Der Renditehunger ist wieder erwacht …

Wie viel Rendite darf es sein?


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Der Renditehunger ist wieder erwacht. In der Krise waren wir bescheiden geworden. Die Meisten waren davon überzeugt, dass Anleger sich in Zukunft mit niedrigeren Renditen zufrieden geben müssten. Nun sind aber die Aktienkurse seit März fast weltweit um 50 Prozent und mehr gestiegen. Schon kommt die Frage auf, ob das so weiter gehen könnte. Es ist es deshalb an der Zeit zu fragen, mit welchen Renditen ein Anleger nachhaltig rechnen kann.
Viele beantworten die Frage mit ethischen oder ökologischen Argumenten. Renditen von zehn Prozent und mehr seien in einer Welt hoher Arbeitslosigkeit und nur geringfügig steigender Tariflöhne nicht zu vertreten. Sie seien auch nicht nachhaltig erzielbar. Bescheidenheit und Verzicht sind angebracht.
Es gibt aber auch ökonomische Grenzen. Der Kuchen des Bruttoinlandsprodukts ist begrenzt. Je mehr die Einen davon bekommen, umso weniger kann an die Anderen gehen. Der Kuchen kann nur einmal verteilt werden.

Welche Renditen sind unter volkswirtschaftlichen Überlegungen realistisch? Die Antwort darauf ist in den einzelnen Ländern unterschiedlich. In China mit seiner dynamischen Wirtschaft ist sicher mehr zu erzielen als in Deutschland. Ich möchte die Zusammenhänge hier am Beispiel der Bundesrepublik aufzeigen. Grundsätzlich hängt die volkswirtschaftlich vertretbare Rendite von vier Faktoren ab: Erstens natürlich vom gesamtwirtschaftlichen Wachstum. Je größer es ist, umso mehr gibt es zu verteilen. In den letzen zehn Jahren erhöhte sich das reale Sozialprodukt in Deutschland um durchschnittlich 1,5 Prozent pro Jahr. In Zukunft werden es kaum mehr als ein Prozent p. a. sein.

Zweitens die Inflation. Je stärker die Preise steigen, umso mehr Einkommen entsteht und umso mehr kann verteilt werden. Das sind allerdings keine realen Gewinne, weil ihnen kein entsprechendes Angebot an Gütern und Diensten gegenübersteht. In den letzten zehn Jahren sind die Preise in Europa um etwas mehr als zwei Prozent gestiegen. Mit ähnlichen Raten kann man vielleicht auch in Zukunft rechnen.  

Drittens kommt es darauf an, wie das Volkseinkommen auf Löhne und Gehälter und auf Einkommen aus Unternehmertätigkeit und Vermögen verteilt wird. Je niedriger die Lohnquote, also der Anteil von Löhnen und Gewinnen am Volkseinkommen, umso höher kann die Rendite sein.

Hier hat sich in den letzten Jahren viel verändert. Die Lohnquote ist in Deutschland von 72 Prozent in 1995 auf 66 Prozent gesunken. Damit konnten die Bezieher von Einkommen aus Unternehmertätigkeit und Vermögen ihren Anteil am Volkseinkommen deutlich erhöhen. Das wirkte sich positiv auf die Renditen aus. Es ist aber anzunehmen, dass dies in Zukunft nicht mehr in gleichem Maß der Fall sein wird. Es wird immer mehr über mangelnde soziale Gerechtigkeit geklagt. Manager werden für Boni und unangemessen hohe Bezüge kritisiert. Ob die Lohnquote wieder auf das alte Niveau steigen wird, ist schwer zu sagen. In jedem Fall wird von dieser Seite kein positiver Einfluss auf die Renditen ausgehen.

Viertens schließlich hängt die volkswirtschaftlich vertretbare Rendite von dem sogenannten Kapitalkoeffizienten ab. Er besagt, wie viel Kapital eine Volkswirtschaft für die Erstellung des Bruttoinlandsprodukts benötigt. Wird viel Kapital gebraucht, dann ist unter sonst gleichen Bedingungen die Rendite niedriger. Kommen die Unternehmen dagegen mit weniger Kapital aus, dann sieht es für die Rendite besser aus.

Für Deutschland ergibt sich aufgrund der Zahlen des Statistischen Bundesamtes ein Kapitalkoeffizient von knapp 5. Das heißt das Bruttoinlandsprodukt von 2.500 Mrd. Euro wird mit einem Kapitalstock von 12.000 Mrd. Euro erstellt. In den USA ist der Kapitalkoeffizient niedriger (nicht zuletzt, weil dort die Industrie keinen so gro-ßen Stellenwert hat und die Dienstleistungen wichtiger sind). Dementsprechend sind die Renditen in den USA unter sonst gleichen Verhältnissen höher als in der Bundesrepublik. Japan liegt in etwa zwischen den USA und Deutschland, hat also auch höhere Renditen. Der Kapitalkoeffizient ist eine Strukturgröße, die sich im Zeitablauf nicht viel verändert.

