Besseres Risikomanagement und höhere Transparenz bei Hedgefonds gefordert


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Die Rolle von Hedgefonds im globalen Finanzsystem sowie die Frage der Transparenz und der Notwendigkeit einer Regulierung steht nicht nur bei der Finanzaufsicht und der Bundesbank ganz oben auf der Tagesordnung. „Für uns als Bundesbank steht dabei natürlich der Aspekt der Finanzstabilität im Vordergrund – hier liegt unser Mandat und hier sehen wir auch das größte Risikopotenzial.“, so Edgar Meister (Bild), Mitglied des Vorstands der Deutschen Bundesbank, bei einer Rede im Deutscher Bundestag am heutigen Tag.

Der Bundesbank-Vorstand wies darauf hin, dass es mittlerweile weltweit über 9.200 Hedgefonds gibt, die ein Vermögen von rund 1,3 Billionen US-Dollar verwalten. Innerhalb von acht Jahren haben sich sowohl die Zahl der Hedgefonds als auch die verwalteten Vermögen ungefähr verdreifacht. Und die Nachfrage der Investoren ist weiterhin hoch. „Insofern muss es nicht verwundern, dass die Nettomittelzuflüsse in diesem Jahr deutlich höher sind als in den Vorjahren: bis zum dritten Quartal diesen Jahres sind bereits 110,7 Mrd. US-Dollar in Hedgefonds geflossen. In 2005 waren es 46,9 Mrd. US-Dollar, im Jahr 2004 73,6 Mrd. US-Dollar.“, so Meister weiter. Doch nicht nur die verwalteten Vermögen steigen. Auch der Einfluss der Hedgefonds auf die Finanzmärkte nimmt zu. Sie tragen nicht nur zu den hohen Transaktionsvolumina auf den klassischen Aktien-, Staatsanleihen- und Devisenmärkten bei. Sie sind vielmehr auch wichtige Akteure in tendenziell weniger liquiden Marktsegmenten wie dem Kreditderivatehandel. Schätzungen zufolge sind Hedgefonds für 58 Prozent des globalen jährlichen Handelsvolumens in Kreditderivaten und für 25 Prozent des Handels in Hochzinsanleihen verantwortlich.

Hedgefonds dominieren auch den NPL-Markt


Mit einem Anteil von 47 Prozent nehmen Hedgefonds auch im Markt für notleidende Kredite eine dominante Position ein. Nicht nur die verwalteten Vermögen und die Handelsaktivitäten sind gestiegen; auch die Strategien von Hedgefonds gleichen einem bunten Strauß. Global Macro, Fixed Income Arbitrage, Convertible Arbitrage, Event Driven oder Multi-Strategy – je nach Strategieschwerpunkt variiert die Art der eingesetzten Instrumente und der daraus resultierenden Risikopositionen. Auch hinsichtlich der Größe gibt es gewaltige Unterschiede. Die größten 100 Hedgefonds – mithin knapp ein Prozent der Gesamtanzahl – dürften mehr als zwei Drittel des insgesamt durch Hedgefonds verwalteten Vermögens auf sich vereinen. Dies verdeutlicht die Heterogenität: auf der einen Seite einige Dutzend sehr großer Fonds mit gewaltigen Vermögen und Transaktionsvolumina; auf der anderen Seite eine Vielzahl relativ kleiner Fonds mit begrenztem Radius.

Beitrag von Hedegfonds zur Stabilität und Effizienz der Finanzmärkte

Unbestritten leisten Hedgefonds einen positiven Beitrag für die Stabilität der Finanzmärkte. Indem sie Arbitragemöglichkeiten bei Finanzmarktpreisen nutzen, tragen sie zur Reduzierung von Spreads bei. Durch ihre Flexibilität und ihr aktives Handeln fördern sie den Preisbildungsprozess und damit die Effizienz der Finanzmärkte. In vielen Bereichen benötigen Finanzmarktakteure und Unternehmen verlässliche Preise, um das von ihnen eingegangene Risiko beurteilen zu können und um die notwendigen Informationen für die Geschäftssteuerung und die Rechnungslegung bereitzustellen. In dem Maße, wie Hedgefonds den Preisbildungsprozess fördern und zur Marktgängigkeit ehemals illiquider Vermögensgegenstände beitragen, sind sie eine wichtige Kraft zur Steigerung der Effizienz der Finanzmärkte. Durch ihre besondere Bereitschaft zur Risikoübernahme ermöglichen Hedgefonds, dass für bestimmte Risiken erst liquide Märkte entstehen, wie beispielsweise im Bereich notleidender Kredite. Banken und andere traditionelle Marktteilnehmer erhalten so neue oder bessere Möglichkeiten, unerwünschte Risikopositionen zu transferieren. In Zeiten erhöhter Unsicherheit können Hedgefonds sogar dazu beitragen, Märkte zu stabilisieren. Denn sie sind im allgemeinen eher dazu bereit, auch bei volatilen Marktverhältnissen Risikokapital einzusetzen.

