Solvency II darf nicht über Basel II hinausgehen


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Kernthema der Handelsblatt-Tagung "Assekuranz im Aufbruch" waren ganz klar die regulatorischen Veränderungen in der Folge der neuen EU-weiten Eigenkapitalvorschriften Solvency II. In den vergangenen Jahren wurden die nationalen Regulierungen der EU-Mitgliedsstaaten durch neue EU-weite regulatorische Rahmenbedingungen ersetzt bzw. ergänzt und die materielle Staatsaufsicht weitestgehend abgebaut. Hintergrund dieser Angleichung ist das – basierend auf Art. 52 (Recht auf Niederlassung) und Art. 59 (freier Dienstleistungsverkehr) der Römer Verträge – verfolgte Ziel der Schaffung eines einheitlichen Europäischen Marktes für Versicherungen. Danach soll jedes in der EU zugelassene Versicherungsunternehmen das Recht erlangen, sich in jedem EU-Mitgliedsland niederzulassen sowie Versicherungsprodukte von jedem Standort innerhalb der EU zu vertreiben. Nun sehen sich Vertreter der Assekuranz eine Re-Regulierung ihrer Branche auf sich zukommen. Als wesentlicher Treiber wird dabei Solvency II gesehen. Diese regulatorische Rückbesinnung sei vor allem durch Basel II – das Pendant für die Banken – sowie die Kapitalmarktkrise vor fünf Jahren und die Häufung von Natur- und Terrorkatastrophen, angestoßen worden.

Nikolaus von Bomhard, Chef des weltweit führenden Rückversicherers Münchener Rück sieht in diesem Kontext vor allem eine "beginnende Konvergenz zwischen Aufsicht, Rechnungslegung und internen Steuerungsmechanismen." Für die Rückversicherer fordert er, dass die geplante Rückversicherungsaufsicht "der weltweiten Risikodiversifikation der Rückversicherer Rechnung tragen muss."

Björn Jansli, Vorstandsvorsitzender der Gerling Versicherungs-Beteiligung-AG erwartet die stufenweise Einführung von Solvency II bis spätestens 2010. "Wir erwarten erhöhte Anforderungen an die Steuerung von Versicherungsunternehmen, d. h. insbesondere die Einführung einer integrierten risikoertragsorientierten Steuerung, den Ausbau von Risikomanagement-Systemen sowie eine Optimierung des Asset-Liability-Managements." Jansli ist sich auch sicher, dass Solvency II zu einer veränderten Produktlandschaft und höheren Prämien für kapitalintensive Produkte führen wird. Dies wird auch zu einer stärkeren Trennung zwischen dem Privat- und dem Industriekundengeschäft führen. Jansli: "Wir gehen davon aus, dass der Kapitalbedarf insbesondere bei unseren Industrieprodukten steigen wird, insbesondere in den Bereichen Haftpflicht, Transport und Sturm." Große Versicherungsunternehmen sieht Jansli als Gewinner der veränderten Marktstruktur, da sie insbesondere Vorteile durch geringere Kapitalkosten in der Folge eines besseren Ausgleichs im Kollektiv, Diversifikation sowie einem überlegenen Risikomanagement generieren könnten. Jansli skizzierte ein neues, zukünftiges Kompetenzmodell für Industrieversicherer. "Ein solches neues Geschäftsmodell basierend auf Dynamic Financial Analysis bildet die Grundlage für ein integriertes Steuerungs- und Risiko-Management-System. DFA-Analysen sind die Basis für Geschäftsentscheidungen, Rating-Analysen und auch die Finanzdienstleistungsaufsicht." Jansli wies in diesem Zusammenhang jedoch auch darauf hin, dass man keineswegs modellgläubig sein dürfe. Ein DFA-Modell sei immer nur ein Entscheidungsunterstützungssystem und würde einem weder das Denken noch die Plausibilitätskontrollen abnehmen. Janslis Fazit: "Wir stehen als Versicherer mehr im Schaufenster. Es wird transparenter und schwieriger – ob es besser wird, weiß ich nicht".

Jansli und von Bomhard sind sich jedoch darin einig, dass Solvency II möglichst rasch umgesetzt werden sollte. Von Bomhard warnte jedoch davor, mit Solvency II über die Anforderungen von Basel II hinauszugehen. "Wir stehen mit den Banken immer häufiger im Wettbewerb um Kapital. Dieser Wettbewerb sollte auf fairer Basis bleiben."

Dr. Andreas Freiling, Leiter des Versicherungsbereichs bei Ernst&Young bestätigte die Aussagen und ist sich sicher, dass Solvency II die Qualität des Risikomanagements bei vielen Versicherungsunternehmen nachhaltig verbessern wird. Er erwartet den Einsatz von internen Risikomodellen, um Wettbewerbsvorteile zu erzielen. Eine effiziente Kapitalausstattung sieht er als Gütesiegel. "Durch Solvency II wird sich der Umfang an Risikoinformationen in der externen Rechnungslegung weiter erhöhen. Gleichzeitig wird Solvency II auch zu einer Vielzahl an Produktinnovationen und Produktvariationen führen."

 

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