Wie AI Risikomanagern hilft, die Milliardenwelle zu stoppen

850 Milliarden Euro Schäden durch Scam


Wie AI Risikomanagern hilft, die Milliardenwelle zu stoppen Studie

Das Jahr 2024 markierte einen historischen Wendepunkt: Weltweite Betrugsschäden überschritten erstmals die Schwelle von mehr als eine Billionen US-Dollar ( 850 Milliarden Euro) – eine Summe, die größer ist als das Bruttoinlandsprodukt vieler Industrienationen. Diese alarmierende Zahl stammt aus Daten der Global Anti-Scam Alliance (GASA), die in der aktuellen Analyse "AI-Powered Solutions for a Trillion-Dollar Problem" ausgewertet wurden, die jüngst von dem Datenanalyse-Anbieter SAS veröffentlich wurde. Zugleich zeigt sie eine alarmierende Realität: Fast die Hälfte aller Verbraucher wird mindestens einmal pro Woche mit einem Betrugsversuch konfrontiert, und nur rund vier Prozent der Opfer bekommen ihr Geld vollständig zurück.

Für Risikomanager in Finanzinstituten bedeutet dies weit mehr als nur eine statistische Größe: Es ist ein wichtiger Weckruf, dass traditionelle Betrugsabwehr auf dem Niveau vergangener Jahrzehnte versagt – und der Schaden exponentiell wächst. Die Konsequenzen reichen von direkten finanziellen Verlusten über Reputationsschäden bis hin zu regulatorischen Risiken und Kundenvertrauensverlusten.

Warum herkömmliche Anti-Fraud-Systeme nicht mehr genügen

Der Kern des Problems liegt in der wachsenden Diskrepanz zwischen Betrugsaktivitäten und deren Erkennung. Viele Banken und Finanzdienstleister nutzen noch regelbasierte Systeme, die lediglich bekannte Muster identifizieren. Diese Architektur war einst effektiv gegen einfache, wiederkehrende Betrugsversuche, doch sie kann nicht Schritt halten mit der Vielfalt, Geschwindigkeit und Anpassungsfähigkeit moderner Scam-Techniken.

Die typischen Schwachstellen im klassischen Fraud-Risk-Setup sind u.a.

  • Fragmentierte Risikodaten: Daten und Signale sind über verschiedene Silos verteilt – ohne eine einheitliche Sicht auf Kundenaktivitäten bleiben Muster unentdeckt.
  • Outdated Rule Engines: Klassische Regeln und Grenzwerte erkennen nur bekannte Bedrohungsmuster und sind blind für zunehmend intelligente und personalisierte Attacken.
  • Eskalation durch Social Engineering: Viele moderne Scams zielen nicht auf Systemschwachstellen, sondern auf den Menschen – indem Kunden manipuliert werden, selbst die betrügerische Transaktion zu initiieren. Diese psychologisch getriebenen Risiken entziehen sich einfacher regelbasierter Erkennung.

In Summe entsteht so ein wachsames, aber ineffizientes Netz, das Betrüger zu umgehen wissen. Für Risikomanager ist klar: Das Problem ist nicht allein technologisch, sondern strukturell.

AI als zweischneidiges Schwert: Bedrohung und Chance zugleich

Artificial Intelligence (AI) ist heute kein Zukunftsszenario mehr, sondern Teil des Alltagskriminalitätsszenarios. Betrüger nutzen AI, um hyperpersonalisierte Phishing-Kampagnen zu erstellen, synthetische Identitäten zu generieren, täuschend echte Social-Engineering-Attacken zu inszenieren und sogar Deepfakes zur Täuschung einzusetzen.

Doch AI ist nicht nur Teil des Problems – sie ist auch ein entscheidender Teil der Lösung. Während traditionelle Systeme an ihren Grenzen stoßen, ermöglicht AI:

  • Echtzeit-Analyse riesiger Datenströme: Transaktionen, Verhalten, Netzwerkdaten, Kommunikationsmuster und mehr AI kann Anomalien erkennen, bevor Schaden entsteht.
  • Verhaltensbasierte Modelle: Statt starre Regeln, erlernt die AI, was "normal" ist und erkennt Abweichungen, die menschliche Systeme übersehen würden.
  • Adaptive Systeme: Machine-Learning-Modelle passen sich neuen Angriffsmustern automatisch an, ohne manuelles Regel-Tuning.

Diese Möglichkeiten beschreibt auch der SAS-Whitepaper-Report "AI-Powered Solutions for a Trillion-Dollar Problem" als entscheidend für moderne Betrugsabwehr.

