Kommentar

Lehren aus der Italienkrise


Lehren aus der Italienkrise News

Was wenige erwartet hatten: Der Ausgang der italienischen Wahlen wurde nicht zum GAU der Eurokrise. Es gab zwar ein paar Blessuren. Die italienischen Zinsen sind um 50 Basispunkte gestiegen. Die Aktienkurse an der Mailänder Börse sind um 10 Prozent gefallen. Der Euro hat sich gegen den Dollar um 5 Prozent abgeschwächt. Insgesamt aber hielten sich die Rückschläge in Grenzen. Die internationalen Finanzmärkte gingen schnell wieder zur Tagesordnung über. Die Aktien haussierten rund um den Globus. Die Notenbanken diskutieren über weitere Lockerungen, um die Konjunktur anzukurbeln.

Was ist der Grund, dass sich der Ausgang der italienischen Wahlen nicht stärker auf die Finanzmärkte ausgewirkt hat? Das Wichtigste war sicher, dass Politiker in Rom wieder einmal Geschick und Ideenreichtum bei der Lösung schwieriger Konstellationen zeigten. Der Chef der Partito Democratico, Pier Luigi Bersani, lamentierte nicht lange. Er machte sich daran, einen pragmatischen Ausweg zu finden, vielleicht durch die Bildung einer Übergangsregierung zur Durchsetzung einer Wahlrechtsreform. Offenbar ist auch Beppe Grillo, der Begründer der MoVimento 5 Stelle, nicht nur der Clown, den viele in ihm sehen wollen. Er scheint zu Kompromissen bereit. In jedem Fall sieht es so aus, als ob die Politiker den für Euroland schlimmsten Fall verhindern werden, nämlich eine Rückkehr des früheren Ministerpräsidenten Berlusconi und eine Rückgängigmachung der Monti'schen Reformen.

Abbildung: Rückschlag beim Euro: Euro/Dollar seit Anfang 2012 [Quelle: Bundesbank]
Abbildung: Rückschlag beim Euro: Euro/Dollar seit Anfang 2012 [Quelle: Bundesbank]


Hinzu kommt, dass sich Italien inzwischen in einer weit besseren Situation befindet als vor einem oder zwei Jahren. Das wird oft übersehen. Das öffentliche Defizit ist deutlich reduziert worden. Es dürfte in diesem Jahr unter der Maastricht-Grenze von 3 Prozent liegen. Die Verschuldung des Privatsektors beträgt 133 Prozent des Bruttoinlandsprodukts und gehört damit zu den niedrigsten des Euroraums (Deutschland 130 Prozent). Der Fehlbetrag der Leistungsbilanz beläuft sich auf nur noch 1,5 Prozent des BIP. Die Reformen am Arbeitsmarkt und an den Produktmärkten sind auf den Weg gebracht.

Schließlich war positiv, dass die Partner Italiens nicht gepanikt haben. Sie hielten sich mit verbalen Interventionen zurück. Sie konnten die Situation allerdings nicht durch Interventionen auf den Kapitalmärkten entspannen helfen. Sowohl für das OMT der Europäischen Zentralbank als auch für Interventionen des ESM ist ein Kommittment des Schuldnerlandes zu Reformmaßnahmen erforderlich. Das konnte es nach den Wahlen aber nicht geben, da keine handlungsfähige Regierung da war, die das unterschreiben konnte.

Dass Euroland bei den italienischen Wahlen bisher mit einem blauen Auge davongekommen ist, ist jedoch kein Grund, die Hände in den Schoß zu legen. Die Situation auf dem Apennin ist immer noch instabil.

  • Politisch gibt es noch keine handlungsfähige Regierung. Die Mehrheit der Bevölkerung ist gegen Austeritätspolitik. Eine neue Regierung kann das nicht negieren. Die Mehrheitsverhältnisse sind so unsicher, dass man mit Neuwahlen vor Ablauf der Legislaturperiode rechnen muss. Erschwerend kommt hinzu, dass in Kürze ein neuer Staatspräsident bestimmt werden muss.
  • Monetär sind die Zinsen für italienische Staatsanleihen höher als das die fundamentalen Gegebenheiten rechtfertigen. Das zeigt die Unsicherheit der Investoren. Sie kann jederzeit wieder eskalieren.
  • Wirtschaftlich steckt Italien tief in Rezession und Arbeitslosigkeit. Im vierten Quartal 2012 lag die reale Wirtschaftsleistung um 2,7 Prozent unter dem Vorjahr. Die Arbeitslosigkeit betrug zuletzt 11,7 Prozent. Das sind Belastungen, die eine demokratische Gesellschaft auf Dauer kaum aushalten kann. Die Eurokrise mutiert zunehmend von einer Strukturkrise mit hoher Verschuldung und mangelnden Reformen zu einer Konjunkturkrise.


