Auf dem Weg zum 'wahren' Risikoprofil der Versicherer


Auf der jüngsten Solvency-II-Konferenz der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) hat Präsident Jochen Sanio (Bild) auf die Wettbewerbsvorteile von internen Risikomodellen hingewiesen. Sanio wies darauf hin, dass Risikosteuerung nur dann effizient funktionieren kann, wenn die internen Modelle auch zur Unternehmenssteuerung verwendet werden. Die Versicherer, die ein internes Modell einsetzen, können ihr Unternehmen risikoadäquater steuern. "Der Versicherer, der ein internes Modell einsetzt, verfügt über aktuellere und detailliertere Informationen und kann sein Unternehmen risikoadäquater steuern. Wir Aufseher erhalten einen vertieften Einblick in die relevanten Risikodaten und die Managementregelkreise und können unsere Aufsicht besser auf die Gesamtrisikosituation des Unternehmens einstellen", so Sanio.

Der BaFin-Präsident wies darauf hin, dass für Versicherer weitere Vorteile bei der Anwendung interner Modelle resultieren. So können die internen Modelle beispielsweise im Ratingprozess einen evidenten Wettbewerbsvorteil darstellen. Intransparenz – etwa in der Folge der Anwendung von Standardmodellen – ‚bestrafen’ die Ratingsagenturen mit einem tendenziell schlechteren Rating. Mit einem internen Risikomodell kommt man dem ‚wahren’ Risikoprofil eines Unternehmens sehr nahe.

 

Risikoorientierte Aufsicht in der Folge von Solvency II

Sanio wies auf die Strategie der zukünftigen risikoorientierten Aufsicht hin. Ein wesentlicher Kern der neuen Aufsicht ist die Dialogbereitschaft der BaFin. "Wir nehmen den Dialog mit Ihnen sehr wichtig. Nicht, weil wir zur Geschwätzigkeit neigen. Der Grund ist ein anderer. Immer wider fragen Sie uns, was wir tun, um unsere Aufgaben zu erfüllen, wie wir uns für die Zukunft rüsten", so Sanio. Um die Aufsicht neu auszurichten, hat die BaFin eine Reihe von Strategien festgelegt. "Eine dieser Strategien, Strategie Nummer 1, besteht darin, dialogbereit zu sein", so der BaFin-Präsident weiter. In diesem Kontext ist es dem Aufseher wichtig zu erfahren, welche Erwartungen die Versicherer an das hoheitliche Handeln der BaFin stellen und welche Interessen die Assekuranz hat. Im Umkehrschluss ist es für die Versicherungswirtschaft wichtig zu erfahren, welche Interessen die BaFin verfolgt. "Beide Seiten haben ähnliche Informationsbedürfnisse – und die lassen sich nur im intensiven Dialog befriedigen.

 

Dialogbereitschaft ist nur ein Teil der Übung

Zum zweiten hat sich die BaFin eine hohe Servicequalität auf die Fahnen geschrieben. "Für die BaFin sind die Versicherer Kunden und Partner", so Jochen Sanio. "Wir wollen die Unternehmen, die wir beaufsichtigen, nicht von oben herab als ‚Aufsichtsobjekte’ betrachten." In diesem Zusammenhang wies der BaFin-Präsident auch darauf hin, dass man zukünftig die Versicherer in die Pflicht nehmen werde und die Mitwirkung in Fragen der laufenden Aufsicht und der Rechtsentwicklung einfordern werde. "Wir wollen Ihnen Solvency II schmackhaft machen – denn es handelt sich nicht um leichte Kost!" so Jochen Sanio.

 

Deutsche Versicherer sind gut auf Solvency II vorbereitet

Versicherungsaufseher Thomas Steffen (Bild) und BaFin-Präsident Sanio sind davon überzeugt, dass die deutschen Versicherer gut auf Solvency II vorbereitet sind. Einschränkend wies Sanio aber darauf hin, dass erst die zukünftigen Prüfungen aufzeigen werden, ob sich diese Einschätzung auch tatsächlich bewahrheitet. An der zweiten Auswirkungsstudie (QIS 2) hatten sich 159 deutsche Versicherer beteiligt. Umgerechnet sind das 30 Prozent aller Teilnehmer. "Kein Land hat so viel auf die Beine gestellt", so Sanio.

