Studie: Public Relations und Risikomanagement

Kommunikatives Versagen in Krisensituationen


Kommunikationsrisiken sind Risikomanagern offenbar fremd. Die aktuelle Finanzkrise liefert fast unbegrenzt Beispiele für schlechte Kommunikation in Krisensituationen. Banken übten sich in den vergangenen Monaten kollektiv vor allem in der Strategie des Schweigens oder der Falschkommunikation. Wer nichts sagt, hat vielleicht was zu verbergen. Möglicherweise müsste der eine oder andere Unternehmenskapitän zugeben, dass er die Krise nicht mehr im Griff hat. Oder der eine oder andere Vorstand müsste zugeben, dass er die Komplexität der neuen Finanzinstrumente – in der trüben Buchstabensuppe der CDOs, RMBS, SPVs, CMBS – nicht verstanden haben. Georg Funke, vormaliger Chef der Hypo Real Estate (HRE), redete die Folgen der Finanzkrise noch klein, als er um die Probleme der Bank längst hätte wissen müssen. Zunächst hatte die Bundesregierung für die HRE ein Rettungspaket in Höhe von 35 Milliarden Euro geschnürt. Nur wenige Tage später legt Funke neue Zahlen vor. Plötzlich sind 50 Milliarden Euro nötig.

Ein weiteres Beispiel für katastrophale Kommunikation hat die IKB im Jahr 2007 abgeliefert. Spät, viel zu spät und zu zögerlich hatte der gefeuerte IKB-Vorstandschef Ortseifen auf das Milliardengrab hingewiesen. Noch Mitte Juli 2007 äußerte er sich mit dem Verweis auf eine Rating-Agentur zuversichtlich, dass sein Haus nur mit einem einstelligen Millionenbetrag von den Turbulenzen am US-Immobilienmarkt betroffen sei. Wenige Wochen später standen er, die KfW, die Politik und vor allem die Steuerzahler vor einem riesigen Scherbenhaufen.

Die Banken haben ihren Reputationskredit verspielt

Die Formulierungen in Blogs und Internetforen – aber auch in seriösen Finanzblättern – sind schärfer geworden: "Kredit-Junkies", "Die dümmste Bank der Welt" oder "Finanzkrise-Zocker verabschieden sich" sind die harmlosen Varianten. In der Gesellschaft ist das Vertrauen in das globale Finanzsystem schwer erschüttert. Ein Grund hierfür liegt auch darin, dass die Banken in den vergangenen Monaten vor allem Politikern, Verbänden und Journalisten die Kommunikation gegenüber der Öffentlichkeit überlassen haben.

Krisenereignisse der vergangenen Jahrzehnte liefert ausreichend Anschauungsmaterial für "kommunikatives Versagen". So kam es am 28. Juni 2007 auf dem Gelände des Kernkraftwerks Krümmel zu einem Brand an einem der beiden Maschinentransformatoren. Als Ursache für den Brand gilt ein Kurzschluss innerhalb des Transformators, der zum Entzünden des Transformatorenöls führte. Die mediale Berichterstattung wurde von einer Vielzahl von Interessengruppen und Organisationen gesteuert. Der Betreiber Vattenfall reagierte mit Schweigen und überließ Politikern, Interessengruppen und Verbänden die Unterrichtung der Öffentlichkeit. Abhängig von der Interessenlage der zitierten Gruppe variieren die Einschätzungen hinsichtlich der von den Geschehnissen ausgegangenen Gefährdungslage. Das die Fakten teils unvollständig und teils widersprüchlich waren, störte die Meinungsmacher nicht. Vielmehr wurde die Tür für Spekulationen weit geöffnet.
Am Ende des Tages war die Öffentlichkeit desinformiert und das Image von Vattenfall angekratzt. Konzernchef Lars G. Josefsson bestätigte später: "Wir waren unfähig, richtig zu kommunizieren."

Das "kommunikative Versagen" verwundert, denn seit vielen Jahren hat sich in diesem Bereich ein Wirtschafts- und Wissenschaftszweig entwickelt, der sich ausschließlich mit der Prävention sowie dem Management von Unternehmenskrisen befasst. Mit Werkzeugen des Krisen- und Risikomanagements stehen den Unternehmen mannigfaltige Instrumente auch zur kommunikativen Bewältigung von Krisensituationen zur Verfügung und finden in den Unternehmen Anwendung.