Zählt man alles zusammen, dann ergibt sich für ein normales Konjunkturjahr wie 2007 Folgendes: Das reale Bruttoinlandsprodukt erhöhte sich um 2,5 Prozent, das – nominale – Volkseinkommen um 3,5 Prozent. Die Löhne und Gehälter stiegen mit 2,8 Prozent etwas langsamer. Entsprechend blieb für die Einkommen aus Unternehmertätigkeit und Vermögen ein Zuwachs von 4,8 Prozent übrig. In Euro gerechnet war das ein Betrag von 660 Mrd. Euro. Bezogen auf das eingesetzte Kapital ergab sich daraus eine Rendite von etwa 5,5 Prozent. Das gilt für das gesamte Aggregat Einkommen aus Unternehmertätigkeit und Vermögen. Geht man davon aus, dass Unternehmer wegen der größeren Risiken etwas mehr von diesem Kuchen bekommen und Kapitalanleger etwas weniger, kann man für Kapitalanleger eine Rendite von fünf Prozent oder weniger annehmen.

Die 5,5 Prozent sind eine Richtschnur, an der man sich orientieren kann. Sie hat sich in den letzten Jahren deutlich erhöht. Im Jahr 2000 lag sie nur bei vier Prozent. Das beruht vor allem darauf, dass damals die Lohnquote sehr viel höher war, die Kapitalbesitzer also weniger vom volkswirtschaftlichen Kuchen abbekamen. Die Wachstumsverlangsamung in den letzten Jahren spielt dagegen keine so große Rolle. Wenn das nominale Wachstum in Deutschland so hoch wäre wie in den USA (5,5 Prozent), dann wäre die Rendite nur um zwei Zehntel Prozentpunkte höher. Das ist nicht die Welt. In diesem Jahr beträgt die Rendite wegen der Rezession knapp 4,5 Prozent. Der Rückgang dürfte vor allem zu Lasten der Unternehmereinkommen gegangen sein, weniger zu Lasten der Vermögenseinkommen. 2010 wird es voraussichtlich wieder etwas besser, aber noch nicht so gut 2007. Mittelfristig wird sich die Rendite in Deutschland wegen niedrigeren Wachstums und vermutlich steigender Lohnquote tendenziell verringern. 

Das sind die volkswirtschaftlichen Begrenzungspunkte. Wer auf sein Kapital auf Dauer fünf Prozent verdient, liegt im guten Mittelfeld. Er sollte nicht unzufrieden sein. Wer zehn Prozent erlöst, sollte sehr zufrieden sein, muss aber wissen, dass es in der Volkswirtschaft andere gibt, die entsprechend weniger erreichen. Natürlich ist es denkbar, dass jemand 25 Prozent herausholt. Dann muss es nach der volkswirtschaftlichen Logik aber andere geben, die Verlust machen.


Autor: Dr. Martin W. Hüfner, Chief Economist, Assenagon Asset Management S.A.



[Bildquelle: iStockPhoto]

Kommentare zu diesem Beitrag

Pleitegeier /30.10.2009 10:11
Sehr geehrter Herr Hüfner,

könnte die Inflation zukünftig nicht etwas höher als die 2% ausfallen? Dann wäre eine Renditeerwartung um 5% sicherlich unteres Mittelfeld, oder?

"Die Lohnquote ist in Deutschland von 72 Prozent in 1995 auf 66 Prozent gesunken. Damit konnten die Bezieher von Einkommen aus Unternehmertätigkeit und Vermögen ihren Anteil am Volkseinkommen deutlich erhöhen."
=> Wie sehen Sie hier den Zusammenhang zu dem größer werdenen Teil von Selbständigen (Scheinselbständigen)? Die wirtschaftliche Entwicklung hat ja mehr und mehr Arbeitnehmer in die Selbständigkeit gelenkt...
Jo /30.10.2009 14:07
Rendite ist ja gut und schön, aber kommt es nicht auf eine risikoadjustierte Rendite an? Es ist relativ einfach, eine Rendite von 25 Prozent zu generieren, wenn ich alle Risiken ausblende. Genau das ist in der Folge der aktuellen Finanzkrise basiert. Das Risiko-Rendite hatte für den klassischen Investmentbanker nur eine Achse. Risiko galt als Spielverderber ...
oekoek68 /30.10.2009 14:36
25 Prozent Rendite sind abartig und krank, das kann mit natürlichem Wachstum und Realwirtschaft nichts zu tun haben...
Pleitegeier /03.11.2009 15:59
@oekoek68: Gegenstück = Die Commerzbank macht über 1 Mrd. Verlust und hat noch kurz vorher kräftig Boni an alle ausgeschüttet :-) :-) :-) Ach ne, die heißen dort ja anders, Begrüßungsgeld??? Ich könnte kotzen
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