Hedegfonds als Quelle von systemischen Risiken

Nichtsdestotrotz können Hedgefonds aber auch eine Quelle erhöhten systemischen Risikos sein. „Eine Besorgnis besteht in der Gefahr von Ansteckungseffekten.“, so Meister. „In den vergangenen Jahren ist in der Folge ein intensiver Wettbewerb um Prime Brokerage-Mandate entstanden, der u. U. in geringeren Sicherheitenanforderungen oder Marginverpflichtungen resultiert.“ Wenn es nun zum Beispiel bei einer Verschlechterung des makroökonomischen Umfelds oder bei steigender Volatilität an den Märkten zu einem plötzlichen Fall von Vermögenspreisen kommt, werden Nachschusspflichten bei ausstehenden Kontrakten fällig. Edgar Meister: „Hedgefonds, die dazu nicht in der Lage sind, können sich mit einer Kürzung ihrer Kreditlinien bei Banken und Investmentfirmen konfrontiert sehen. In einem solchen Szenario könnten sich Hedgefonds gezwungen sehen, eingegangene Risikopositionen zu liquidieren; der eingegangene Leverage, der im Normalfall die erzielte Rendite auf das eingesetzte Kapital steigert, wird nun zur Belastung.“

Meister weist darauf hin, dass in einigen Strategien Hedgefonds-Erträge eine hohe Korrelation aufweisen. Im Falle eines adversen Schocks würde die Auflösung von Positionen in einer bestimmten Richtung nicht nur die negative Entwicklung in diesem Marktsegment verstärken, sondern auch das Risikopotenzial für Banken, nicht zuletzt für die Prime Broker, erhöhen. Die Sicherheitsanforderung gegenüber einem Hedgefonds, die von einer einzelnen Bank als ausreichend angesehen wird, mag nicht ausreichen, wenn alle Marktteilnehmer im Aggregat betrachtet werden, insbesondere weil komplexe Finanzinstrumente und der Mangel an Transparenz über die Positionen anderer Marktteilnehmer die Risikoeinschätzung erschweren.

Wie können Risiken begrenzt werden? Wie kann Transparenz geschaffen werden?


Transpenz kann über verschiedene Wege geschaffen werden. Edgar Meister wies darauf hin, dass die Empfehlungen der Corrigan-Gruppe zur Begrenzung von Kontrahentenrisiken erste Ansätze darstellen, die im wesentlichen Anforderungen an das Risikomanagement von Banken als Kreditgeber oder als Handelspartner von Hedgefonds aufstellen. Der Bundesbank-Vorstand befürwortet auch eine Registrierungspflicht für Hedgefonds-Manager, wie sie beispielsweise in Großbritannien und in Deutschland besteht. Auch die Empfehlungen der Hedgefonds-Branchenverbände für so genannte Sound Practices sind durchaus anerkennenswert, im Ergebnis jedoch nicht ambitioniert und wohl auch nicht verpflichtend genug, um das erkannte Transparenzdefizit wirksam zu mildern. „Allerdings sind durchaus Marktentwicklungen erkennbar, die in Richtung einer Stärkung der Marktdisziplin im Bereich von Hedgefonds wirken. Ich denke beispielsweise an die zunehmende Bedeutung institutioneller Investoren, die sicherlich einen höheren Druck zu mehr Transparenz entfalten und zugleich auf weniger Risiko in der Anlagepolitik drängen.“, so Meister.

Edgar Meister weist darauf hin, dass seiner Meinung nach eine staatliche Regulierung und Aufsicht von Hedgefonds international derzeit nicht konsensfähig wäre. Nicht zuletzt, weil die Wirkungen von Hedgefonds auf die Finanzmärkte und die resultierenden systemischen Risiken zum Teil sehr unterschiedlich eingeschätzt werden. Hedgefonds würden sich bei Einführung von Regulierungsmaßnahmen verstärkt in solchen Jurisdiktionen niederlassen, in denen kein oder nur ein weniger strenges Aufsichtsregime existiert. In der Konsequenz würden die Verwaltungssitze – und damit der Hebel für aufsichtliche Maßnahmen – verlagert; die Risiken verbleiben aber im Finanzsystem.

