Banking Groups - LCBG) lag. "Viele der großen Banken haben 2009 wieder moderate Gewinne ausgewiesen, und ihre finanzielle Entwicklung hat sich im ersten Quartal 2010 weiter verbessert", heißt es in dem am Montag veröffentlichten halbjährlichen Finanzstabilitätsbericht der EZB. Erstmal seit 2007 habe keine große Bank im jüngsten Berichtsquartal einen Nettoverlust ausgewiesen.

Das spreche zusammen mit einer Aufstockung der Eigenkapitalpuffer auf Stände deutlich über Vorkrisenniveau dafür, dass die meisten dieser Institute große Fortschritte auf dem Weg zu einer finanziellen Erholung gemacht hätten. Wörtlich heißt es in dem Bericht: "Die breit angelegte Verbesserung der Schockabsorptionsfähigeit im Jahr 2009 bedeutet, dass sich die systemischen Risiken für das Finanzsystem bis zu einem gewissen Grad verringert haben und dass der Charakter der Risiken innerhalb des Finanzsystems stärker institutsspezifisch geworden ist."

Die EZB verweist darauf, dass die Kernkapitalquote (Tier 1) der Banken, die Quartalszahlen auswiesen, im ersten Quartal auf 10,6 Prozent gestiegen sei und dass sich auch die Qualität dieses Kapitals verbessert habe. Dabei gehe die Verbesserung der Kapitalquoten teilweise auch auf eine Verringerung der risikogewichteten Aktiva zurück.

Das Ausmaß der Änderungen, die sich unter anderem hinsichtlich Eigenkapital- und Liquiditätsanforderungen im Rahmen der internationalen Finanzmarktreform ergeben werden, ist nach Aussage der EZB noch ungewiss. "Eine rasche Kalibrierung und Einführung der Reformen sollte diese Unsicherheit verringern und den Banken eine Optimierung ihrer Kapitalplanung und gegebenenfalls eine Anpassung ihrer Geschäftsmodelle ermöglichen", heißt es in dem Bericht.

Nach Aussage der EZB ist die Abhängigkeit vor allem der großen Finanzinstitute von Regierungsunterstützung und der erhöhten Kreditversorgung des Eurosystems tendenziell geschwunden. Sie erwartet, dass der Abschreibungsbedarf auf Kredite bei den Banken im laufenden Jahr seinen Höhepunkt erreichen, aber auch 2011 noch beträchtlich bleiben wird. Für 2010 wird ein potenzieller Abschreibungsbedarf auf Kredite von 123 Mrd. EUR und für 2011 von 105 Mrd. EUR gesehen.

Die EZB schätzt, dass sich die 2007 bis 2010 anfallenden Wertpapierabschreibungen im Euroraum auf 155 Mrd. EUR summieren könnten. In ihrem Dezember-Bericht hatte die EZB diese Verluste noch auf 198 Mrd. EUR geschätzt. Zugleich wurde die entsprechende Schätzung für Kreditverluste auf 360 (zuvor: 355) Mrd. EUR angehoben. Dies spreche zusammen mit dem Druck, die Verschuldung zu begrenzen, dafür, dass die Profitabilität der Banken mittelfristig nur moderat bleiben dürfte.

Die Ausfallrisiken für an private Haushalte vergebene Kredite haben sich aus Sicht der EZB in den vergangenen sechs Monaten kaum verändert, worin sich die kaum veränderte finanzielle Lage der Haushalte spiegelt. Die Unternehmensbilanzen haben sich nach Aussage der EZB leicht verbessert, wodurch sich das Kreditausfallrisiko etwas verringert habe.

Zugleich stellt sich die Lage am Gewerbeimmobilienmarkt des Euroraums nach Aussage der Zentralbank weiterhin schwierig dar. "Schätzungen für die potenziellen Verluste, die die Banken aus ihrem Engagement in Gewerbeimmobilienkrediten erleiden könnten, sind in den vergangenen sechs Monaten um nahezu 50 Prozent gestiegen", teilte die EZB mit. Insofern sei auch die Konzentration solcher Risiken bei bestimmten Banken des Euroraums Besorgnis erregend.

Zugleich sieht die EZB ein gewisses Zinsrisiko für die Banken, die aus ihrer Sicht nicht ausreichend auf eine weitere Versteilung der Zinsstrukturkurve vorbereitet sind. Die Preisstruktur von Zinsoptionen deute darauf hin, dass die Marktteilnehmer mittelfristig überwiegend mit einer Verflachung der Zinsstrukturkurve rechneten.

