Kommentar

Der gute Schein der Finanzstabilität


Der gute Schein der Finanzstabilität Kolumne

Quantitative Easing (QE), also quantitative Lockerung, heißt das neue Zauberwort der Europäischen Zentralbank (EZB). Gemeint ist das hinter verschlossenen Türen vorbereitete Programm zum Aufkauf privater und staatlicher Wertpapiere durch die EZB, das den Banken und der Wirtschaft Südeuropas helfen soll. Der EZB-Rat hat das Programm auf seiner Sitzung am Anfang Mai wegen großer Widerstände in einigen Euro-Ländern zwar noch nicht aktiviert, doch er hält es weiter in petto.

Wenn die Notenbank große Programme mit undurchsichtigen Namen ankündigt, müssen die Steuerzahler stets auf der Hut sein. Denn dahinter verbirgt sich regelmäßig ein Bail-out-Programm zur Rettung bedrohter Banken oder Staaten sowie ihrer Gläubiger. So war es mit dem Securities Markets Programme (SMP), mit dem für 223 Milliarden Euro Staatspapiere der Krisenländer gekauft wurden, oder mit den Outright Monetary Transactions (OMT), mit denen die EZB ankündigte, solche Staatspapiere in Zukunft notfalls unbegrenzt zu kaufen. Auch die durch die sogenannten Target-Salden gemessenen Sonderkredite aus der Druckerpresse für die Banken Südeuropas erwiesen sich als ein gigantisches fiskalisches Rettungsprogramm, das mit Geldpolitik wenig zu tun hat.

Die drohenden Verluste aus solchen Politikmaßnahmen werden beim Steuerzahler abgeladen. Er trägt sie in Form verminderter Gewinnausschüttungen der Notenbanken an die Finanzminister oder in Form von Verlusten der Rettungsschirme, die von den Parlamenten im Nachhinein aufgespannt werden müssen, um die EZB zu entlasten. Dem deutschen Verfassungsgericht ist wegen der Mandatsüberschreitung der EZB vor Kurzem bekanntlich der Kragen geplatzt – die Richter haben der EZB Machtmissbrauch vorgeworfen.

Das Gericht sollte nun auch das neue QE-Programm der EZB einer kritischen Prüfung unterziehen. Denn hier geht es trotz aller gegenteiligen Beteuerungen abermals um fiskalische Rettungsaktionen statt um Geldpolitik. Als die vom Euro hervorgerufene inflationäre Kreditblase platzte, wurden in die Bilanzen der Banken Frankreichs und Südeuropas riesige Löcher gerissen.

Man hat die Öffentlichkeit darüber bislang noch mithilfe einer kreativen Buchführung hinweggetäuscht, doch ist die Not groß, weil sich die Wahrheit nicht mehr lange zurückhalten lässt. Die in diesem Jahr anstehenden Stresstests für die neue Bankenunion könnten zu einem Desaster führen, wenn keine Maßnahmen zur Wertsicherung der Bankaktiva ergriffen werden. Der Erwerb der gefährdeten Papiere mit frischem Geld aus der Druckerpresse erscheint vielen als einzige Möglichkeit, dieses Ziel zu erreichen.

Man hätte auch den Weg der Rekapitalisierung der Banken mit den Mitteln des Rettungsschirms ESM wählen können. Da dieser Weg jedoch auf wachsende Widerstände bei den Parlamenten stieß, nimmt der EZB-Rat die Sache jetzt selbst in die Hand. Irgendeine geldpolitische Begründung wird sich schon finden lassen, und später muss man halt noch die Parlamente überzeugen, mit fiskalischen Rettungsaktionen nachzurücken.

Dass die EZB jetzt aktiv werden will, liegt auch daran, dass sie ohnehin schon gefährdet ist – weil sie immer schlechtere Papiere als Pfand für ihre Kredite akzeptiert hat. So akzeptierte sie Staatspapiere, die von den Ratingagenturen kein Investment Grade mehr erhalten, sowie nicht gehandelte ABS-Papiere, die sich Banken aus ihrem Investitionsschrott zusammengeklebt hatten. Die Hälfte der Zentralbankgeldmenge des Euro-Systems wurde auf diese Weise zu Target-Krediten für die Banken der Krisenländer.

