Die Weltwirtschaft steht im Sommer 2025 unter einem enormen Spannungsbogen. Während viele Länder versuchen, sich von den wirtschaftlichen und sozialen Nachwirkungen der COVID-19-Pandemie zu erholen, wirken geopolitische Konflikte, strukturelle Schwächen und neue protektionistische Maßnahmen als massive Bremsklötze. Im Zentrum der Aufmerksamkeit stehen insbesondere die wirtschaftspolitischen Umbrüche in den USA, die Strukturprobleme Deutschlands sowie die Strategien zur fiskalischen Neuausrichtung innerhalb der Eurozone. Die folgende Analyse basiert auf der neuesten Ausgabe der Creditreform Economic Briefs vom 23. Juli 2025 sowie einer Reihe begleitender Statistiken und Prognosen.
Arbeitsmarkt Deutschland: Abschwung auf Raten
Der deutsche Arbeitsmarkt war in den vergangenen Jahren ein Stabilitätsanker – doch nun zeigen sich Risse. Die Arbeitslosenquote ist nach einem Tiefstand von rund 3 Prozent im Jahr 2022 wieder auf 3,7 Prozent (Mai 2025) gestiegen. Parallel dazu ist die Zahl der gemeldeten offenen Stellen seit ihrem Hoch im Jahr 2022 deutlich gesunken. Das stellt nicht nur ein Konjunktursignal und einen Frühwarnindikator dar, sondern deutet auch auf strukturelle Engpässe hin: Fachkräftemangel, digitale Transformationsprobleme und Investitionszurückhaltung bremsen das Matching von Angebot und Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt.
Abb. 01: Arbeitslosenquote und gemeldete Stellenangebote in Deutschland (2019–2025) [Quelle: Eurostat, Creditreform Rating]
Trotzdem ist von einer massiven Entlassungswelle keine Rede. Die Kurzarbeit bleibt ein wirksames Instrument zur Arbeitsplatzsicherung, und die stabile Entwicklung im Dienstleistungssektor federt die Probleme in der Industrie teilweise ab. Gleichzeitig verläuft die Entwicklung der Reallöhne ambivalent. Zwar steigen die nominalen Einkommen moderat, doch inflationsbereinigt bleibt die Kaufkraft auf Vorkrisenniveau. Immerhin: Die Tarifergebnisse im ersten Halbjahr 2025 dürften angesichts der abklingenden Inflation Spielraum für Reallohnzuwächse schaffen.
Trump-Zölle: Handelskrieg mit historischen Dimensionen
Mit der Einführung der sogenannten "Reziprozitätszölle" durch die US-Regierung unter Donald Trump hat sich das globale Handelssystem dramatisch verändert. Die durchschnittlichen US-Einfuhrzölle liegen mit knapp 15 Prozent so hoch wie zuletzt in den 1930er Jahren. Besonders betroffen sind Automobilimporte aus Europa (25 Prozent), Elektronik aus Ostasien sowie Lebensmittel aus Lateinamerika. In der Folge sehen sich viele Unternehmen gezwungen, Lieferketten neu zu strukturieren oder gar in den US-Markt zu reintegrieren ("reshoring").
Abb. 02: Durchschnittlicher US-Einfuhrzollsatz seit 1900 [Quelle: Yale Budget Lab, Creditreform Rating]
Der wirtschaftspolitische Schaden ist erheblich: Die Inflation steigt, weil importierte Konsum- und Vorleistungsgüter teurer werden. Zugleich wird die globale Arbeitsteilung geschwächt, was Produktivitätseinbußen nach sich zieht. Besonders Deutschland leidet unter dieser Entwicklung, da über 16 Prozent seiner Ausfuhren in die USA gehen – viele davon aus dem Automobil- und Maschinenbau.
Konjunkturprognosen: Deutschland bleibt Schlusslicht Europas
Der Internationale Währungsfonds (IWF) rechnet für Deutschland im Jahr 2025 mit einem realen BIP-Wachstum von lediglich 0,1 Prozent. Damit liegt die Bundesrepublik deutlich unter dem Durchschnitt der Eurozone (1,0 Prozent) und sogar hinter Italien (0,6 Prozent), Frankreich (0,5 Prozent) und Spanien (2,4 Prozent). Erst für das Jahr 2026 wird ein mäßiger Anstieg auf 1,2 Prozent erwartet – vorausgesetzt, die in Aussicht gestellten Investitionsprogramme greifen.
Abb. 03: BIP-Wachstumsprognosen des IWF für ausgewählte Länder (2025e/2026e) [Quelle: Creditreform Rating, IMF]
Globale Wachstumsimpulse bleiben rar: Die USA dürften angesichts hoher Zinsen und der protektionistischen Agenda auf 1,8 Prozent zurückfallen, China bremst sich durch Schulden und demografischen Druck selbst auf 4 Prozent ein. Damit rücken binnenwirtschaftliche Impulse in den Vordergrund. Deutschland wird seine Wachstumsperspektive daher zunehmend aus dem Konsum und öffentlichen Investitionen ableiten müssen – nicht mehr aus dem Export.
