GIGO-Effekt in der Praxis

Fehler und Widersprüche bei Banken-Stresstest-Ergebnissen


Fehler und Widersprüche bei Banken-Stresstest-Ergebnissen News

Eines der Hauptziele des lang vorbereiteten Bankenstresstests war, der Öffentlichkeit verlässliche und umfassende Daten über die Finanzlage der Banken des Kontinents zur Verfügung zu stellen. Allerdings gab es einige pikante Fehler und Unstimmigkeiten, die sich in die umfangreichen Berichte eingeschlichen haben. Der Grund lag vor allem in der Qualität der Daten. Allgemein ist dieser Effekt als "Garbage In, Garbage Out" (oder in Kurzform GIGO) bekannt. Mit hoher bis sicherer Wahrscheinlichkeit werden nicht aussagekräftige Ergebnisse produziert, wenn die Eingabedaten fehlerhaft sind.

Die Europäische Zentralbank (EZB) musste am Sonntag nach Veröffentlichung zügig die Ergebnisse zu einer großen italienischen Bank wieder von ihrer Webseite nehmen. Der Grund: Ein Fehler in der wichtigen Kapitalquote. Die Ergebnisse des Tests polnischer Banken wurden komplett ausgelassen, da die Daten zu spät übergeben worden. Zudem nannten die EZB und die European Banking Authority (EBA), die den europaweiten Test durchführten, deutlich unterschiedliche Zahlen für die Deutsche Bank.

Trotz der Fehler werde nicht die Glaubwürdigkeit der gesamten Übung in Frage gestellt, heißt es von Analysten und anderen Experten. Es habe auch den Anschein, dass die Fehler isoliert aufgetreten seien. Einige Fehler seien unvermeidlich, wenn mehr als eine Million Daten zusammengetragen werden, so Analysten.

Die Bilanzprüfung bestand aus zwei Teilen: Einer stichtagsbezogenen Prüfung der Aktiva (AQR), also vor allem der Kredite und des Eigenkapitals, und einem Stresstest, bei dem die Entwicklung der Bilanzgrößen unter normalen und sehr negativen äußeren Einwirkungen simuliert wurde. Abgesehen von 13 Banken des Euroraums haben die umfassende Bilanzprüfung alle Institute bestanden. Das Ergebnis reflektiere das starke finanzielle Fundament der Branche, sagten Bankenmanager. Trotzdem gingen Bankaktien am Montag auf Talfahrt. Dazu gehörten auch solche, die den Test ohne Probleme bestanden hatten. Der Bankensektor des Stoxx 600 verlor mehr als 2 Prozent, da sich einige Investoren darüber sorgen, ob der Test ausreicht, um das Vertrauen in die Branche wieder herzustellen. Am stärksten unter die Räder kam das Papier der Banca Monte dei Paschi di Siena SpA, die Aktie brach um knapp 22 Prozent ein. Mit dem Stresstest wurde bei den Italienern eine Kapitallücke von 2,1 Milliarden Euro aufgedeckt.

Fehler bei der Datenverarbeitung

Obwohl der Bilanz-Check schon seit einem Jahr im Gange war, waren die Offiziellen bis zur letzten Minute damit beschäftigt, die Daten korrekt zu erheben. Am Sonntagmorgen, etwa eine Stunde bevor die Ergebnisse veröffentlicht werden sollten, war der verantwortliche Manager bei der EBA immer noch damit beschäftigt, den Ergebnissen seinen Segen zu geben. Kurz nachdem die Ergebnisse veröffentlicht worden waren, entdeckten EZB-Offizielle den Fehler bei der Kapitalquote der Monte dei Paschi für 2013, sagte ein Informant. Der Fehler auf der ersten Seite des Dokumentes war bedeutend, da Monte dei Paschi jene Bank war, die von allen Instituten am schlechtesten abgeschnitten hat - und deswegen im Mittelpunkt des Interesses von Investoren stand.

