Rückblick RiskNET Summit 2021

Vom Lerneffekt und den Menschen


Rückblick RiskNET Summit 2021: Vom Lerneffekt und den Menschen News

Es war am 19. Oktober 1987. An jenem "Schwarzen Montag" gingen weltweit die Börsenkurse in die Knie. Der Dow Jones brach um über 500 Punkte ein und der Kurs-Crash nahm an den Börsen dieser Welt seinen Lauf. Das Portal "boerse.de" schreibt in diesem Zusammenhang: "Die enge Vernetzung der Wirtschaften und die immer weiter vorangeschrittene Computerisierung des Handels führte damals zu einem weltweiten Kurseinbruch der Aktienmärkte." Und heute? 35 Jahre später ist die Wirtschaft noch vernetzter und globaler aufgestellt, erleben wir eine rasant voranschreitende sowie umfassende Digitalisierung aller Berufs- und Lebensbereiche. Was viele Unternehmen in dieser Gemengelage aus Transformation samt der Beschleunigung neuer Denk- und Geschäftsmodelle indes noch immer vergessen, sind die Risiken eines unachtsamen Handelns – lokal, national und international. Entscheidend bei allen Überlegungen ist der Mensch.
                      
Davon konnten sich die Teilnehmer des zweitägigen RiskNET Summit im Oktober überzeugen. Denn am Ende geht es um den Blick nach vorne. Und der eröffnet neue Chancen statt Risiken, sprich Perspektiven für die unternehmerische Zukunft. Start der Neuauflage des RiskNET Summit 2021 war just am 19. Oktober, also dreieinhalb Jahrzehnte nach dem eingangs beschriebenen Schwarzen Montag. Eines vorweg. Ein wirklicher Lerneffekt im Umgang mit den Risiken in einer modernen Wirtschaftswelt ist in vielen Organisationen bis dato nicht wirklich zu erkennen. Es könnte auch heißen: Die Vogel-Strauß-Mentalität ist auch in unseren Tagen bei Krisen und (potenziellen) Risiken vorherrschend.  

Volatile Zeiten, Lieferketten und die Liquidität 

Doch genau dieses Verhalten ist in diesen volatilen Zeiten nicht ratsam. Frank Romeike, Initiator des RiskNET Summit beschreibt es so: "Die Risikolandkarte ist turbulent." Und diese Turbulenzen gilt es von Organisationen aller Größen und in jeder Branche zu meistern. Konkret heißt das: Gerade in Krisenzeiten muss die Liquidität des eigenen Unternehmens gesichert werden. Wie das gelingen kann, das zeigte Markus Dreimann, Director Corporate Controlling & Finance, Sennheiser electronic, in einem Erfahrungsbericht. Das Unternehmen, 1945 gegründet, setzt auf eine Vision "einzigartiger Sound-Erlebnisse" mittels qualitativ hochwertiger Mikrofone, Kopfhörer und Sound-Systeme. Ermöglicht wird dies auch durch eine ausgesprochen Unternehmenskultur – getragen von den Menschen, die für Sennheiser arbeiten. 

Markus Dreimann | Director Corporate Controlling & Finance | Sennheiser electronic [Bildquelle: Peter Hartmann | RiskNET GmbH]Markus Dreimann | Director Corporate Controlling & Finance | Sennheiser electronic [Bildquelle: Peter Hartmann | RiskNET GmbH]

