Grundsätze ordnungsgemäßer Planung (GoP) und die Blindheit für Planungsunsicherheit


Unternehmerischer Erfolg hängt maßgeblich davon ab, dass die richtigen Entscheidungen getroffen und die so angestoßenen Maßnahmen konsequent umgesetzt werden. Aufgrund der zentralen Bedeutung der Unternehmensplanung ist die Entwicklung eines Leitfadens für „Grundsätze ordnungsgemäßer Planung“ (GoP) durch den Bundesverband Deutscher Unternehmensberater BDU e.V. sehr zu begrüßen. Der BDU führt zur Bedeutung und Funktion der Planung aus:

„Unternehmensplanungen dienen der Sicherung der Unternehmenszukunft, dem Erreichen von Unternehmenszielen, der Förderung von Innovationen sowie der Erhöhung der Wirtschaftlichkeit von Unternehmen. Die Zukunftssicherung geschieht durch Vorwegdenken der möglichen Situationen, so dass man im Ernstfall gewappnet ist und schnell reagieren kann.“

Der Leitfaden formuliert allgemeine Grundsätze, betont die Notwendigkeit der Analyse als Ausgangspunkt jeder Planung und rechtfertigt sowohl die Bedeutung einer strategischen wie auch einer operativen Unternehmensplanung nachdrücklich.

Auch wenn viele der Anregungen und Hinweise in den GoP sehr nützlich sind und Minimalstandards an eine Planung beschreiben, fällt ein genauerer Blick auf den BDU-Leitfaden doch eher kritisch aus. Man muss sich zunächst fragen, ob eine auf Basis der GoP erstellte Planung tatsächlich dem Ziel einer Zukunftssicherung durch das Vorwegdenken der möglichen Situationen gerecht wird. Ergänzend sollte man darüber nachdenken, ob eine so erstellte Planung gerade finanzwirtschaftlichen Anforderungen genügt. Ist eine GoP-Unternehmensplanung beispielsweise geeignet als Grundlage für die Beurteilung strategischer Handlungsoptionen, die Fundierung von Finanzierungsentscheidungen, für eine Unternehmensbewertung, für Ratingprognosen oder für die Bestimmung des Gesamtrisikoumfangs (Eigenkapitalbedarfs), wie sie im Rahmen des Risikomanagements (siehe SolvV, Solvency II, IDW PS 340) notwendig ist?

Natürlich muss ein Leitfaden sich auf die wesentlichen Aspekte fokussieren, so dass das eine oder andere Versäumnis oder eine wünschenswerte Präzisierung sicherlich bei einer zukünftigen Überarbeitung zu korrigieren ist.

Schwerer wiegt aber, dass eine zentrale Anforderung im Hinblick auf eine transparente Unternehmensplanung mit keinem Satz formuliert wird – nämlich die Notwendigkeit einer exakten Klärung (Definition) der verwendeten Begriffe. Eine notwendige, in der Planungspraxis oft nicht erfüllte Anforderung ist speziell die klare Definition dessen, was überhaupt ein Planwert ausdrückt. Ist ein Planwert ein wahrscheinlichster Wert (Modalwert)? Oder ist ein Planwert derjenige Wert, der mit 50%iger Wahrscheinlichkeit über- oder unterschritten wird (Median)? Oder vielleicht ein Zielwert, der mit besonderen Anstrengungen noch erreichbar ist? Oder ein mathematischer Erwartungswert, der mögliche Über- und Unterschreitungen gewichtet berücksichtigt, also zeigt, was im Mittel passieren soll?

Ohne eine klare Begriffsdefinition sind Planwerte nicht interpretierbar und damit ohne Aussage. Die Praxis der Planung zeigt, dass hier oft versucht wird, wahrscheinlichste Werte anzugeben. Diese sagen aber gar nichts aus über die im Mittel zu erwartende Entwicklung, wenn also der Umfang von Chancen (mögliche positive Abweichungen) abweicht vom Umfang der Gefahren (mögliche negative Abweichungen). Gerade für finanzwirtschaftliche Anwendungen sind aber in der Regel Planwerte von Bedeutung, die als (mathematische) Erwartungswerte aufzufassen sind und deren Berechnung damit Informationen über den Umfang möglicher positiver wie negativer Planabweichungen erfordert. Notwendig ist damit die Kenntnis der Risiken, die Planabweichungen auslösen können, also – technisch gesprochen – der Wahrscheinlichkeitsverteilung der geplanten Größe. Die Unternehmensbewertung basiert auf erwarteten Erträgen oder erwarteten Cash Flows (Erwartungswerte), und auch die Investitionsrechnung verwendet Erwartungswerte. Ratingprognosen erfordern als Input den Erwartungswert der Entwicklung des Gewinns (und der Liquidität) gemäß Planung sowie diejenigen Risiken, die Planabweichungen auslösen können. Nur eine erwartungstreue Planung ist damit eine sinnvolle Grundlage für nahezu sämtliche unternehmerische Entscheidungen.

