Unternehmen übersehen Warnsignale

Jede dritte Insolvenz wäre vermeidbar


Jede dritte Insolvenz wäre vermeidbar Studie

Geschäftsführer in Deutschland merken zu spät, wenn der eigene Betrieb wirtschaftlich in Schieflage gerät. Dabei lässt sich etwa jede dritte Pleite abwenden, wenn die Unternehmen rechtzeitig Insolvenzschutz beantragen, um sich zu sanieren. Allein 2017 hätten sich so mehr als 5.600 Firmen retten lassen. Das ist das Ergebnis einer Studie des D&O-Versicherers VOV und des Deutschen Instituts für angewandtes Insolvenzrecht (DIAI). Befragt wurden 75 erfahrene Insolvenzverwalter aus Deutschland.

Der wirtschaftliche Schaden durch Unternehmenspleiten beläuft sich allein im letzten Jahr auf mehr als 26 Mrd. Euro. 200.000 Arbeitsplätze sind nach Angaben von Creditreform entfallen oder akut bedroht. Trotz Wirtschaftsboom. Hans Haarmeyer vom Deutschen Institut für angewandtes Insolvenzrecht (DIAI) kritisiert, dass die Unternehmen sich nicht gut genug auf solche Krisen vorbereiten. "Viele Chefs betreiben Management by Kontoauszug und übersehen die mittelfristigen Warnsignale. 90 Prozent der Insolvenzen kündigen sich mindestens ein Jahr im Voraus an", so die Analyse des Professors für Wirtschafts- und Arbeitsrecht am RheinAhrCampus-Remagen.

Ein Unternehmen gilt in Deutschland bereits als zahlungsunfähig, wenn innerhalb von drei Wochen für mehr als zehn Prozent der fälligen Verbindlichkeiten kein Geld mehr da ist. Das Gesetz zwingt Geschäftsführer deshalb, vorausschauend zu planen. Doch vor allem kleine und mittelständische Unternehmen beschäftigen sich nur beim Jahresabschluss intensiv mit den Zahlen und verzichten darauf, laufend die Finanzen zu überwachen. "Selbst gestandene Geschäftsführer fallen aus allen Wolken, wenn ein Insolvenzverwalter vorrechnet, ab wann die Firma bereits zahlungsunfähig gewesen ist", bestätigt Diederik Sutorius, Chef des D&O-Versicherers VOV, der viel mit Managerhaftpflichtschäden bei Insolvenzen zu tun hat.

Das Problem: In dieser Situation haften Manager persönlich. Laut Gesetz müssen die Betroffenen entstandene Schäden privat und in unbegrenzter Höhe ersetzen. Diese Gefahr schätzen Geschäftsführer oft gravierend falsch ein. 95 Prozent der befragten Insolvenzverwalter geben an, dass Entscheidern die persönlichen Konsequenzen nicht bewusst sind. 83 Prozent zufolge unterschätzt das Management mit der Privatinsolvenz auch eines der größten Risiken überhaupt. "Deutschland ist eines der Länder mit den weltweit schärfsten Regeln bei der Managerhaftung im Insolvenzfall", so Sutorius. "Das kann die gesamte eigene Existenz kosten."

Im Ländervergleich steht Deutschland auch bei einer anderen Kennzahl an der Spitze: der vertanen Zeit, bevor das Management in bedrohlichen Situationen beherzt eingreift. Wie das DIAI beobachtet hat, lassen hiesige Unternehmen selbst nach ersten Krisenanzeichen bis zu drei Monate tatenlos verstreichen. In Großbritannien oder Frankreich schalten die Entscheider dagegen bereits nach wenigen Wochen in den Ausnahmezustand. Das scheint teilweise auch eine Kulturfrage zu sein: "Krisen sind wie eine schwere Krankheit, darüber redet man in Deutschland leider nicht. Alle Untersuchungen zeigen hingegen, dass bei einer offenen Ansprache die Gläubiger und Kunden dem Unternehmen die Stange halten", so Hans Haarmeyer vom Deutsche Institut für angewandtes Insolvenzrecht (DIAI).

Über die Studie: Der D&O-Versicherer VOV und das Deutsche Institut für angewandtes Insolvenzrecht (DIAI) haben zwischen Oktober 2017 und Januar 2018 online insgesamt 720 Insolvenzverwalter und Rechtsanwaltskanzleien befragt. Die Rücklaufquote betrug 10,4 Prozent. Die 75 Teilnehmer beschäftigen sich zu 80 Prozent bereits seit mehr als zehn Jahren mit Insolvenzen.

[ Bildquelle Titelbild: Adobe Stock ]
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