Es ist nicht ganz klar, ob das neue QE-Programm mit einer Ausweitung der Geldmenge einhergehen soll oder ob die Geldmengenwirkungen durch eine Rücknahme der Refinanzierungskredite sterilisiert werden sollen. Auf die erste Möglichkeit spekuliert etwa der neue französische Ministerpräsident Manuel Valls, der von der EZB eine ultralockere Geldpolitik und aktive Wechselkurspolitik fordert. Valls hofft, dass der Euro-Kurs dadurch fällt und den lahmenden Export seines Landes ankurbelt.

Die Schutzversprechen in Form des OMT-Programms und das Aufkaufversprechen seitens des Rettungsschirms ESM hatten den Kauf der Staatspapiere Südeuropas für Investoren aus Nicht-Euro-Ländern attraktiv gemacht. Dadurch kam es zu einer spürbaren Euro-Aufwertung. Wenn aus dem Schutzversprechen eine tatsächliche Kaufhandlung wird, so tritt die gegenteilige Wirkung ein. Denn nun werden private Anleger aus Nicht-Euro-Ländern verdrängt und überweisen ihr Geld ins Ausland – was wiederum den Euro-Kurs senkt.

Sollte die EZB hingegen das QE-Programm sterilisieren wollen, ähnelt die Situation dem, was bei einem formellen Bankenkonkurs geschieht: Sie tauscht ihre Kreditforderungen gegen die Banken gegen Eigentum an den Bankaktiva ein. Sie erspart den Banken die Konkursprozedur und kann den guten Schein der Finanzstabilität wahren.

Hans-Werner Sinn, Professor für Nationalökonomie und Finanzwissenschaft, Präsident des ifo InstitutsAutor:

Hans-Werner Sinn, Professor für Nationalökonomie und Finanzwissenschaft, Präsident des ifo Instituts

 

 

Quelle: Erschienen unter dem Titel "Neues Schutzversprechen", Wirtschaftswoche, Nr. 20, 12. Mai 2014, S. 37.

 

 

 

 

 

 

[Bildquelle: © imaginando - Fotolia.com]



Kommentare zu diesem Beitrag

reiner tiroch/16.06.2014 18:29
Finanzstabilität? die ist keinen pfifferling Wert. man darf gespannt sein wielange man uns noch hinhalten will, bis der Ausstieg aus der Krisenpolitik daherkommt, gell?
Redaktion RiskNET /16.06.2014 15:41
+++ Bankenstresstest droht "zu streng" zu werden +++

Ewald Nowotny, Chef der Österreichischen Notenbank (OeNB) und Ratsmitglied der Europäischen Zentralbank (EZB), hat vor einem zu hartem Vorgehen bei dem gerade laufenden Bankenstresstest gewarnt. "Der Test wird sehr streng, vielleicht sogar zu streng", sagte er der Süddeutschen Zeitung. "Meine Befürchtung ist, dass die EZB in dem Ehrgeiz es besonders gut machen zu wollen, sehr weit über das hinausgeht, was die USA gemacht haben. Das kann zu Übertreibungen führen."

Er beobachte, dass die EZB bei Ermessensentscheidungen grundsätzlich die schärferen Regeln anwende. Für die österreichischen Banken sieht er jedoch keine Probleme, es gebe "keine Wackelkandidaten."

Nowotny verteidigte die Niedrigzinspolitik. Die negative Auswirkung der niedrigen Zinsen auf die Ersparnisse würde überschätzt: "Die Menschen sitzen einer Illusion auf. Sie bekamen zwar früher höhere Einlagenzinsen, aber die Inflationsraten waren viel höher." Der Effekt sei lediglich bei niedrigen Zinsen besser sichtbar.

Zu dem umstrittenen Schuldenschnitt, den Österreich per Gesetz in der vergangenen Woche der Problembank Hypo Alpe Adria verordnet hat, sagte Nowotny, die OeNB stehe hinter dem Vorgehen der Regierung. Der Finanzplatz Österreich werde durch den Schritt nicht destabilisiert. Der Schuldenschnitt beziehe sich nur auf einen sehr kleinen, speziellen Teil der Gläubiger. "Die prinzipielle Bereitschaft Österreichs, zu Garantien zu stehen, ist nicht in Frage gestellt", sagte er

Einige Banken, darunter die BayernLB, haben Klagen angekündigt, weil die betroffenen Anleihen mit einer Staatsgarantie vom Ausfall geschützt waren.
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