Machine Learning

Risikofrüherkennung von Gewerbe- und Firmenkundenkrediten


Machine Learning: Risikofrüherkennung von Gewerbe- und Firmenkundenkrediten Comment

Künstliche Intelligenz nimmt im Bankenumfeld eine zunehmend wichtige Rolle ein. Richtig eingesetzt, kann Kollege Computer als digitales Frühwarnsystem arbeiten und Alarmsignale erkennen, lange bevor dies mit klassischen Methoden möglich ist. Der Vorteil: Banken und Kreditnehmer gewinnen genügend Zeit, um rechtzeitig gegenzusteuern.

Gegen den Blindflug im Risikomanagement empfiehlt sich der Einsatz von Machine Learning. Denn mit Hilfe der selbstlernenden Systeme können Risiken früher und eindeutiger identifiziert werden. Vor allem in Anbetracht des immer umfangreicheren Zahlenmaterials, das zur Verfügung steht, ist eine KI-basierte Analyse optimal. Seit Jahren schon nimmt die Komplexität verschiedener mathematischer Risikomodelle zu und Banken müssen bei der Berechnung von Ausfallrisiken auch politische, gesellschaftliche, ökonomische und kulturelle Variablen beachten. Aber ohne das richtige Werkzeug resultiert diese Vielfalt an Informationen eher in Verwirrung – in der Folge werden fehlerhafte oder verwässerte Ergebnisse erzielt.

Machine Learning ist hier im Vorteil, weil der Computer präziser und schneller als der Mensch arbeitet – vor allem aber können sämtliche vorliegenden Informationen zeitgleich ausgewertet werden. Kurz: Je umfangreicher, besser und vollständiger das Datenmaterial, desto genauer die Ergebnisse. Ein weiterer Vorteil ist, dass der Computer selbstständig lernt, ohne dass man dafür Programmcodes verändern oder Regeln konfigurieren müsste. Mit zunehmender Erfahrung erfüllt die Maschine ihre Aufgabe also mit immer besserer Performance und Prognosesicherheit.

Antizipieren statt reagieren

In der klassischen, manuellen Risikoanalyse werden Unternehmen turnusmäßig untersucht oder in Reaktion auf besondere Ereignisse einer Prüfung unterzogen. Die Bank reagiert dann entsprechend der ermittelten Ergebnisse und Prognosen. Beim Einsatz der Künstlichen Intelligenz hingegen läuft im Hintergrund dauerhaft ein fortlaufender Prozess, bei dem nicht allein das Unternehmen, sondern der gesamte Markt unter Beobachtung steht - es muss also nicht erst ein Event eintreten, damit geprüft wird. Schlagen die Risikosensoren der KI an, wird das Unternehmen dann in einem manuellen Prozess genauer untersucht. Der Vorteil: Banken können den Personaleinsatz in der Risikoanalyse effizienter gestalten. Gleichzeitig antizipieren sie Risiken vorher und können handeln, bevor der Kunde in eine Ergebnis- oder Liquiditätskrise gerät.

Abb. 01: Idealtypischer Krisenverlauf 

Abb. 01: Idealtypischer Krisenverlauf

Bei ihrer Beurteilung geht die KI weit über die Methoden der bisher gebräuchlichen Risiko- und Finanzanalyse hinaus. Natürlich behalten die bekannten Datensätze und Werkzeuge eine hohe Priorität. Zusätzlich werden aber auch alternative Informationsquellen einbezogen. Die Möglichkeiten sind schier grenzenlos und können sogar Text- und Bilddateien aus Tageszeitungen einschließen. Zusätzlich sind auch kundenspezifische Datensätze in der Auswertung enthalten, die sonst nicht in der Bilanz zu finden sind: Im Einzelhandel beispielsweise kann dies Zuliefer- und Abnehmerstrukturen, Personalfluktuationen oder Zahlen zur Parkplatznutzung einschließen. Und aus Ratings können neben quantitativen auch qualitative Informationen aufgenommen werden, beispielsweise im Zuge der Nachfolgeregelung bei Familienunternehmen.  

Vor der Analyse kommt das Anlernen

Bevor der Rechner die Analyse-Aufgaben übernehmen kann, muss er jedoch erst "angelernt" werden. Dazu wird im ersten Schritt ein Test-Set mit umfangreichen Probe-Daten aufgestellt. Auf dieser Basis lernt der Algorithmus, die Daten richtig zu verarbeiten und eine Auswertung aufzubauen. Schon bei der Aufbereitung der Daten muss darauf geachtet werden, dass sie für den Computer eindeutig einzuordnen sind. Denn je besser der Input, desto prognosesicherer der Output.

Die Zeit ist reif

Zumindest in Deutschland steht Machine Learning im Bereich der Risikoanalyse noch ganz am Anfang. Angelsächsische Banken zeigen sich da offensiver und testen bereits eigene Systeme. Die Zurückhaltung auf dem heimischen Markt erklärt sich zum Teil auch daraus, dass die hochgesteckten Erwartungen, die das Thema KI vor zehn Jahren begleitet haben, insgesamt nicht erfüllt werden konnten. Aber dank gewaltiger Fortschritte in Soft- und Hardware und einem insgesamt gewachsenen Verständnis für diese Technologie ist die Zeit jetzt reif für eine KI-gestützte Analyse. Die Vorteile für Kunden und Banken sind enorm, gleichzeitig ist der Aufwand überschaubar – auch weil sich die Verfügbarkeit und Fülle der Daten in den vergangenen Jahren stark verbessert hat. Was für Menschen unübersichtlich ist, liefert für selbstlernende Systeme ideale Bedingungen: Viel Stoff zum Lernen und Erkennen von Mustern.

Im Portfoliomanagement wird Machine Learning vor allem bei der Selektion und Allokation für kurzfristige Kursprognosen bereits flächendeckend eingesetzt. Ausgerechnet das Kreditgeschäft wird noch stiefmütterlich behandelt, dabei ist dieser Bereich für KI-Anwendungen besser geeignet, weil eine sehr hohe Prognosegenauigkeit erreicht werden kann – zumindest besser als im Portfoliomanagement, wo viele Inputfaktoren die Kurse bewegen. Gerade in Anbetracht einer drohenden Konjunkturwende und möglicherweise steigenden Kreditausfällen lohnt sich jetzt eine Implementierung innovativer und zukunftsweisender Methoden der Risikoanalyse.

Autoren:

Denny Rommel ist Expert Consultant bei Cofinpro. Seit mehr als 15 Jahren ist er im Finanzmarktumfeld vorwiegend in den Bereichen Banking und Asset Management unterwegs. Innerhalb der Cofinpro arbeitet er in den Themenbereichen KI und Asset Management.

Alexander Christau ist Manager bei Cofinpro. Er kann auf mehr als 17 Jahren Berufserfahrung in der Bankenbranche mit Fokus auf das Kreditgeschäft für Geschäfts- und Firmenkunden zurückgreifen. Als Berater begleitet er bei Cofinpro führende Finanzdienstleister im Rahmen von Projekten mit Schwerpunkt Kredit.

[ Source of cover photo: Adobe Stock | Abb. 01 sowie Autorenportraits: Autoren ]
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