Rohstoffverknappung

Geopolitische Risiken in der Lieferkette mit Szenario-Simulationen managen


Rohstoffverknappung: Geopolitische Risiken in der Lieferkette mit Szenario-Simulationen managen Kolumne

Lithium, Kupfer, Kobalt, Germanium – sie sind die Bausteine der modernen Wirtschaft. Ohne sie gibt es keine Batterien, keine Halbleiter, keine Energiewende, keine Rüstungsprojekte. Doch die weltweite gesteuerte Verknappung dieser Rohstoffe ist ein geopolitisches Risiko, das nicht nur Staaten, sondern auch Unternehmen unmittelbar betrifft. Szenario-Simulationen zeigen mögliche Wirkungspfade auf und helfen, datenbasiert, systematisch und umfassend die Grundlagen für die Entwicklung von Gegenmaßnahmen zur Adressierung der Risiken zu entwickeln (Risk Mitigation). 

Kontrolle der Rohstoffe bedeutet Kontrolle der Wirtschaft

Was früher als klassische Marktfrage galt, ist heute eine strategische: Wer die Rohstoffe kontrolliert, kontrolliert die Wertschöpfungsketten.

China dominiert rund 80 % der globalen Produktion "Seltener Erden". Russland ist nach wie vor ein zentraler Energie- und Metalllieferant, und viele afrikanische Staaten sind reich an Kobalt, aber politisch instabil.

Konflikte, Sanktionen oder Exportbeschränkungen können daher Lieferketten innerhalb weniger Wochen lahmlegen. Rohstoffverfügbarkeit ist längst keine rein ökonomische Variable mehr. Sie ist Teil der globalen Machtpolitik.

Politische Initiativen wie der EU Critical Raw Materials Act zeigen: Staaten reagieren auf die neue Dynamik. Ein geopolitisches Wettrennen um Rohstoffe hat längst begonnen.

Auswirkungen auf Wirtschaft und Sicherheit

Eine Rohstoffverknappung wirkt direkt auf Preise, Produktion und geopolitische Stabilität:
Engpässe treiben Kosten in die Höhe. Zu planen wird schwieriger. Produktionsstopps und Verzögerungen bedrohen Umsatz und Wettbewerbsfähigkeit. Länder mit kritischen Rohstoffen sichern sich strategische Vorteile. Konflikte um Ressourcen verschärfen politische Spannungen und können soziale Unruhen auslösen. 

Diese kurze Schilderung der Auswirkungen der Änderungen auf der Angebotsseite zeigt, dass Rohstoffrisiken nicht isoliert betrachtet werden dürfen. Sie beeinflussen wirtschaftliche und politische Stabilität weltweit.

Lieferketten unter Druck

Die Folgen knapper Rohstoffe sind für Unternehmen spürbar: Automobilhersteller müssen wegen Engpässen bei Lithium und Nickel ihre Produktionsplanung anpassen. Elektronikunternehmen kämpfen mit Lieferverzögerungen bei seltenen Metallen. Lieferengpässe von Germanium können Rüstungsprojekte verzögern und strategische Fähigkeiten von Staaten einschränken.

Viele Unternehmen reagieren mit neuen Strategien. Dazu zählen der Aufbau strategischer Lagerbestände, Diversifizierung der Lieferanten, Investitionen in Recycling und Kreislaufwirtschaft oder die direkte Beteiligung an Rohstoffprojekten.

Doch all das kostet Zeit – und Geld.

Versorgungssicherheit ist die neue Währung

In einer stabilen Welt zählte vor allem Effizienz. Heute, mit zahlreichen globalen Krisenherden oder Risikogebieten, zählt Resilienz.

Das klassische"Just-in-Time"-Denken stößt an seine Grenzen, wenn geopolitische Spannungen Lieferketten jederzeit unterbrechen können und damit zum Risiko werden. 

Längst ist Versorgungssicherheit keine operative Frage mehr, sondern ein strategischer Wettbewerbsfaktor und zentraler Faktor des wirtschaftlichen Überlebens. Wer Zugang zu stabilen Rohstoffquellen hat, kann planen, investieren und wachsen.

