Die Unternehmenslandschaft im DACH-Raum ist im Umbruch. Während Insolvenzen im ersten Halbjahr des Jahres 2025 in Deutschland, Österreich und der Schweiz merklich zunehmen, zeigen sich gleichzeitig zaghafte oder sogar überraschend dynamische Gründungsaktivitäten. Die aktuelle DACH-Studie von Dun & Bradstreet beleuchtet diese Entwicklungen im Detail – und offenbart ein gespaltenes Bild: Auf der einen Seite stehen strukturelle Krisen, auf der anderen eine neue unternehmerische Aufbruchsstimmung.
Anstieg der Insolvenzen vor allem in strukturschwachen Regionen
In Deutschland wurden im ersten Halbjahr 2025 insgesamt 8.253 Unternehmensinsolvenzen registriert, das sind 3 Prozent mehr als im Halbjahreszeitraum des Vorjahres. Die Zahlen offenbaren eine klare regionale Polarisierung: Besonders betroffen sind wirtschaftlich schwächere Regionen wie Sachsen-Anhalt (+32 Prozent), Sachsen (+18 Prozent) und Brandenburg (+17 Prozent). Rückläufige Zahlen verzeichneten dagegen wirtschaftsstarke Stadtstaaten wie Bremen (–21 Prozent) und Hamburg (–12 Prozent).
Abb. 01: Halbjährliche Entwicklung der Insolvenzen von 2022 bis 2025 [Quelle: Studie Insolvenzen & Neugründungen, Dun & Bradstreet]
Krisenbranchen: Automobil, Maschinenbau und Bau
Die Belastung einzelner Branchen ist auffällig hoch. Das Autogewerbe meldete einen Anstieg der Insolvenzen um 28 Prozent, Maschinenbau um 27 Prozent. Auch die Freizeitindustrie (+12 Prozent), das Gastgewerbe (+11 Prozent) sowie das Baugewerbe (+8 Prozent) zeigen erhöhte Ausfallzahlen. Dagegen gingen Insolvenzen in der Logistik (–8 Prozent), im Einzelhandel (–4 Prozent) sowie bei Immobilienmaklern (–13 Prozent) zurück.
Zurückhaltung bei Gründungen – ein Signal wachsender Unsicherheit
Die Neugründungen sanken um 5 Prozent auf 77.618 neue Unternehmen. Dies deutet auf eine wachsende Verunsicherung unter potenziellen Gründern hin. Besonders starke Rückgänge gab es in strukturschwachen Bundesländern wie Bremen (–18 Prozent), dem Saarland (–16 Prozent) und Sachsen-Anhalt (–15 Prozent). Lediglich Bayern (+2 Prozent) und Thüringen (+3 Prozent) verzeichneten ein leichtes Plus.
Abb. 02: Halbjährliche Entwicklung der Neugründungen von 2022 bis 2025 [Quelle: Studie Insolvenzen & Neugründungen, Dun & Bradstreet]
Österreich: Insolvenzrekorde und dennoch Gründerstimmung
Mit 1.990 Unternehmensinsolvenzen stieg die Zahl in Österreich im Halbjahresvergleich um 13 Prozent. Besonders drastisch sind die Steigerungen in Tirol (+49 Prozent), Salzburg (+31 Prozent) und Kärnten (+25 Prozent). Auffällig: Das aktuelle Niveau liegt fast dreimal so hoch wie im Vergleichszeitraum 2021.
Die Ursachen sind vielfältig: Eine schwache Konjunktur, hohe Personal- und Energiekosten sowie geopolitische Unsicherheiten setzen Unternehmen zunehmend unter Druck. Besonders stark betroffen sind Holding- und Investitionsgesellschaften (+133 Prozent), Immobilienmakler (+50 Prozent) sowie die Logistikbranche (+19 Prozent). Rückgänge zeigten sich hingegen in klassischen Branchen wie dem Baugewerbe (–24 Prozent), der IT (–22 Prozent) und im Großhandel (–18 Prozent).
Trotz allem: Dynamische Gründungskultur
Erstaunlich ist der parallele Anstieg der Neugründungen um 12 Prozent auf 11.067 neue Firmen. Besonders aktiv zeigten sich die Steiermark und Tirol mit einem Gründungsplus von jeweils 20 Prozent, gefolgt von Kärnten (+19 Prozent) und Wien (+13 Prozent). Diese Dynamik spiegelt den Glauben vieler Gründer an langfristige Marktchancen trotz kurzfristiger Belastungen.