Zwei Lehren sind aus der Situation zu ziehen. Erstens muss alles getan werden, dass das Wachstum wieder anspringt. Sonst kann sich der "Fall Italien" in anderen Ländern wiederholen (wo es dann vielleicht nicht so kreative Politiker gibt). Wenn das nicht durch eine Belebung des Weltkonjunktur (und eine Zunahme der Nachfrage aus den Partnerländern) gelingt, dann muss es durch Zinssenkungen und eine vorsichtige Lockerung der Sparpolitik geschehen. Das wird eine schwierige Gratwanderung. Einerseits dürfen die bisherigen Erfolge bei der Konsolidierung nicht gefährdet werden. Andererseits muss die Nachfrage aber so zunehmen, dass die Arbeitslosigkeit zurückgeht.

Zweitens muss man über eine Anpassung des institutionellen Rahmens der Währungsunion nachdenken. Man kann man nicht davon ausgehen, dass Politiker auch in anderen Staaten so geschickt mit der Situation umgehen, dass es zu keiner Eskalation an den Finanzmärkten kommt. Man sollte daher überlegen, ob man beim Rettungsschirm ESM (nicht bei der Europäischen Zentralbank) nicht eine zusätzliche Fazilität für den Fall schafft, dass Wahlen in einem Land nicht so schnell zu einer handlungsfähigen Regierung führen. Mit ihr sollte an den Kapitalmärkten für begrenzte Zeit auch ohne ein Stabilitätsprogramm interveniert werden können. Der ESM würde sich dann weiter in Richtung auf einen Europäischen Währungsfonds bewegen.

 

Autor: Dr. Martin W. Hüfner, Chief Economist, Assenagon Asset Management S.A.

 

 

[Bildquelle: © gubh83 - Fotolia.com]

Kommentare zu diesem Beitrag

Markus /08.03.2013 21:15
"...Erstens muss alles getan werden, dass das Wachstum wieder anspringt. ...
...muss es durch Zinssenkungen und eine vorsichtige Lockerung der Sparpolitik geschehen...."

Der Nährboden ist schon lange dafür vorbereitet: Expansive Geldlockerung.
Solange dass Geld in Form von Krediten nicht in die Realwirtschaft fließt - wird sich auch in den kommenden Monaten nichts ändern!!!

Die Nullzinspolitik der Amerikaner hat bislang auch nicht mehr gebracht, als die wahrscheinliche Konkursmasse nur zu vergrößern!!!

Die Banken sitzen auf dem Geld und bevorzugen es lieber mittels komplexer Holdingstrukturen das billige Geld vom Fiskus (also dem Staat, also dem Bürger, also der Einnahmeseite des Schuldenproblems) zu verschleiern.

Zusätzlich wird durch die NICHT-Vergabe von Krediten, die Nachfrage gesenkt, also weniger Konsum und eine geringere Binnennachfrage. Ergo werden weniger Arbeitsplätze benötigt - weil weniger gekauft wird. Was sich in den Sozialsystemen Europas verstärkend niederschlägt und die Schuldenproblematik verschärft.

Eine gesteigerte Binnennachfrage würde wiederum die Inflation ankurbeln, was zusätzlich die Schulden ebenfalls inflationieren würden. Somit würde die Belastungen der Schuldenstaaten ebenfalls entlastet.

Die einzig logische Möglichkeit der EZB ist zu akzeptieren, dass die bisherigen volkswirtschaftlichen Konzepte für den ARSCH sind!!!

Die Einlagerungszinsen der EZB MÜSSEN erhöht werden !!! Die Banken werden dann faktisch gezwungen, entweder realwirtschaftlich zu investieren oder die überschüssige Liquidität wird OHNE spürbaren Effekt abgebaut - was ein mögliches CRASH-Szenario in der Dimension verkleinern würde.