Hier sieht man deutlich das grundlegende Manko der GoP. Sie gewährleisten zum einen nicht, dass eine erwartungstreue Planung erstellt wird oder dies auch nur angestrebt wird. Zudem befassen sie sich eben gerade nicht mit den (unsicheren) Zukunftssituationen eines Unternehmens, wie in den ersten – oben zitieren – Sätzen der GoP angekündigt. Das zentrale Problem jeder Planung wird weitestgehend ignoriert: Planung basiert auf Prognosen der zukünftigen Entwicklung des Unternehmens und seines Umfelds. Und ein Blick in die Zukunft in Form von Prognosen ist trivialerweise immer unsicher. Eine transparente Planung erfordert daher nachvollziehbare Aussagen zu den unsicheren Planannahmen – also den Risiken – sowie zum Umfang möglicher Abweichungen von diesen Annahmen.

Dies kann geschehen durch die explizite Angabe von Einzelrisiken oder die Darstellung der Bandbreite einer Variable in der Planung, beispielsweise durch (a) Mindestwert, (b) wahrscheinlichsten Wert und (c) Maximalwert (also eine Dreiecksverteilung). Über die Kenntnis des möglichen Umfangs von Planabweichungen ermöglicht dies die Berechnung des Erwartungswerts sowie die kritische Diskussion und Interpretation der Planungsergebnisse. Was bedeutet etwa ein geplanter Gewinn von einer Mio. Euro, wenn die Bandbreite möglicher Abweichungen von +/- 30 Mio. Euro nicht explizit genannt wäre?

Eine fundierte, interpretierbare und faire Planung schafft Transparenz über den Grad der Planungssicherheit. Neben der Angabe von Einzelrisiken wäre darüber hinaus auch ein Maß für die Gesamtplanungssicherheit zumindest empfehlenswert. Bekanntlich lässt sich die Planungssicherheit mittels Simulation (etwa mit einer Monte Carlo-Simulation).bestimmen, wobei eine große repräsentative Anzahl möglicher Zukunftsszenarien des Unternehmens berechnet und ausgewertet wird.

Zusammenfassend müssen wir festhalten, dass es aufgrund der zentralen Bedeutung für die Unternehmenssteuerung lobenswert ist, dass sich ein BDU-Arbeitskreis mit der Entwicklung von Leitlinien für die Unternehmensplanung befasst hat. Es ist jedoch äußerst bedauerlich festzustellen, dass das zentrale Problem jeder Planung, nämlich der Umgang mit Planungssicherheit, nahezu komplett übersehen wurde. Die GoP sollten eigentlich darauf hinwirken, dass das Ergebnis einer Planung Erwartungswerte der wesentlichen Plangrößen (etwa Gewinne) sind und Transparenz über die Risiken besteht, die Planabweichungen auslösen können. Eine ordnungsgemäße Planung schafft Transparenz über den Grad der Planungssicherheit. Informationen über die erwartete Unternehmensentwicklung und den Risikoumfang sind zwingend erforderlich, um die Planung als Grundlage für Investitionsentscheidungen, Finanzierungsentscheidungen, Ratingprognosen oder Unternehmensbewertungen nutzen zu können. Selbst bei vielen operativen Problemen, wie der Auswahl von Projekten oder die Berechnung von Preisuntergrenzen bei der Kalkulation, benötigt man Erwartungswerte der Kosten sowie Informationen über den (aggregierten) Risikoumfang, da dieser die kalkulatorischen Eigenkapitalkosten bestimmt.

Um mit Hilfe der GoP Planungen zu erhalten, die für diese wichtige betriebswirtschaftlichen Aufgaben genutzt werden können, ist eine Überarbeitung und Erweiterung der GoP erforderlich.

Download der Kolumne (RISIKO MANAGER 18/2007):



Autoren:

Dr. Werner Gleißner ist Vorstand der FutureValue Group AG und Geschäftsführer der RMCE RiskCon GmbH,
Armin Schaller ist Partner der FutureValue  Group AG,
Frank Romeike ist Chefredakteur der Zeitschrift RISIKO MANAGER sowie Geschäftsführer der RiskNET GmbH.

 

[Quelle: RISIKO MANAGER, 18/2007, Seite 19]

 

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