Immobilienmarkt: Trendwende und Wohnraummangel
Nach einem historischen Preisrückgang zwischen 2022 und 2023 verzeichnet der deutsche Immobilienmarkt erstmals wieder Wachstumsraten. Im ersten Quartal 2025 stiegen die Preise im Jahresvergleich um 3,8 Prozent, nachdem sie im Vorjahr noch um mehr als 10 Prozent eingebrochen waren. Die Trendwende ist Ausdruck stabilisierter Finanzierungskosten, gestiegener Reallöhne und ungebrochener Nachfrage in Ballungsräumen.
Abb. 04: Jährliche Änderungsraten der Hauspreise in Deutschland und Europa [Quelle: Eurostat, Creditreform Rating]
Dennoch bleibt die Versorgungslage angespannt: Die Zahl der Baugenehmigungen ist auf den tiefsten Stand seit 2010 gefallen. 2024 wurden lediglich 252.000 Wohneinheiten fertiggestellt – zu wenig angesichts des demografischen und migrationsbedingten Zuzugs. Die Merz-Regierung will mit Baukostenzuschüssen, beschleunigten Genehmigungsverfahren und einem Öffnungsprogramm für Bauland gegensteuern.
Industrieschwäche: Eine strukturelle Krise?
Der Index für die industrielle Produktion liegt im Mai 2025 bei nur noch 91 Punkten. Das ist der tiefste Wert seit 2018. Der Rückgang ist kein rein konjunkturelles Phänomen, sondern Ausdruck eines langfristigen Abbaus von Wettbewerbsfähigkeit. Die deutsche Industrie leidet unter hohen Energiepreisen, Fachkräftemangel, langsamen Genehmigungsprozessen und der Abwanderung forschungsintensiver Produktion. Besonders betroffen sind energieintensive Sektoren wie Chemie, Metallerzeugung und Maschinenbau.
Abb. 05: Produktionsindex für Industrie und Bauwesen in Deutschland (2021=100) [Quelle: Destatis, Creditreform Rating]
Ein Lichtblick: Die Erwartungen im ifo-Geschäftsklimaindex steigen seit Frühjahr 2025 leicht an. Ob es sich um eine Bodenbildung oder eine Zwischenrallye handelt, bleibt abzuwarten. Entscheidend wird sein, ob die großen Investitionsprogramme der Regierung in reale Wachstumsimpulse übersetzt werden können.
Löhne und Preise: Die Rückkehr der Kaufkraft
Die nominalen Löhne in Deutschland steigen seit 2022 kontinuierlich und liegen aktuell bei rund 3,5 Prozent jährlichem Zuwachs. Die Verbraucherpreise hingegen haben sich deutlich beruhigt: Die Inflationsrate liegt mit 2 Prozent im Juni 2025 wieder im Zielkorridor der EZB. Das Ergebnis: Reallöhne wachsen wieder.
Abb. 06: Entwicklung von Real-, Nominallöhnen und Inflation in Deutschland [Quelle: Destatis, Creditreform Rating]
Dieser Trend könnte den Konsum entscheidend stabilisieren, vor allem im unteren und mittleren Einkommenssegment. Gleichzeitig bleibt die Herausforderung bestehen, diese Zuwächse nicht durch Mietsteigerungen und Abgaben zu neutralisieren. Die Bundesregierung hat bereits erste Schritte zur Entlastung unternommen, etwa durch die Reduktion von Stromnebenkosten und gezielte Steuererleichterungen.
Fazit: Hoffnung durch Binnendynamik – Risiko durch Außenpolitik
Der deutsche und europäische Wirtschaftsraum steht 2025 vor einem Scheideweg. Während fiskalische Impulse, steigende Reallöhne und eine Stabilisierung am Immobilienmarkt Hoffnungen auf einen Aufschwung nähren, bedrohen externe Schocks wie US-Zölle und geopolitische Konflikte die fragile Erholung. Die Merz-Regierung setzt auf eine expansive, investitionsgetriebene Strategie – doch deren Erfolg hängt an der raschen Umsetzung und an strukturellen Reformen. Der wirtschaftspolitische Balanceakt erfordert nun Führungsstärke, strategisches Geschick und das Vertrauen von Unternehmen, Haushalten und internationalen Partnern gleichermaßen.
Ob die Wende gelingt, entscheidet sich nicht nur an den Wachstumskurven – sondern an der Widerstandskraft eines Wirtschaftsmodells, das sich neu erfinden muss.


![Abb. 06: Entwicklung von Real-, Nominallöhnen und Inflation in Deutschland [Quelle: Destatis, Creditreform Rating]](/fileadmin/_processed_/f/0/csm_risk_3856_b714a139f3.png)

