Risikomanagement und Frühwarnsystem: Caritas und Kirche auf der Suche nach Risiken


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Zunehmender Wettbewerb, stagnierende Umsätze, sinkende Zuschüsse: Viele soziale Einrichtungen kämpfen mit wirtschaftlichen Problemen. Kommen dann noch Managementfehler hinzu, können Träger schnell ins Schlingern geraten. Um das zu verhindern, hat die Caritas ein Frühwarnsystem entwickelt. Es soll helfen, drohende Krisen möglichst früh zu erkennen. Vorreiter sind die Diözesancaritasverbände Münster und Köln. Sie haben das Handbuch "Risikomanagement" veröffentlicht. Der Leitfaden zeigt exemplarisch, wie sich Risiken vorhersehen und beherrschen lassen.

In den Ortscaritasverbänden in Ibbenbüren und Euskirchen starteten im Jahr 2006 Pilotprojekte zur modellhaften Einführung eines Risikomanagements auf lokaler Ebene. Dabei sei ein Leitfaden entstanden, der auch anderen Trägern "Orientierung geben kann, sich kontinuierlich mit dem Risikomanagement auseinanderzusetzen", so Caritas-Geschäftsführer Detlev Becker. Er leitet den Tecklenburger Verband seit 1995 und erwirtschaftet mit seinen 500 Mitarbeitern jährlich 14 Millionen Euro Umsatz.

Becker zufolge erfordern vor allem folgende drei betriebswirtschaftliche Segmente ständige Aufmerksamkeit: Stationäre Einrichtungen müssten das Belegungsrisiko stets im Blick haben. Der zweite Problembereich sei die Refinanzierung von Leistungen durch die öffentliche Hand. Vor allem die offenen Beratungsdienste müssten sich frühzeitig um mögliche Ersatzfinanzierungen kümmern, falls die öffentliche Hand weiter die Förderung streiche. Klappe das nicht, gebe es womöglich nur den Weg, Beratungsangebote abzubauen. Schließlich rät Becker, den Wettbewerb mit privaten Anbietern sozialer Dienste genau zu beobachten. Wer in der Konkurrenz bestehen wolle, müsse die jeweiligen Tarife immer wieder kritisch prüfen.

Alter Wein in neuen Schläuchen?

Becker ist sich sicher: "Das Thema Risikomanagement beschäftigt viele Einrichtungen und Verbände." Allerdings glaubt der Chef des katholischen Wohlfahrtsverbandes im Tecklenburger Land, dass dem "Kind nur ein neuer Name gegeben wurde". Denn viele Träger hätten bereits in der Vergangenheit ihre betriebswirtschaftlichen Risiken genau beobachtet. "Jetzt sind aber Anzeichen der Professionalisierung erkennbar, was schon an der Vielzahl verschiedener Fortbildungen erkennbar ist."

Michael Boos ist Rechtsanwalt der Münsteraner Beratungs- und Prüfungsgesellschaft BPG mbH und hat die Einführung des Risikomanagements in Ibbenbüren moderiert. Ein Patentrezept, wie sich Klippen umschiffen lassen, hat er nicht. Aber, so der Steuerberater: "Einrichtungen, die in allen Arbeitsbereichen ihre betriebswirtschaftlichen Risiken in den Blick nehmen, haben keine Probleme." Zwar hätten auch sie am Jahresende keine Millionen auf der Bank, "doch können sie schnell reagieren, wenn Probleme auftauchen". Auch Boos unterstreicht, dass viele Einrichtungen längst über einzelne Elemente der Risikosteuerung verfügten und diese bereits mit anderen Controllinginstrumenten verknüpft hätten. "Das Problem besteht darin, dass die Abläufe und Zuständigkeiten nicht sauber dokumentiert sind." Zudem fehle oft die enge Anbindung von ehrenamtlich tätigen Gremien, etwa in Vereinsvorständen, an die Geschäftsführung.

Risikoinventar als Basis des Frühwarnsystems

Die Deutsche Bischofskonferenz hat das Problem schon 2004 erkannt und seinerzeit die "Arbeitshilfen 182 - Soziale Einrichtungen in katholischer Trägerschaft und wirtschaftlicher Aufsicht" veröffentlicht. Kernfrage der Handreichung: "Wie kann man die Wahrscheinlichkeit, dass wirtschaftliche Krisen von Diensten bzw. Einrichtungen in katholischer Trägerschaft eintreten, minimieren?" Das Papier empfiehlt allen Caritasverbänden mit mehr als 50 Mitarbeitern, im Wege der Selbstverpflichtung ein Risikomanagement einzuführen. Kleinere Rechtsträger sollten prüfen, "welche Regelungen für sie relevant sind".

Im Modellversuch der Caritas in Ibbenbüren wurden zunächst die Geschäftsbereiche unterteilt und jeweils eine Arbeitsgruppe gegründet, die denkbare Risiken von der Verdrängung aus Arbeitsgebieten durch Wettbewerber über Fehler bei der Personalauswahl bis hin zu fehlerhaften Verträgen und Imageverlusten auflistet. Die Ergebnisse wurden von einer übergeordneten Arbeitsgruppe aus Leitungskräften gesichtet. So entstand ein "Risikoinventar", das in Listenform die einzelnen Gefahren beschreibt, Folgen und Eintrittswahrscheinlichkeit bewertet und Hinweise zu möglichen Gegenmaßnahmen nennt. Außerdem wurde ein Risikobeauftragter ernannt.

"Damit ist das Geschäft jedoch nicht erledigt", sagt Geschäftsführer Becker. Spannend bleibe die Suche nach "Risiken, die wir noch nicht kennen". Jetzt gelte es, die Mitarbeiter für drohende Gefahren zu sensibilisieren und "Risikomanagement im Alltag greifbar zu machen". Auch Berater Boos warnt davor, nach Abschluss des Projektes die Zügel schleifen zu lassen: "Risikomanagement ist eine Daueraufgabe, in guten wie in schlechten Zeiten."

 

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