 

Solvency II dient nicht der Marktbereinigung

Karsten Friedrich Hoppenstedt (Bild), Mitglied des Europäischen Parlaments und Berichterstatter der EVP-ED-Fraktion zu Solvency II wies darauf hin, dass Solvency II nicht zu einem Instrument zur Marktbereinigung werden darf. In diesem Zusammenhang wies auch Jochen Sanio darauf hin, dass Solvency II nicht dazu führen darf, dass ein Versicherer ausschließlich aufgrund seiner Größe aus dem Markt gedrängt würde. Daher wird der Richtlinienentwurf für Solvency II – der im Juli veröffentlich wird – eine Ausnahmeregelung vorsehen. Erst ab einer Grenze von fünf Millionen Bruttobeitragseinnahmen sollen die neuen Regelungen von Solvency II gelten, und zwar sowohl für Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit als auch für Aktiengesellschaften.

Zur dritten Auswirkungsstudie (QIS 3) haben sich 217 Unternehmen angemeldet, 86 davon sind kleine Versicherer. "Von 159 bei QIS 2 auf 217 bei QIS 3 – das ist eine Steigerung von 37 Prozent", so der Aufseher. Für Sanio ist dies ein deutliches Zeichen dafür, dass sich in Deutschland Aufsicht und Versicherungswirtschaft mit großem Engagement dem Projekt Solvency II widmen. Er wies darauf hin, dass eines schon jetzt sicher ist: Solvency II wird weder die Assekuranz noch die Aufseher unvorbereitet treffen.

 

Klare Regelungen für Solo- und Gruppenaufsicht

Jochen Sanio trat auf der Solvency-II-Konferenz für eine klare Regelung von Solo- und Gruppenaufsicht ein: "Für besonders wichtig halte ich, dass der Gruppenaufseher bei internen Modellen ein Letztentscheidungsrecht bekommen soll." Im europäischen Kontext ist das Thema Solo- und Gruppenaufsicht zur Zeit stark umstritten. So verfolgt EU-Binnenkommissar Charlie McGreevy das Ziel eines "Lead Supervisors", um mit einer grenzüberschreitenden Aufsicht überflüssige Bürokratie abzubauen. Demnach soll die Aufsichtsbehörde eines Landes, in dem ein Konzern seinen Hauptsitz hat, für Zweigstellen und selbständige Töchter in anderen EU-Mitgliedsländern zuständig sein. Die Regulatoren in den "Gastländern" des Konzerns werden dann zukünftig nur noch eine untergeordnete Rolle spielen.

Sanio wies in seinem Vortrag darauf hin, dass Gruppen mitunter sehr komplex sind und in der Praxis unterschiedliche Arten von Risikomodellen anzutreffen sind. Es reicht daher nicht aus, die Diversifikationseffekte aus Säule 1 anzuerkennen. Es ist vielmehr wichtig, dass die Unternehmen auch ihr Risikomanagement komplex und anspruchsvoll gestalten. Diese eher qualitative Dimension des Risikomanagements wird in der zweiten Säule von Solvency II geregelt. "Avancierte Risikomessung muss zugleich die quantitative Grundlage des unternehmensinternen Risikomanagements sein, das unter qualitativen Gesichtspunkten im Fokus der Säule 2 steht. Risikosteuerung kann nur dann effizient sein und richtig greifen, wenn die Rechenmaschine, die wir Aufseher für Säule 1 anerkannt haben, methodisch auch der unternehmensinternen Steuerung zugrunde liegt, die wiederum für die Säule 2 maßgeblich ist."

[Bildquellen: BaFin, Europäisches Parlament]

 

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