Zudem sieht die EZB das Risiko steigender Refinanzierungskosten. Mit besonderer Sorge betrachtet sie die Tatsache, dass die großen Banken des Euroraums bis Ende 2012 rund die Hälfte ihrer Verbindlichkeiten umschulden müssen. In Anbetracht der ebenfalls hohen Refinanzierungsbedürfnisse der öffentlichen Hand bestehe das Risiko, dass die Banken ihre Anleihen nicht zu platzieren könnten ("Crowding Out"). Für einige Institute sei dieses Risiko sehr hoch.

"Besorgnis erregend ist auch die Abhängigkeit mancher mittelgroßer Banken in einigen Ländern von einer Finanzierung durch das Eurosystem", merkte die EZB außerdem an. Die Regierungen stünden unter dem Druck, ihre Haushalte zu konsolidieren und ihre Interventionen im Bankensektor zurückzufahren, so dass sich Institute schon jetzt über eine angemessene Erhöhung ihre Eigenkapital- und Liquiditätspuffer Gedanken machen sollten. Vor diesem Hintergrund müsse das Problem von Banken, die stark vom Eurosystem und von Regierungen abhängig seien, entschlossen angegangen werden.

Wichtigstes Risiko für die Finanzstabilität im Euroraum ist aus Sicht der EZB die mögliche Sorge, dass sich die Lage der öffentlichen Finanzen als unhaltbar erweisen könnte und dass der öffentliche Emissionsbedarf private Emissionen vom Markt verdrängen könnte ("Crowding Out"). Zudem bestehe das Risiko, dass sich die negative Rückkopplung zwischen dem Finanzsektor und öffentlichem Sektor fortsetze.



[Bildquelle: iStockPhoto]


Kommentare zu diesem Beitrag

OekOek68 /01.06.2010 06:15
Die Krise ist noch lange nicht vorbei! Allerdings hat sich bei den Banken in ihrem Handeln und Denken nicht viel geändert im Vergleich zu der Zeit vor der Krise. Insgesamt hat sich am System kaum was geändert, abgesehen von ein paar neuen Regeln auf dem Papier...
stephen /01.06.2010 07:50
@OekOek68: Was soll sich auch ändern? Die Politik und die Regualtoren haben ausser heissem Dampf nicht viel konkretes produziert. Die große Regulierung der Banken hat nicht stattgefunden. Daher geht es weiter wie bisher. Nein, noch viel schlimmer: Die Krise ist ein Paradebeispiel für "Moral Hazard". Nach der Logik "Too Big to Fail" sah sich die Politik gezwungen, den Banken mit Staatskohle (sprich Steuergeldern) unter die Arme zu greifen, damit eine Bankenkrise nicht die ganze Wirtschaft mit sich reißt (Lender of last resort). Dies führt logischerweise zu einem risikoreichem Verhalten, die nun darauf vertrauen, dass ihnen notfalls geholfen werden muss. ;-(( Bitte ist dabei, dass vor allem Instituten geholfen wurde, die keinerlei systemisches Risiko darstellen (siehe IKB und diverse Landesbanken)
Goofy /01.06.2010 07:57
sehr passende illustration ... die "arbeits"-ameisen die politik, die gegen die grosse systemkrise kaempfen - oder sind das die "arbeits"-ameisen in form der steuerzahler?
gerrit /01.06.2010 13:29
Das groesste Risiko besteht in der naechsten Blase in Form einer massiven Staatsverschuldung ... und das Risiko ist bereits sehr real vorhanden ;-(
Markus /02.06.2010 13:14
Zitat:
"Die EZB verweist darauf, dass die Kernkapitalquote (Tier 1) der Banken, die Quartalszahlen auswiesen, im ersten Quartal auf 10,6 Prozent gestiegen sei und dass sich auch die Qualität dieses Kapitals verbessert habe. Dabei gehe die Verbesserung der Kapitalquoten teilweise auch auf eine Verringerung der risikogewichteten Aktiva zurück."

Eigentlich wurden nur die Risikopositionen verstärkt abgebaut.

Beispiel Deutsche Bank:
2008: Bilanzsumme ca. 2,2 Billionen -- EKQ: 10% = 220 Mrd.
2009: Bilanzsumme ca. 1,5 Billionen -- EKQ: 12,6 % = 189 Mrd.

Schon erstaunlich:
Bilanzsumme um 30% runter = 700Mrd.€ , Eigenkapital 14% = 31 Mrd.

Das würde implizieren, dass die vorherigen Positionen, immerhin 700 Mrd €, mit 31 Mrd € Eigenkapital besichert waren.

Das sind knapp über 4%, also noch im Basel-Rahmen, aber nicht im 10%-EKQ-Rahmen, der momentan erreicht ist.
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