Alles im grünen Bereich – trotz roter Ampeln

Die aktuelle Finanzkrise zeigt, dass die Banken nicht nur beim präventiven Management ihrer Markt-, Liquiditäts- und Kreditrisiken versagt haben, sondern eben auch beim Management von Kommunikations- bzw. Reputationsrisiken. Tendenziell haben die Methoden und Anreizsysteme einen zu sorglosen Umgang mit Risiken gefördert. In vielen Häusern waren die Instrumente und Werkzeuge zur Bewertung und Steuerung von Risiken vorhanden – allerdings wurden die Informationen in der strategischen  Unternehmenssteuerung nicht verwendet, oder die Limitsysteme wurden so justiert, dass die roten Ampeln schneller wieder grün waren, als die Bits und Bytes durch die Kabel surrten. Die Finanzkrise zeigt vor allem, dass Grundprinzipen des Bankgeschäfts und des Risikomanagements ausgehebelt wurden.

Kommunikationspannen von Peanuts bis Victory

Den Begriff des kommunikativen Risikos sollten die Banken seit der Kommunikationspannen der Deutschen Bank – von Peanuts bis Mannesmann – beherrschen. Die Liste der Kommunikationspannen ist lang. Der Mannesmann-Prozess, das für viele Menschen arrogant wirkende Victory-Zeichen. Seit Januar 2004 sind Ackermanns Finger ein Zeichen für Respektlosigkeit und Arroganz. "V wie Verlierer" titelt die WELT wenige Tage danach. Für die Süddeutsche Zeitung ist Ackermanns Geste "obszön und ein Abgrund der Arroganz".

Und dann dieser verhängnisvolle Satz zu Prozessbeginn: "Deutschland ist das einzige Land, in dem diejenigen, die Werte schaffen, vor Gericht stehen." Dann folgte das Kommunikationsdesaster im Zusammenhang mit einer möglichen Übernahme der Postbank, deren Börsengang die Deutsche Bank vorbereitete. Anfang 2005 verkündet Ackermann steigende Gewinne und ehrgeizige Renditeziele – und verbindet diese Erfolgsmeldung mit der Ankündigung 6.400 Arbeitsplätze abzubauen.

Bereits Hilmar Kopper, von 1989 bis 1997 Vorstandssprecher der Deutschen Bank, bezeichnete im Jahr 1994 auf einer Pressekonferenz die den von Immobilien-Pleitier Jürgen Schneider engagierten Handwerkern entstandene Schadenssumme in Höhe von rund 50 Millionen DM als "Peanuts". Peanuts wurde in der Folge das Unwort des Jahres 1994.

Dauerfehde Kirch contra Breuer

Wenige Jahre später tappte Ackermanns Vorgänger Rolf Breuer in die Kommunikationsfalle. Während eines Interviews am 3. Februar 2002 plauderte dieser über den Kunden Leo Kirch und entzündet damit eine langjährige juristische Auseinandersetzung und einen massiven Reputationsverlust für die Deutsche Bank. Leo Kirch wirft Breuer vor, mit Aussagen in dem Interview seinen Medienkonzern in die Pleite getrieben zu haben. Daher fordert Kirch von der Bank und Breuer zusammen insgesamt 3,7 Milliarden Euro Schadensersatz. Am Ende des fünfminütigen Interviews lockte der Redakteur von Bloomberg TV den damaligen Deutschen Bank-Chef in die Falle: "Die Frage ist ja, ob man ihm mehr hilft, weiter zu machen?" Breuer tappte in die Falle hinein: "Das halte ich für relativ fraglich. Was man darüber lesen und hören kann, ist ja, dass der Finanzsektor nicht bereit ist, auf unveränderter Basis noch weitere Fremd- oder gar Eigenmittel zur Verfügung zu stellen. Es können also nur Dritte sein, die sich gegebenenfalls für eine – wie Sie gesagt haben – Stützung interessieren." Zwei Monate später meldete Kirch Media Konkurs an und die Deutsche Bank konnte eine Kommunikationspanne mehr verbuchen.

Risikomanagement isoliert von Krisenmanagement

Eine jüngst veröffentlichte Studie "Public Relations und Risikomanagement" zeigt auf, wie sich kommunikative Risiken für Unternehmen spezifizieren lassen und wie es gelingt, kommunikative Aspekte in Risikomanagementsysteme zu integrieren. Im Rahmen der Studie wurden Interviews mit Kommunikationsverantwortlichen großer Aktiengesellschaften geführt. Diese zeigen, dass in den Kommunikationsabteilungen der Unternehmen zwar eine hohe Sensibilität für kritische Issues und potenzielle Kommunikationsprobleme herrscht, daraus resultierende Präventionsmechanismen und Krisenmanagementsysteme jedoch weitgehend isoliert vom institutionalisierten Risikomanagement arbeiten.