Schweiz: Gesetzgeberische Weichenstellung, mehr Insolvenzen
In der Schweiz explodierten die Unternehmenskonkurse um 21 Prozent auf 3.648 Fälle. Ursache ist nicht nur die konjunkturelle Lage, sondern auch eine tiefgreifende Gesetzesänderung: Seit Januar 2025 sind öffentliche Gläubiger verpflichtet, offene Forderungen per Konkursverfahren durchzusetzen – ein Paradigmenwechsel im Schuldbetreibungs- und Konkursrecht (SchKG).
Konkret wurde das Schuldbetreibungs- und Konkursgesetz (SchKG) dahingehend angepasst, dass öffentlich-rechtliche Gläubiger (beispielsweise Steuerbehörden, Sozialversicherungen oder Zollämter) neu verpflichtet sind, ausstehende Forderungen gegenüber Unternehmen konsequent mittels Konkursverfahren geltend zu machen. Zuvor konnten diese Institutionen säumige Unternehmen zwar betreiben, mussten jedoch nicht zwingend den Konkurs einleiten.
Diese Nachsicht ermöglichte es vielen Firmen, trotz erheblicher Schulden weiter zu operieren. Mit der neuen Regelung werden öffentliche Gläubiger nun privaten Gläubigern gleichgestellt, was zu einer deutlich strengeren Handhabung führt. Die Auswirkungen dieser Gesetzesverschärfung sind nun bereits deutlich spürbar. Die Konkursämter sehen sich mit einer Welle von Verfahren konfrontiert. Die öffentliche Hand als größter Gläubiger der Schweiz treibt damit eine strukturelle Marktbereinigung voran. Ziel ist es, die Zahlungsmoral zu verbessern und Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden, die durch das Überleben nicht zahlungsfähiger Unternehmen entstanden sind.
Regionen und Branchen im Ausnahmezustand
Am stärksten betroffen: das Espace Mittelland (+33 Prozent), das Tessin (+32 Prozent) und die Zentralschweiz (+31 Prozent). Besonders hohe Insolvenzraten zeigten sich im Gesundheitswesen (+65 Prozent), bei dauerhaften Gütern (+57 Prozent), in der IT-Branche (+45 Prozent) und im Gastgewerbe (+39 Prozent). Die einzige Branche mit Rückgang: die Holz- und Möbelindustrie (–6 Prozent).
Mehr Gründungen trotz Strukturkrise
Trotz der Insolvenzwelle legte die Zahl der Neugründungen leicht zu: +3 Prozent, insgesamt 27.810 neue Unternehmen. Zuwächse wurden insbesondere im Einzelhandel (+16 Prozent) und Gastgewerbe (+10 Prozent) verzeichnet. Regionen wie die Zentralschweiz (+7 %), Zürich (+5 %) und die Südwestschweiz (+5 %) trugen maßgeblich zur Dynamik bei.
Gesamtanalyse
Die Autoren der DACH-Studie von Dun & Bradstreet haben die folgenden Gemeinsamkeiten und strukturellen Parallelen der drei Länder identifiziert:
- Kostenbelastung durch Inflation, Energiepreise und Löhne
- Finanzielle Erschöpfung vieler Unternehmen nach Krisenjahren
- Demografischer Wandel und fehlende Unternehmensnachfolge
- Geopolitische Spannungen als zusätzlicher Unsicherheitsfaktor
Risiken für das zweite Halbjahr 2025
Die Studie lässt erwarten, dass der Insolvenztrend noch nicht abgeschlossen ist – insbesondere in Abhängigkeit von Zinsentwicklung, Konjunkturerholung und regulatorischer Stabilität. Die Kreditvergabe durch Banken bleibt restriktiv, und für viele Betriebe ist die Liquiditätssicherung existenziell.
Dun & Bradstreet empfiehlt Unternehmen, ihre Lieferketten zu diversifizieren, die Bonität ihrer Geschäftspartner kontinuierlich zu überwachen und frühzeitig Frühwarnsignale zu erkennen. Denn in einem fragilen Umfeld ist Resilienz mehr denn je ein Wettbewerbsvorteil.
Fazit: Wirtschaft steht am Scheideweg
Der DACH-Raum erlebt einen Wandel: Während Insolvenzen steigen, zeigen sich neue Potenziale in den Gründungszahlen. Die politische, rechtliche und konjunkturelle Gemengelage zwingt Unternehmen zum Umdenken, Absichern und Anpassen. Doch zugleich entsteht Raum für Innovation, mutige Neuanfänge und wirtschaftliche Neupositionierung.
Gerade jene Unternehmen, die frühzeitig Trends analysieren, interne Strukturen stärken und datengestützte Entscheidungen treffen, werden in der Lage sein, sich inmitten dieser Turbulenzen nicht nur zu behaupten – sondern gestärkt daraus hervorzugehen, so die Studienautoren.




