Aufbau eines strukturierten Risikofrühwarnsystems

Managementsystem zur Früherkennung von Lieferantenrisiken


News

Nahezu jeder Einkäufer denkt angesichts der aktuellen Weltwirtschaftskrise und sich überbietender, negativer Prognosen führender Wirtschaftsforschungsinstitute und Branchenverbände über Lieferunterbrechungen in Folge einer Lieferanteninsolvenz nach bzw. war mit den Auswirkungen eines solchen Ereignisses bereits konfrontiert. Weit weniger Beschaffer machen sich jedoch systematisch Gedanken über Lieferunterbrechungen in Folge von Produktionsstörungen oder eines Fachkräftemangels beim Lieferanten. Auch reicht eine "gefühlsmäßige" Abschätzung des Risikopotenzials von Zulieferern in Zeiten der reduzierten Lagerhaltung nicht mehr aus. Vielmehr ist es von zentraler Bedeutung, ein strukturiertes Risikofrühwarnsystem mit dem Fokus auf Lieferantenrisiken zu installieren.

Damit wird der Einkäufer vor dem Hintergrund von Beschaffungsentscheidungen unterstützt. Neben Preis, Qualität und Liefertermin finden auch zahlreiche Risikoaspekte Berücksichtigung. Gemäß dem Grundsatz "You can't manage what you can't measure" wird nachfolgend eine Vorgehensweise zum Aufbau eines derartigen Frühwarnsystems vorgestellt, welche aus fünf Schritten besteht:

  1. Erhebung potenzieller Risiken,
  2. Identifikation der relevanten Risiken,
  3. Dimensionierung der Risiken in Beobachtungsbereiche,
  4. Festlegung eines Bewertungsschemas und
  5. Interpretation der Risikokonstellation.


Erhebung potenzieller Risiken

Der erste Schritt bei der Ausgestaltung eines zielorientierten, schlanken Frühwarnsystems besteht in der Ermittlung der aus Unternehmenssicht relevanten Lieferantenrisiken (Vgl. Jahns, C./Hartmann, E./Moder, M.: Supply Frühwarnsysteme erkennen, in: Beschaffung aktuell, 12/2006, S. 26-28). Hierfür sind, in einer vorbereitenden Tätigkeit, alle potenziell wirkenden Lieferantenrisiken zu erheben und zu dokumentieren. Bei der Erhebung der Risiken ist es zweckmäßig, diese nach ihrem Entstehungsort beim Lieferanten in innerbetriebliche ("Lieferanten-endogene") und außerbetriebliche ("Lieferantenexogene") Risiken zu systematisieren (Vgl. Vahrenkamp, R./Siepermann, C. : Risikomanagement in Supply Chains - Gefahren abwehren, Chancen nutzen, Erfolg generieren, Berlin 2006, S. 35). Zur möglichst vollständigen Identifikation der endogenen Risiken eines Lieferanten empfiehlt sich eine Risikogruppierung nach dessen Unternehmensfunktionen sowie Bereichen, in denen grundsätzlich Zielabweichungen vorkommen können. Als Werkzeug zur strukturierten Erfassung dieser Bereiche und Funktionen kann ein Unternehmensmodell herangezogen werden, welches die entsprechenden Lieferanten (beispielsweise eines bestimmten Wirtschaftszweiges) möglichst exakt repräsentiert. Gängige Bereichsrisiken sind u. a. die

  • Produktions- und Finanzrisiken,
  • Forschungs- und Entwicklungsrisiken,
  • Einkaufs- und Beschaffungsrisiken,
  • Distributionsrisiken sowie
  • Risiken der Informationstechnologie.


Diese auf hohem Abstraktionsniveau erhobenen endogenen Lieferantenrisiken, auch Risikoarten genannt, sind zur umfassenden und vollständigen Erhebung weiter zu detaillieren. Dies gelingt, indem jede endogene Risikoart, mit Ausnahme der Finanzrisiken, weiter in Prozess- und Ressourcenrisiken sowie Risiken der Querschnittsfunktionen untergliedert wird. Exemplarisch für die Produktionsrisiken beschrieben, erhält man durch die dargestellte Logik die folgende Struktur:

  1. Produktionsressourcenrisiken, welche den Fokus auf den Anlagen- und Maschinenpark beim Lieferanten lenken,
  2. Produktionsprozessrisiken, etwa mit dem Schwerpunkt auf ein bestimmtes Fertigungsverfahren sowie
  3. Risiken der Querschnittsfunktionen einer Produktion, u.a. die Qualitätssicherung oder das Änderungsmanagement.


Die Unterteilung der Finanzrisiken erfolgt praxisüblich in

  1. direkte Finanzrisiken, welche den Schwerpunkt auf Marktpreisschwankungen legen,
  2. indirekte Finanzrisiken, deren Gegenstand Verzögerungen oder Stockungen der Liquiditätsflüsse bilden (allen voran das Insolvenzrisiko) sowie
  3. interne Finanzrisiken, welche sich auf die negativen Auswirkungen einer ungenügenden finanziellen Einstufung (beispielsweise ein unzureichendes Rating) von Lieferanten fokussieren.

