Banken-Bashing versus leistungsfähige Finanzindustrie

Banken: Der übergewichtige Patient?


Banken: Der übergewichtige Patient? Kolumne

Die makroprudenzielle Risikosteuerung in Europa entwächst so langsam den Kinderschuhen und gewinnt an Einfluss. Beleg hierfür ist der aktuelle Report des "Advisory Scientific Committee" (ASC) des European Systemic Risk Board zum Thema "Is Europe overbanked?". Auf Vorschlag des Bundesfinanzministers Wolfgang Schäuble wurde der Report von Claudia Buch, der neuen Vizepräsidentin der Deutschen Bundesbank, sowie Martin Hellwig, einem der forschungsstärksten deutschen Volkswirte, der bis 2004 Vorsitzender der deutschen Monopolkommission war, verfasst. Dies unterstreicht, woher der Wind weht.

Der ASC gibt schnell selbst die Antwort auf die von ihm aufgeworfene Frage und begründet diese im Wesentlichen anhand von Kennzahlenvergleichen des Ratio Bank Assets zu GDP (zwischen Europa und den USA sowie im Zeitverlauf). Nach Einschätzung des ASC ist das Banken-System in Europa von absoluter Größe, Wachstum, Konzentration und Verschuldungsgrad inzwischen ein stark übergewichtiger Patient mit erheblichen Gesundheitsproblemen. Nahezu ausschließlich ursächlich für diesen Besorgnis erregenden Zustand ist das Wachstum der 20 größten europäischen Banken seit 1996 (aus Deutschland gehören zu dieser Gruppe die Deutsche Bank und die Commerzbank), wodurch sich der Bank Asset/GDP-Ratio aller Banken in Europa bis heute nahezu verdoppelt hat und heute deutlich größer als die US-Vergleichsziffer ist. Parallel hat sich das Leverage Ratio der 20 größten Europäischen Banken im Median von sechs Prozent auf drei Prozent halbiert. Die Folgen für die EU werden als dramatisch eingestuft:

  • Ein schwankungsauffälliges schwächeres Wachstum des Sozialprodukts,
  • Eine überzogene Risikobereitschaft der Banken,
  • Finanzkrisen und
  • Eine Fehl-Allokation von Finanz- und Humankapital zu Gunsten der Banken.

Als Ursache dieser Übergewichtigkeit des Banksektors in Europa sieht man im wesentlichen zwei Gründe an: Erstens haben die Einzelstaaten versucht, nationale Champions zu schaffen und zweitens waren die nationalen Bankenaufsichten und die Corporate Governance zu schwach und haben dem moralischen Risiko ("moral hazard") Vorschub geleistet. Immerhin sieht man in den fünf eingeleiteten Maßnahmen zur Schaffung einer Bankenunion einen Schritt in die richtige Richtung:

  1. Das ab 1. Januar 2014 rechtskräftige Single Rule Book (CRR und CRD IV),
  2. Den ab 4. November 2014 wirksamen Single Supervisory Mechanism durch die EZB,
  3. Der ab 1. Januar 2016 wirksamen Bank Recovery and Resolution Directive (BRRD),
  4. Dem Single Resolution Fund, der allerdings erst im Jahr 2023 sein Zielvolumen von 55. Mrd. Euro erreichen. Von vielen Experten wird das Volumen als zu gering eingestuft wird und 
  5. Die Trennung von den Kredit- von den Wertpapier- und Derivathandelsaktivitäten der Banken basierend auf dem Liikanen-Report vom Oktober 2012.