Fünf kritische Schwachstellen, die Risikomanager adressieren müssen

Der SAS-Report hebt fünf Bereiche hervor, in denen Banken derzeit besonders verwundbar sind:

  • Datenfragmentierung: Kein einheitlicher Blick auf Risiko-Signale über Kanäle und Produkte hinweg.
  • Legacy-Technologien: Alte Systeme werden von neuen Scam-Typen überlistet.
  • Statische Regeln: Kein Lernen und Anpassen bei neuen Angriffspattern.
  • Mangel an Echtzeit-Reaktionen: Verzögerungen in der Betrugserkennung kosten Geld und Vertrauen.
  • Unzureichende Verhaltensanalyse: Fehlende Integration von Benutzer- und Netzwerkverhalten in die Risiko-Bewertung.

Diese Punkte sind nicht nur technischer Natur, sondern erfordern neue Prozesse, Datenstrategien und organisatorische Bereitschaft zur Innovation.

Strategischer Einsatz von Artificial Intelligence im Fraud-Risk-Management

Wie können Risikomanager nun konkret reagieren? Die Antwort liegt in einer strategisch ausgerichteten, AI-gestützten Anti-Fraud-Architektur, die Folgendes umfasst:

  • Einheitliche Daten- und Risikoaggregation: Der erste Schritt besteht darin, Daten aus allen relevanten Quellen zu vereinheitlichen – von Kundenverhalten über Transaktionshistorien bis hin zu Authentifizierungs- und Kommunikationsdaten. Nur so kann AI verlässliche Muster erkennen und tiefere Einblicke gewinnen.
  • Hybrid-Modelle statt starrer Regeln: Moderne Systeme kombinieren regelbasierte Filter mit AI-basierten Modellen, die kontinuierlich lernen und in der Lage sind, bislang unbekannte Angriffsmuster zu identifizieren. Dies schließt Supervised Learning, Anomaly Detection und Deep Learning ein, je nach Anwendungsfall.
  • Echtzeit-Überwachung und Handlung: Angesichts der Geschwindigkeit, mit der Scams ablaufen, ist jede Verzögerung kritisch. AI-Systeme müssen in der Lage sein, in Echtzeit zu reagieren – Transaktionen zu blockieren, Alerts auszulösen oder Kunden sofort zu warnen. Dies kann proaktiv Millionenbeträge schützen.
  • Explainable AI (XAI) und Governance: Vertrauen und Nachvollziehbarkeit sind Schlüssel für regulatorische Akzeptanz und interne Compliance. Systeme müssen erklären können, warum sie bestimmte Aktivitäten als verdächtig eingestuft haben. Dies ist ein oft unterschätzter Aspekt moderner AI-Plattformen.
  • AI-basierte Entscheidungsunterstützung: AI ersetzt nicht den Menschen – vielmehr befähigt sie den Experten. Gerade bei komplexen, psychologisch motivierten Scam-Attacken bleibt die menschliche Urteilsfähigkeit unverzichtbar. AI kann Muster vorschlagen, aber Risikomanager treffen die Entscheidung.

Organisatorische und kulturelle Voraussetzungen

Technologie allein reicht nicht. Für ein zukunftsfähiges Anti-Fraud-Programm müssen Risikomanager auch:

  • Daten- und Analysekompetenzen ausbauen: Teams brauchen Skills in Datenwissenschaft, Machine Learning und Risikoanalyse.
  • Kollaboration fördern: Informations- und Signal-Sharing zwischen Abteilungen und mit externen Partnern (z B. Behörden, andere Banken) ist Pflicht.
  • Kontinuierliche Adaptation etablieren: Betrugsmuster ändern sich schnell – ebenso müssen Modelle und Strategien permanent weiterentwickelt werden.
  • Investitionen in Plattformen und Prozesse: Modernes Fraud Risk Management erfordert robuste Analytics-Plattformen, flexible Cloud-Infrastruktur und Governance-Frameworks.

Fazit: Vom reaktiven Verteidiger zum proaktiven Risiko-Navigator

Die Botschaft an Risikomanager ist eindeutig: Betrug ist keine Randerscheinung mehr, sondern ein strategisches Risiko mit volkswirtschaftlicher Dimension. Die klassische, regelbasierte Fraud-Abwehr ist zu langsam, zu fragmentiert und zu blind für die ausgeklügelten Scams von heute.

Die Lösung besteht in einer integrierten, AI-gestützten Fraud-Risk-Architektur, die Daten intelligent verknüpft, in Echtzeit reagiert, adaptive Modelle nutzt und Menschen sowie Maschine sinnvoll kombiniert. Nur so lassen sich die steigenden Schäden eindämmen und das Vertrauen von Kunden, Regulatoren und Märkten wiederherstellen.

Für Risikomanager heißt es daher: Modernisieren, nicht reparieren. Vorausschauend denken, nicht nur reagieren. Ganzheitlich verteidigen, nicht in Silos handeln. Denn der Unterschied zwischen einem bloßen Verlustfall und nachhaltiger Sicherheit liegt in der Fähigkeit, Betrug intelligent zu antizipieren und zu stoppen, bevor er zuschlägt.

 

[ Bildquelle Titelbild: Generiert mit AI ]
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