Bei der Erhebung der potenziellen außerbetrieblichen Lieferantenrisiken ist von der Unternehmensumwelt auszugehen (Vgl. Olfert, K.: Risikomanagement. Rating, Basel II, Ludwigshafen/Rhein 2005, S. 54). Diese kann prinzipiell in eine Mikro- und eine Makroumwelt unterteilt werden. Komponenten der Mikroumwelt sind etwa Abnehmer, Unterlieferanten (n-Tiers) oder Wettbewerber. Bei der Gestaltung von Frühwarnsystemen werden diese Marktpartner dem exogenen Marktrisiko zugeordnet. Risiken der Makroumwelt stellen beispielsweise politische und gesellschaftliche Veränderungen dar.

Relevante Risiken ermitteln

Die registrierten potenziellen Lieferantenrisiken sind im nächsten Schritt auf ihre Relevanz für die bestimmte Lieferantengruppe (beispielsweise eine Materialgruppe) hin zu prüfen, da sich aus Gründen der Handhabbarkeit und Wirtschaftlichkeit der Frühwarnung nur die Beobachtung der wesentlichen Lieferantenrisiken empfiehlt. Legitimiert wird diese Einschränkung durch den Gedanken der "80:20"-Gesetzmäßigkeit, die besagt, dass nur 20 Prozent der Risiken für 80 Prozent der Schäden verantwortlich sind. Zur Bestimmung der relevanten Lieferanten-Risiken sind alle Risiken hinsichtlich der Kriterien "Wahrscheinlichkeit" und "Schadenshöhe" lieferantenübergreifend und zukunftsbezogen zu bewerten. Die Risikobewertung kann entweder mittels realer Größen (Eintrittswahrscheinlichkeit in Prozent bzw. Schadenshöhe in Euro) oder alternativ anhand von Bewertungsskalen erfolgen. Bei der Verwendung von Bewertungsskalen hat sich eine Unterteilung in vier Bewertungsstufen als zweckmäßig erwiesen (Vgl. Brühwiler, B.: Risikomanagement als Führungsaufgabe – Unter besonderer Berücksichtigung der neusten Internationalen Standardisierung, 2. Auflage, Bern/Stuttgart/Wien 2007, S. 66). Die Bewertungsskala für das Kriterium "Wahrscheinlichkeit des Risikoeintritts" (bezogen auf die Lieferanten) kann beispielhaft mit folgenden Abstufungen gestaltet werden:

  • Bewertungszahl 1 = sehr unwahrscheinlicher Risikoeintritt
  • Bewertungszahl 2 = unwahrscheinlicher Risikoeintritt
  • Bewertungszahl 3 = wahrscheinlicher Risikoeintritt
  • Bewertungszahl 4 = sehr wahrscheinlicher Risikoeintritt


Die Bewertung des Kriteriums "Schadenshöhe bei Risikoeintritt" (bezogen auf das eigene Unternehmen), kann durch nachstehende Bewertungsskala erfolgen [...]

 
Den vollständigen Beitrag lesen Sie in Ausgabe "Risk, Compliance & Audit" 4/2009. Die Ausgabe ist seit 6. August 2009 lieferbar! Weitere Informationen unter www.risk-compliance-audit.com

 

Prof. Dr. Hans-Georg Köglmayr ist Professor für Logistik, Qualitätsmanagement und Marketing an der Hochschule Pforzheim. Ein Aufgabenschwerpunkt bildet dabei u. a. die Gestaltung von Risikomanagement-Systemen.

Dipl-Wirtschaftsing. Tobias Bihler ist Einkäufer für Produktionsanlagen im Bereich Power Train der Daimler AG und Teilnehmer des konzerninternen Nachwuchsprogramms CAReer – The Talent Program.



[Bildquelle oben: © diskoscheisze | photocase.com]

 

 

Kommentare zu diesem Beitrag

Christian /28.08.2009 09:25
Risk Managememt rules the world ;-)

Bei vielen Mittelständlern wird eine "gefühlsmäßige" Abschätzung des Risikopotenzials bessere Ergebnisse liefern als eine strukturierte und tw. doch arg theoretische Abschätzung der Ausfallrisiken ;-) die meisten erfolgreichen Mittelständler werde ich mit dem beschriebenen Konzept nicht vom Hocker hauen ...
Magnum /01.09.2009 21:48
Ich habe noch nicht ganz verstanden, inwieweit sich der Ansatz vom allgemeinen RM-Prozess und den semi-qualitativen Methoden unterscheidet. Aus meiner Sicht ein nicht besonders innovativer Ansatz ... oder bin ich auf der falschen Spur?
Risk Academy

Die Intensiv-Seminare der RiskAcademy® konzentrieren sich auf Methoden und Instrumente für evolutionäre und revolutionäre Wege im Risikomanagement.

Seminare ansehen
Newsletter

Der Newsletter RiskNEWS informiert über Entwicklungen im Risikomanagement, aktuelle Buchveröffentlichungen sowie Kongresse und Veranstaltungen.

jetzt anmelden
Lösungsanbieter

Sie suchen eine Softwarelösung oder einen Dienstleister rund um die Themen Risikomanagement, GRC, IKS oder ISMS?

Partner finden
Ihre Daten werden selbstverständlich vertraulich behandelt und nicht an Dritte weitergegeben. Weitere Informationen finden Sie in unseren Datenschutzbestimmungen.