"...Man sollte daher überlegen, ob man beim Rettungsschirm ESM (nicht bei der Europäischen Zentralbank) nicht eine zusätzliche Fazilität für den Fall schafft, dass Wahlen in einem Land nicht so schnell zu einer handlungsfähigen Regierung führen...."

Lieber Herr Hüfner,

oft habe ich ihre Thesen stets hinterfragt, kommentiert, kritisiert und manchmal sogar unterstützt.

ABER:

In welcher Welt leben wir denn bitte schön, dass wenn wir nun für jeden Clown der durchs Dorf getrieben wird - wieder und wieder neue Forderungen stellen was die EZB, ESM, EFSF, usw. noch machen können, sollten bla bla bla.

Und noch eine Gruppe hier, eine Kommision dort, eine Zwischenkontrollinstanz drüben usw.

Es sind nun 5 JAHRE, 5 JAHRE wohlgemerkt und Besserung ist nicht in Sicht.

Wenn wir unseren jämmerlichen Gestalten in Brüssel für jedes Problem immer und immer wieder einen Prozess starten lassen für eine neue Fazilität - werden die ursächlichen Probleme niemals angegangen.

Derartige Forderungen sind völlig weltfremd !!!
RiskNET Redaktion /13.03.2013 15:08
+++ Grillo: Italien ist de facto schon raus aus dem Euro +++

Der italienische Politiker und Überraschungssieger der letzten Parlamentswahl, Beppe Grillo, glaubt nicht an den Verbleib Italiens in der Euro-Zone. "De facto ist Italien doch schon aus dem Euro raus", sagte der Vorsitzende der Partei "Fünf Sterne" in einem Interview mit dem Handelsblatt.

Er gehe davon aus, dass auch die nordeuropäischen Staaten Italien nur so lange halten würden, "bis sie die Investitionen ihrer Banken in italienische Staatsanleihen wieder reingeholt haben. Dann werden sie uns fallen lassen wie eine heiße Kartoffel".

Grillo deutete eine Volksentscheidung zum Euro an. Er beschliesse einen Austritt aus dem Euro aber "nicht allein" sondern würde "ein Online-Referendum zum Euro machen". Genauso wie zum Vertrag von Lissabon. Dies seien "alles Themen, bei denen unsere Verfassung außer Acht gelassen wurde".

Im Interview rechnete Grillo mit dem bisherigen italienischen Ministerpräsidenten Mario Monti scharf ab. Dieser sei "ein Konkursverwalter im Namen der Banken. Statt oben bei den Topverdienern und im Staatsapparat zu kürzen, hat er den Bürgern unten höhere Steuern aufgebrummt".
Sven /13.03.2013 15:50
In dem Interview warf Grillo Deutschland vor, allein von der europäischen Einigung zu profitieren. "Warum hat sich nur Deutschland bereichert?", fragte er im Interview. Wie realitätsfern muss man eigentlich unterwegs sein, um so einen Unsinn von sich zu geben? Einen Überblick über den Haftungspegel von Deutschland für die EU-Staaten findet man hier: http://www.cesifo-group.de/de/ifoHome/policy/Haftungspegel.html
RiskNET Redaktion /14.03.2013 20:57
+++ Italiens Notenbank drängt Banken zu höheren Kreditrückstellungen +++

Die italienischen Geschäftsbanken sollten ihre Eigenmittel stärken und sich besser auf steigende Kreditausfälle vorbereiten. Dies fordert die Notenbank des Landes nach Abschluss einer Überprüfung der Banken des Landes. Die Rückstellungen für eingetretene oder erwartete Kreditausfälle müssten "aktualisiert" werden, rät die Notenbank. Zudem müssten die Geldhäuser die Betriebs- und Lohnkosten weiter senken sowie Dividendenzahlungen und Vorstandsgehälter kürzen.

Diese Maßnahmen sollen zu dem Ziel beitragen, die Abhängigkeit von externer Finanzierung zu verringern. Nach Darstellung der Notenbank ist der Anteil der notleidenden Kredite am gesamten Kreditvolumen im italienischen Bankensystem auf 12,2 Prozent gestiegen. Ende 2007 hatte der Anteil lediglich bei 4,5 Prozent gelegen.
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