Auf die Frage nach möglichen Lieferengpässen beschreibt Dreimann das Vorgehen von Sennheiser wie folgt: "Wir wollen uns von zu weiten Lieferketten möglichst unabhängig machen." Und er folgert: "Deshalb setzen wir verstärkt auf europäische Produktionsstandorte." Um dies zu verwirklichen, baut das Unternehmen Sennheiser unter anderem auf ein eigenes Werk im rumänischen Brașov. Maßgeblich bei der Wahl der Produktionsstandorte sei nach Dreimanns Worten vor allem die Schnelligkeit zwischen den Werken. "Ein Faktor, der bei der Verfügbarkeit von Teilen eine nicht unerhebliche Rolle spielt", unterstreicht Dreimann. Grundsätzlich stünden seiner Meinung nach alle Maßnahmen mit dem Hauptziel der Organisation in Verbindung, die finanzielle Sicherheit des Unternehmens zu sichern. Von daher wurde die Organisation im Zuge der Corona-Pandemie auf Sicht durch die Unwägbarkeiten navigiert. "Länger als vier Wochen in die Zukunft zu steuern war während der Pandemie nicht möglich", erklärt Dreimann. Im Zuge der Corona-Krise half dem Unternehmen unter anderem eine strikte Kostenbremse sowie die Kurzarbeit, um die Liquidität hochzuhalten. Parallel baute Sennheiser ein Bausteinkonzept mit Kernbanken auf. In diesem Kontext resümiert Dreimann: "Nicht das erste Angebot annehmen, sondern nach alternativen Finanzierungsmöglichkeiten Ausschau halten." 

Markus Dreimann auf dem RiskNET Summit 2021 [Bildquelle: Peter Hartmann | RiskNET GmbH]Markus Dreimann auf dem RiskNET Summit 2021 [Bildquelle: Peter Hartmann | RiskNET GmbH]

Umdenken und Handeln im Umgang mit Betrügereien

Dass bei der Wahl des Finanzinstituts Sorgfalt walten sollte, das zeigt sich auch bei Verfehlungen im Bankenumfeld. Jüngstes Beispiel: Wirecard. Ein Betrugsfall der besonders dreisten Art und doch kein Einzelfall. Denn Christian Glaser, promovierte Risikomanager der Würth Leasing GmbH & Co. KG gab in seinen Ausführungen im Rahmen des RiskNET Summit zu bedenken, dass sich große Betrugsfälle immer wieder ereignen würden. Die Beispiele in einer langen Reihe an Verfehlungen reichen von Enron über Worldcom bis zu VW und eben Wirecard. Einer der Hauptgründe, warum solche Betrugsdelikte immer wieder funktionieren, sieht der Manager unter anderem in Schlampereien und dem Wegschauen zentraler Stellen und interner Aufsichtsorgane. Und so ähneln sich viele Betrugsfälle. Nach Glasers Worten wären viele dieser kriminellen Machenschaften schon früher aufgefallen, wenn Aufsichtsbehörden und Politiker die Frühwarnindikatoren verstanden und ernst genommen hätten. Doch es herrschte in den Anfängen von Wirecard so etwas wie ein "Silicon-Valley-Flair" in Deutschland. 

Dr. Christian Glaser | Generalbevollmächtigter | Würth Leasing GmbH & Co. KG [Bildquelle: Peter Hartmann | RiskNET GmbH]Dr. Christian Glaser | Generalbevollmächtigter | Würth Leasing GmbH & Co. KG [Bildquelle: Peter Hartmann | RiskNET GmbH]

Und so kam es im Fall Wirecard, wie es kommen musste. Aus der scheinbaren Traumgeschichte eines Finanzunternehmens in Aschheim bei München entwickelte sich ein Alptraum für Anleger, Aufseher und Politik. Das Resultat: Wirecard mutierte zum größten deutschen Finanzskandal des 21. Jahrhunderts mit einem geschätzten Schaden von rund zwei Milliarden Euro sowie Topmanagern in Haft oder auf der Flucht. Den Imageschaden für eine ganze Branche, die Politik und Aufsichtsbehörden nicht mitgerechnet. Während sich die Politik in einem monatelangen Untersuchungsausschuss an dem Thema abarbeitete, zweifeln nicht wenige Experten an den möglichen Lehren aus dem Desaster um Wirecard. 

Glaser sieht den Weg in einem klaren Umdenken und Handeln im Umgang mit solchen Betrügereien. Neben wirksamen Kontrollen, verbesserten Hinweisgebersystemen und abschreckende Strafen, bedeutet das auch eine Vorbildfunktion der Unternehmensführung. Wichtig seien nach Glasers Dafürhalten zudem das Zurückdrängen turbo-kapitalistischer Denk- und Handelsweisen. 

Erst Zahlen, dann Menschen oder umgekehrt?