Aber das reicht alles nicht aus. Weitere strukturelle Reformen müssen auf Vorschlag des ASC für das EU-Bankensystem auf den Weg gebracht werden: 

  • Die steuerliche Bevorzugung der Absetzbarkeit von Zinsen gegenüber Kapitaleinkünften ist zu beseitigen, da hierdurch überall der Leverage gefördert wird, 
  • Die Stellung der EU-Monopolkommission im Rahmen der Anti-Trust-Politik ist zu stärken, um der Konzentration im Europäischen Bankensystem entgegen zu wirken,
  • Die Instrumente zur Stärkung der Kapitalbasis, beispielsweise der "additional capital buffer" für Sifis (Systemically important financial institutions), der "countercyclical capital buffer" und die Leverage Ratios sollten konsequent genutzt werden,
  • Die Kreditversorgung der Realwirtschaft und hier insbesondere der SMEs und MidCaps  sollte durch NBFI gestärkt werden (beispielsweise durch Mini-Bonds und Securitization),
  • Durch  strukturelle Reformen ist die Größe der Banken und deren Risikobereitschaft zu begrenzen (beispielsweise durch Absenkung von Großkreditgrenzen für Finanzpartner). 

Keine Frage, die großen Europäischen Banken werden sich in den nächsten Jahren noch auf einige Belastungsproben durch die EBA und die EZB-Bankenaufsicht einzustellen haben. Freude dürfte dagegen der ASC-Report bei den Repräsentanten kleinerer Banken wie den deutschen Sparkassen und Volksbanken auslösen. Im Grundtenor liegt der ASC wohl richtig, aber nicht alle Analysen und Vorschläge teile ich.

Nicht vergessen sollte man zudem, dass die "Bank Asset to GDP-Ratio" am Finanzplatz London deutlich größer ist als in der Eurozone, die einen starken Finanzplatz Frankfurt benötigt. Zudem sollten wir in der EU insgesamt aufpassen, dass wir nicht auf den Weltfinanzmärkten gegenüber den US-Banken ins Hintertreffen geraten. Im Kampf um ausländische Direktinvestition sind die USA inzwischen wieder weltweit führend, noch vor China und weit vor Europa. Zudem benötigt die europäische Exportwirtschaft starke auf den internationalen Handel ausgerichtete Europäische Großbanken. Und bitte nicht vergessen: Die Mehrzahl der Finanzkrisen der vergangenen 40 Jahre, die die Weltwirtschaft tangierten, gingen von den USA aus. Und in den USA ist es um die Risikotransparenz der großen Player unverändert schlecht bestellt (siehe Beitrag "Risk transparency of large banks in the U.S. and Europe" im FIRM Jahrbuch 2014).

Ich hoffe, dass die Mitarbeiter der großen Europäischen Banken in den nächsten Jahren noch genug Zeit finden, sich um die Bedürfnisse ihrer Kunden zu kümmern und nicht nur von regulatorischen Veränderungen getrieben werden. Ansonsten müssten wir uns wirklich Sorgen um Wachstumsverluste in Europa machen. Politisch sollte es wieder einen engeren Meinungsaustausch zwischen der Politik und der Industrie um "best practice" geben. Und: Das "Banken-Bashing" sollte endlich aufhören. Denn ohne eine starke und leistungsfähige Finanzindustrie in Europa werden die Wachstumsverluste immens sein.

[ Bildquelle Titelbild: © Frank Wagner - Fotolia.com ]

Kommentare zu diesem Beitrag

RiskNET Redaktion /28.07.2014 09:03
+++ Europolis erhebt Verfassungsklage gegen Bankenunion +++

Die Europolis-Gruppe hat gegen die geplante Bankenunion in der Eurozone Verfassungsbeschwerde in Karlsruhe eingereicht. Markus Kerber, Professor für öffentliche Finanzwirtschaft und Wirtschaftspolitik an der Technischen Universität Berlin und Gründer des Thinktank Europolis, sieht nach eigener Aussage keine Rechtsgrundlage in den europäischen Verträgen für eine Bankenunion. Sobald die Verordnung zur Schaffung eines Bankenabwicklungsmechanismus und eines Bankenabwicklungsfonds in Kraft getreten seien, werde die Verfassungsbeschwerde entsprechend erweitert. Der Beginn der Bankenunion unter Aufsicht der EZB ist für diesen Herbst geplant.
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