Nachdem der Fehler entdeckt worden war, nahmen EZB-Vertreter die Unterlagen von Monte dei Paschi kurz von der Webseite, wie eine mit der Sache vertraute Person sagte. Sie beschrieb das Problem als einen einzelnen "Fehler bei der Datenverarbeitung". Die korrigierten Unterlagen wurden kurze Zeit später erneut veröffentlicht. Aber ihre vorübergehende Entfernung zog die Aufmerksamkeit von Investoren auf sich. Einige äußerten sich außerhalb der Öffentlichkeit frustriert, dass die EZB die Zahlen geändert habe, ohne zu erklären, was genau sich geändert habe. Auch andere Banken hatten Probleme mit ihren Daten.

Die Stresstests begannen mit Bank-Daten vom 31. Dezember 2013. Die Banken wurden aber auch aufgefordert, den Behörden Daten für die ersten neun Monate des Jahres 2014 ohne solche Ausgaben zur Verfügung zu stellen, die ihnen aus Rechtsstreitigkeiten und behördlichen Untersuchungen entstanden waren. Das ist ein Zugeständnis an wachsenden Druck auf die Finanzen der Banken durch verschärfte Strafen, die von Behörden in den USA und anderenorts verhängt wurden.

Rechtskosten als große Unbekannte

Die Deutsche Bank, die sich mit einer großen Zahl an Klagen und staatlichen Untersuchungen auseinandersetzen muss, steht im Fokus solcher Bedenken. Deshalb wurde die Höhe der Ausgaben für Rechtsstreitigkeiten genau beobachtet. Die EBA bezifferte die Rechtskosten der Deutschen Bank für die ersten neun Monate des Jahres auf 470 Millionen Euro. Das war die Summe, die die Bank selbst für das erst Halbjahr ausgewiesen hatte. Die Angabe der EZB war fast dreimal so hoch, sie lag bei rund 1,4 Milliarden Euro. Dies ist die Zahl die sich bei der Bank in den ersten neun Monaten ergibt, wenn man die Ende vergangene Woche bekanntgegeben Rückstellung hinzunimmt.

Eine Sprecherin der EZB sagte, die Zentralbank habe Daten zu den Rechtskosten der Deutschen Bank in den ersten neun Monaten verwendet. Eine EBA-Sprecherin sagte, die Behörden habe Daten verwendet, die ihr von der EZB zur Verfügung gestellt worden seien. Ein Sprecher der Deutschen Bank wollte sich dazu nicht äußern. Zahlreiche andere Banken legten ihre Rechtskosten einfach gar nicht offen. Die EZB-Sprecherin wollte sich nicht dazu äußern, warum einige Banken die Daten nicht zur Verfügung stellten. Die Zentralbank habe die Banken aufgefordert, Geldstrafen und Rechtskosten aufzuführen, die in den ersten drei Quartalen angefallen seien, abzüglich vorheriger Rückstellungen.

Derweil wirken sich spät eingetroffene Daten auf die Ergebnisse der sechs polnischen Banken aus, die von der EBA getestet wurden. In einer Fußnote des EBA-Berichtes zu den Tests heißt es, die Ergebnisse der polnischen Banken enthielten nicht die Auswirkungen einer Asset-Qualitäts-Prüfung, weil diese erst spät von den Behörden des Landes eingereicht worden seien. Ein Sprecher der polnischen Finanzaufsicht sagte, die Behörde habe die notwendige Asset-Prüfung durchgeführt, aber die Ergebnisse seien wegen nicht näher erläuterten "Verfizierungen" mit polnischen Banken am Samstag verzögert worden. Diese Prüfung schmälerte die Kapitalquote einer der Banken um zwei Prozentpunkte, damit hätte sie die Stresstest nur ganz knapp bestanden.

[ Bildquelle Titelbild: © Artem Gorohov - Fotolia.com ]
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