Wie wichtig im unternehmerischen Tun die "Krisenfrüherkennung" ist, das zeigte Markus Exler, Professor für Unternehmensrestrukturierung an der Fachhochschule Kufstein. Für Exler kündige sich eine Krise an und komme nicht über Nacht. Denn zu einer strategischen Krise gesellt sich die Ergebnis- und am Ende die Liquiditätskrise. Am Ende steht die Revitalisierung der Organisation oder Insolvenz. Damit es so weit nicht kommt, empfiehlt Exler Entscheidern unter anderem das eigene Geschäftsmodell zu hinterfragen. "Mal von der anderen Seite denken und den Kunden glücklich machen", bringt es Markus Exler auf einen einfachen Nenner. Schließlich sollte es darum gehen, was die Kundenseite erwartet. Als gutes Beispiel des "Hinterfragens" nennt Exler Start-ups, die sich und ihr eigenes Geschäftsmodell ständig infrage stellen. "Ständig über das eigene Geschäftsmodell nachdenken und dieses zu hinterfragen ist das beste Risikomanagement", weiß Exler. Im Grunde gehe es seiner Ansicht nach darum, die Menschen mitzunehmen – faktenbasiert. Und Exler resümiert: "Die Transparenz und Früherkennung funktioniert nicht, ohne ein ordentliches Zahlenwerk." 

Prof. (FH) Dr. Markus W. Exler | Hochschule Kufstein [Bildquelle: Peter Hartmann | RiskNET GmbH]Prof. (FH) Dr. Markus W. Exler | Hochschule Kufstein [Bildquelle: Peter Hartmann | RiskNET GmbH]

Zahlen sind auch in der täglichen Arbeit von Andreas Elsäßer, elsaesser companies, wichtig. Allerdings folgt er der Philosophie, wonach erst die Menschen stehen und dann die Zahlen und Paragrafen. Am Beispiel der "Unternehmens- und Risikokultur in Familienunternehmen" verdeutlichte er, dass mit den richtigen Köpfen an Menschen viel bewegt werden kann. Konkret konnte er mit seinem Team ein von der Insolvenz bedrohtes Unternehmen wieder auf den wirtschaftlichen Pfad bringen. Elsäßer bringt es auf folgenden Punkt: "Das Unternehmen konnte nach kurzer Zeit die Insolvenzphase wieder verlassen." Maßgeblichen Anteil daran hatte unter anderem der Austausch der Führungsmannschaft – neu besetzt aus den eigenen Unternehmensreihen. Die eingeleiteten Schritte zahlten sich innerhalb kurzer Zeit aus. So konnte beispielsweise die Kundenzufriedenheit von 60 auf 96 Prozent und die Produktivität um 20 Prozent gesteigert werden. Ein entscheidender Effekt bei allen "Rettungs- und Sanierungsmaßnahmen" war die Identifikation der Belegschaft mit der neuen Unternehmenskultur, was sich nicht zuletzt in neuen Innovationsideen aus den eigenen Reihen zeigte. 

Und so zeigte sich an diesem 19. Oktober im Rahmen des RiskNET Summit das, was ein professionelles Risikomanagement im Kern ausmacht. Menschen sind der wichtigste Teil bei allen unternehmerischen Überlegungen und Handlungen. Sei es eine Organisation sicher durch eine Pandemie zu führen. Sei es, um Betrügereien frühzeitig aufzudecken und damit Schlimmeres zu verhindern oder bei Restrukturierungs- und Sanierungsmaßnahmen. Vielleicht hätte mehr "Mensch und weniger Technik" auch den 19. Oktober 1987 und damit den Schwarzen Montag verhindert. Doch das werden wir nicht mehr erfahren. Also schauen wir nach vorne – denn die nächste Krise kommt bestimmt.

Blick ins Auditorium beim RiskNET Summit 2021 [Bildquelle: Peter Hartmann | RiskNET GmbH]Blick ins Auditorium beim RiskNET Summit 2021 [Bildquelle: Peter Hartmann | RiskNET GmbH]

 

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[ Bildquelle Titelbild: Peter Hartmann | RiskNET GmbH | Sonstige Bilder: Peter Hartmann | RiskNET GmbH ]
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