Intransparenz als Teil der Geschäftsgrundlage

„Transparenz und Marktdisziplin oder gar Risiko-Reporting sind natürlich für Hedgefonds schwierige Themen.“, so Meister in seinem Vortrag. Ein gewisses Maß an Intransparenz stellt wohl eine Art Geschäftsgrundlage für diese Fonds dar. Meister wies darauf hin, dass bei allen Überlegungen über mehr Transparenz bzw. sogar weiter gehenden Forderungen nach Regulierungen dies zu berücksichtigen ist, damit die oben erwähnten positiven Wirkungen auf die Finanzmärkte möglichst erhalten bleiben.
Große, systemrelevante Hedgefonds profitieren in erheblichem Maße von der Stabilität und Funktionsfähigkeit der Finanzmärkte. „Deshalb haben sie auch ein gewisses Eigeninteresse an und eine Mitverantwortung für das Funktionieren der Märkte.“ so Meister weiter. Hedgefonds sollten sich freiwillig von anerkannten Ratingagenturen beurteilen lassen. Ratingagenturen sind im heutigen Finanzsystem ein unerlässlicher Informationsintermediär zwischen den einzelnen Marktteilnehmern. Das Informationsangebot umfasst bereits Ratings von Schuldverschreibungen unterschiedlicher Emittenten, von Verbriefungstransaktionen und von Investmentfonds. „Die Ausweitung des Angebots der Ratingagenturen auf Hedgefonds stellt folglich einen natürlichen Entwicklungsschritt dar. Dabei können die Finanzmärkte auf die nachgewiesene Expertise der Ratingagenturen zurückgreifen. Die großen Ratingagenturen entwickeln derzeit Ansätze für spezifische Hedgefonds-Ratings.“

Freiwillige Hedgefonds-Ratings zur Stärkung der Finanzstabilität

Nach der Meinung des Bundesbank-Vorstands sollte das Rating ein erweitertes Kredit-Rating darstellen, das im Vergleich zu den bereits existierenden Ratings einige zusätzliche – unter Stabilitätsgesichtsaspekten besonders relevante – Kriterien berücksichtigen könnte. Vorstellbar wären etwa die Investitionsstrategie des Fonds, seine Finanzierungsstruktur, die Risikostruktur bzw. -diversifikation, die Qualität des Risikomanagements und der internen Kontrollen, die Steuerung operationeller Risiken sowie Corporate Governance-Gesichtspunkte. In diesem Kontext wies Meister auch darauf hin, dass häufig kritisiert wird, dass ein externes Rating von Hedgefonds zwar eine Beurteilung der internen Kontrollen, des Risikomanagements und der Methodik des Fonds ermöglicht, jedoch keine Aussage über die aktuelle Risikoposition und das Verlustpotenzial des Hedgefonds zulässt. Trotz dieser Einschränkungen ist Meister davon überzeugt, dass die Einführung freiwilliger externer Ratings als „best practice“ für Hedgefonds einen Beitrag zur Stärkung der Finanzstabilität bzw. zur Milderung systemischer Risiken liefern kann.

Das Rating großer Hedgefonds kann, insbesondere wenn die Risikopolitik, die Risikomanagementsysteme und die internen Kontrollen mit abgedeckt sind, dazu beitragen, manche operationelle oder sonstige Schwächen frühzeitig zu erkennen. „Auch wenn es letztlich keinen Beweis hierfür gibt, wäre es wahrscheinlich gewesen, dass die Mängel im Risikocontrolling und die erhöhte Risikokonzentration – wie sie für die vor wenigen Monaten aufgetretenen Verluste bei dem Hedgefonds Amaranth Advisors ursächlich waren – durch ein externes Rating einige Zeit vor den Problemen offensichtlich geworden wären.“, so Meister.


[Text basiert auf einer Rede von Dr. h. c. Edgar Meister, Mitglied des Vorstands der Deutschen Bundesbank, bei der Sitzung des Beirates für Finanzen, Steuern, Geld und Kredit der Gesellschaft zum Studium strukturpolitischer Fragen in Berlin, Deutscher Bundestag am 14. Dezember 2006]

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