Schuldner-Atlas Deutschland: Arme werden ärmer


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Die Schuldnerquote für Deutschland beträgt zum Stichtag 1. Oktober 2006 10,68 Prozent (Vorjahr: 10,43 Prozent). Das heißt, rund 7,2 Millionen Deutsche oder mehr als jeder zehnte erwachsene Einwohner gelten als überschuldet. Im Vergleich zu 2005 entspricht dies einer moderaten Steigerung um 180.000 Personen. Im Jahr 2004 lag der Anstieg noch bei 470.000 Betroffenen – deutlich mehr. Die Schuldnerquote liegt in den neuen Bundesländern (11,35 Prozent, einschließlich Berlin) höher als im Westen Deutschlands (10,55 Prozent). Insgesamt sind im Osten Deutschlands rund 1,3 Millionen Personen als überschuldet zu bezeichnen, im Westen rund 5,9 Millionen Personen. Überschuldung liegt dann vor, wenn ein Schuldner die Summe seiner fälligen Zahlungsverpflichtungen auch in absehbarer Zeit nicht begleichen kann und ihm zur Deckung seines Lebensunterhaltes weder Vermögen noch andere Kreditmöglichkeiten zur Verfügung stehen. Oder kurz: Die zu leistenden monatlichen Gesamtausgaben übersteigen die Einnahmen. Die vertiefende Analyse belegt einen generellen und zugleich besorgniserregenden Trend: Die Zunahme der Schuldnerquoten ist häufig besonders stark in den Gebieten zu verzeichnen, die auch in der Vergangenheit eine überdurchschnittliche Schuldnerquote aufwiesen. Hingegen erweist sich die Steigerung in schuldnerarmen Gebieten meist nur als marginal. Kernstädte und Ballungsräume weisen höhere Schuldnerquoten auf als ländliche Regionen. Die Schlussfolgerung lautet: Die Schere zwischen schuldnerarmen und schuldnerreichen Gebieten öffnet sich. Überschuldung verdichtet sich räumlich und erzeugt mutmaßlich neue Überschuldungsstrukturen, die zu einer weiteren Festigung („Schuldenghetto“) beitragen können.

Bundesländer: Bayern vorn

Die niedrigsten Schuldnerquoten weisen – wie auch schon im Vorjahr – die Bundesländer Bayern (7,7 Prozent; Vorjahr: 7,6 Prozent), Baden-Württemberg (8,1 Prozent; Vorjahr: 8,0 Prozent) und Sachsen (9,8 Prozent; Vorjahr: 9,5 Prozent) auf. Schlusslichter sind – ebenfalls wie auch schon 2005 – die Länder Sachsen-Anhalt auf dem drittletzten Platz mit einer Überschuldung von 13,4 Prozent (Vorjahr: 13,0 Prozent), Berlin (15,2 Prozent; Vorjahr: 14,8 Prozent) und Bremen mit 15,3 Prozent (Vorjahr: 14,6 Prozent).



Höchste Überschuldung in Deutschland: Bremerhaven

Die Analyse der Verschuldungssituation in Deutschland zeigt auf Basis der 439 Kreise und kreisfreien Städte ein nochmals deutlich differenzierteres Bild. Die Spannweite reicht 2006 von der niedrigsten gemessenen Schuldnerquote im bayerischen Landkreis Eichstätt (4,2 Prozent /rund 4.000 Schuldner; Vorjahr: 4,3 Prozent) bis hin zurhöchsten gemessenen Schuldnerquote in der Stadt Bremerhaven (20,7 Prozent / rund 20.000 Schuldner; Vorjahr: 19,6 Prozent). Platz zwei der am wenigsten von Überschuldung betroffenen Kreise belegt Straubing-Bogen (5,1 Prozent; Vorjahr: 5,1 Prozent). Auf dem dritten Platz folgt Regensburg mit einer Schuldnerquote von 5,3 Prozent (Vorjahr: 5,3 Prozent). Am unteren Ende der Skala liegen vor Bremerhaven die Städte Flensburg mit einer Schuldnerquote 18,6 Prozent; Vorjahr: 18,0 Prozent) und Offenbach am Main mit 18,9 Prozent (Vorjahr: 18,4 Prozent).



Überschuldung: Männersache

Die überwiegende Mehrheit aller Verschuldungsfälle entfällt auf Männer (66,9 Prozent; Vorjahr: 67,1 Prozent), obwohl sie nur knapp die Hälfte der deutschen Bevölkerung ausmachen. Der deutlich höhere Anteil männlicher Schuldner lässt sich aus der Tatsache ableiten, dass in vielen Fällen der Mann immer noch als „Haushaltsvorstand“ fungiert und für Verbindlichkeiten gerade zu stehen hat oder in Schuldenangelegenheiten als formal Verantwortlicher auftritt.

 
Überschuldung wird jünger

Ein weiterer Trend: Überschuldung wird jünger. Zwar sind die meisten Überschuldeten – 14,7 Prozent – in der Gruppe der 40 bis 49-Jährigen zu finden. Allerdings sind sowohl hier als auch bei den 30 bis 39-Jährigen und den älteren Altersklassen Rückgänge zu verzeichnen (bei den 40 bis 49-Jährigen um 0,2 Prozentpunkte; bei den 30 bis 39-Jährigen um 0,9 Prozentpunkte auf 13,2 Prozent). Dagegen steigt die Überschuldungsbetroffenheit bei den Jüngeren an. Die Zahl der überschuldeten unter 20-Jährigen stieg im Jahresverlauf um 0,3 Prozentpunkte auf 0,9 Prozent – die der 20 bis 29-Jährigen um 0,5 Prozentpunkte auf 8,5 Prozent. Arbeitslosigkeit und Überschuldung zeigen, wie zu vermuten war, eine hohe Korrelation. Vor dem Hintergrund der weiter zunehmenden internationalen Arbeitsmarktkonkurrenz und den damit verbundenen Arbeitsplatzverlagerungen ist zu erwarten, dass Arbeitslosigkeit und Einkommensarmut auch in Zukunft Hauptauslöser von Überschuldungsprozessen bleiben werden.


Grundmuster der Überschuldungskarriere

Generell ist bei der Entstehungsgeschichte von Überschuldung zwischen zwei unterschiedlichen Grundvoraussetzungen zu unterscheiden, und zwar – vereinfacht formuliert – dem armuts- und dem wohlstandsbasierten Muster. Die Betroffenen des Armutsmusters kommen in der Regel aus der so genannten Unterschicht, die durch Niedrigeinkommen bzw. Arbeitslosigkeit oder nicht in Anspruch genommene Sozialleistungen gekennzeichnet ist. Überschuldung entsteht hier zur Sicherung der Existenz. Auf der anderen Seite stehen die Wohlstands-Überschuldeten, die allen Schichten zuzuordnen sind. Ver- und Überschuldung entstehen hier durch eine überhöhte Konsumneigung, meist gekoppelt mit mangelndem Finanzwissen und der Bereitschaft zur riskanten Kreditaufnahme. Diese als „Experimentalisten“ bezeichnete Schuldnergruppe ist gekennzeichnet durch ein hohes Lifestyle-Bedürfnis zur Unterstreichung der eigenen Individualität.

Den Schuldneratlas 2006 können Sie hier kostenlos herunterladen:

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