Warum Szenario-Simulationen entscheidend sind.

Angesichts der Komplexität globaler Lieferketten und geopolitischer Dynamiken reicht es nicht, auf historische Daten oder einfache Prognosen zu vertrauen. Der Blick in mögliche Zukünfte, Szenario-Simulationen, helfen Unternehmen, unterschiedliche Krisen- und Entwicklungsfälle durchzuspielen, um hochwirksame Handlungsstrategien zu entwickeln.

Ein innovativer Ansatz der Szenario-Simulation ist das Zusammenspiel zwischen System Dynamics und Semantischen Analysen.

  • System Dynamics: Modelliert komplexe Wechselwirkungen zwischen Rohstoffverfügbarkeit, Nachfrage, Preisen und geopolitischen Ereignissen.
  • Semantische Analysen: Extrahieren aktuelle Trends, Nachrichten und politische Signale aus unstrukturierten Daten, z. B. Medienberichten oder Regierungsmitteilungen.

Beide Ansätze sind komplementär. Sie decken unterschiedliche Dimensionen desselben Problems ab: System Dynamics modelliert quantitative Dynamiken (quantitative Wechselbeziehungen), während semantische Analysen auch qualitative Informationsflüsse und Diskurse erfassen und messbar machen.

Die Kombination beider Methoden ermöglicht es, frühzeitig Risikopotenziale zu identifizieren, Abhängigkeiten aufzudecken und strategische Entscheidungen evidenzbasiert abzusichern. Unternehmen können so nicht nur auf aktuelle Krisen reagieren, sondern vorausschauend, proaktiv, Lieferketten resilient gestalten.

System DynamicsSemantische Analysen
→ Modelliert quantitative, zeitabhängige Prozesse:→ Untersuchen textbasierte Informationen,
- Flüsse von Material, Nachfrage, Preisen.
- Rückkopplungen und Verzögerungen.
- Dynamische Szenarien (z. B. Lagerabbau,
   Preisentwicklung, Kapazitätsaufbau).
- z. B.: Medienberichte, Regierungsdokumente,
  Unternehmensmitteilungen.
- Diskurse, Narrative, Ursache-Wirkungsketten
   rund um"kritische Rohstoffe","Lieferketten", 
  "Abhängigkeiten".
- Sicherheitsrelevantes, Risikothemen,
  Thematische Einbettung und Lobbystrukturen
  (z. B. mit Hilfe  KI-basierter Methoden).
→ Ermöglicht "Was-wäre-wenn"-Vergleiche 
     politischer Maßnahmen und Unternehmens-
     strategien
Wie verändert sich das System über die Zeit?Welche Themen, Wahrnehmungen und Narrative prägen Entscheidungen?

Tab. 01: System Dynamics und Semantische Analysen

Abb. 01: Auswirkungen von Exportbeschränkungen von Germanium
Abb. 01: Auswirkungen von Exportbeschränkungen von Germanium


Fazit und Ausblick

Rohstoffe sind das Fundament unserer Wirtschaft, und zunehmend ein Brennpunkt geopolitischer Machtspiele.
Für Unternehmen bedeutet das:

  • Lieferketten müssen neu gedacht werden.
  • Beschaffung wird zur strategischen Aufgabe.
  • Moderne, zukunftsgerichtete Analysemethoden wie Szenario-Simulationen, in unserer Definition basierend auf einer Kombination aus System Dynamics und Semantischen Analysen, sind entscheidend, um Risiken frühzeitig zu erkennen und wirksame Strategien um resiliente Wertschöpfungsketten zu entwickeln.

Wer in den kommenden Jahren erfolgreich sein will, braucht nicht nur technologische Innovation, sondern strategische Weitsicht, einen Blick in die nahe und ferne Zukunft der Rohstoffbeschaffung.

Autoren:

Steffen Konrath
| evAI Intelligence GmbH

Klaus Schramm | Schramm Unternehmensberatung GmbH

 

[ Bildquelle Titelbild: Generiert mit AI ]
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