Kommunikationsrisiken können auf vielen Ebenen lauern

Während die Kommunikationsabteilungen in das Krisenmanagement eingebunden sind bzw. häufig sogar eine führende Position darin einnehmen, spielen sie im Risikomanagement kaum eine Rolle. Zwischen betriebswirtschaftlichem Risikomanagement einerseits und Krisenmanagement andererseits herrscht in den Unternehmen somit oftmals eine Lücke. Als "Allheilmittel" im Umgang mit Risiken wird von den Kommunikationsverantwortlichen häufig das Issues Management ins Feld geführt. Die Studie kommt jedoch zu dem Ergebnis, dass dieses die Lücke allein nicht schließen kann, weil es gar nicht alle Arten von Risiken erfasst. So sind etwa Risiken aus internen Vorfällen und aus kommunikativem Fehlverhalten von der Betrachtung weitgehend ausgeschlossen.

Insgesamt lassen sich sechs Arten kommunikativer Risiken unterscheiden, die zwei Dimensionen zugeordnet werden:

1. Kommunikation selbst kann der Auslöser einer kritischen Situation sein:

  • kulturell-strukturell bedingte kommunikative Handlungsrisiken (Erwartungshaltungen von Stakeholdern können nicht erfüllt werden)
  • individuell bedingte kommunikative Handlungsrisiken (kommunikatives Fehlverhalten einer Person, die das Unternehmen repräsentiert)


2. Fehlerhafte Kommunikation kann aber auch selbst als Krisenkatalysator, als Verstärker der negativen Wirkung anderweitig ausgelöster Krisen, wirken:

  • kommunikative Risiken in Verbindung mit (Sicherheits-)Risiken (Störfälle, Produktrückrufe)
  • entscheidungsbezogene kommunikative Risiken (etwa Börsengang und andere unternehmerische Entscheidungen)
  • exogene kommunikative Risiken, bei denen das Unternehmen von außen mit einem kritischen Thema konfrontiert wird
  • endogene kommunikative Risiken, die aus internen Konflikten und Vorgängen hervorgehen.


Die Untersuchung kommt zu dem Ergebnis, dass die einzelnen Prozessschritte des betriebswirtschaftlichen Risikomanagements gezielt um kommunikationsbezogene Instrumente erweitert werden sollten. Nur so ist es möglich, die gesamte Bandbreite kommunikativer Risikolagen von exogen induzierten Ereignissen bis hin zu internen Kommunikationsproblemen abzudecken.

In die Prozessphasen des Risikomanagements (Risikoidentifikation, -bewertung, - steurung und -kontrolle) müssen dafür prozessual kommunikative Fragestellungen integriert werden. Dies geschieht zuerst im Rahmen der Risikoidentifizierung. Neben den Instrumenten des Issues Management kommt der Entwicklung und Integration von kommunikativen Szenarien und Stakeholder-Analysen große Bedeutung zu. Für die Identifikation kommunikativer Handlungsrisiken bieten sich zudem spezielle Checklisten an. Überdies bieten sich Methoden wie Medienanalyse sowie Markt- und Meinungsforschung innerhalb des Risikomanagements an.

Im nächsten Schritt, der Risikobewertung, wird durch eine neuartige Parametrisierung die betriebswirtschaftliche Betrachtung der Schadenshöhe eines Risikos um Auswirkungen auf die Reputation ergänzt. Im Schritt der Risikobehandlung schließlich kommt, im Sinne dieser ganzheitlichen Betrachtung, dem Krisenmanagement eine entscheidende Bedeutung zu. Es greift immer dann, wenn Risiken im Prozess des Risikomanagements nicht ausgeräumt werden können.

Die integrierte Krisenbetrachtung

In diesem Sinne darf also Krisenkommunikation nicht als vom Risiko- und Krisenmanagement losgelöstes Element verstanden werden. Sie reiht sich vielmehr in den Prozesskreislauf des Risikomanagements ein. Ein integriertes Risiko- und Krisenmanagement hebt ineffektive Parallelexistenzen auf und trägt in Zeiten permanenter Öffentlichkeit und kritischer gesellschaftlicher Wahrnehmung zu einer ganzheitlichen Krisenprävention und -bewältigung bei.

Die beschriebenen Methoden- und Parametererweiterungen verhindern, dass plötzlich komplett neue Managementsysteme benötigt werden, weil zwei unvereinbare Systeme (Risikomanagement und Krisenkommunikation) zusammengeführt werden müssen. Vielmehr gilt es in den Unternehmen vorhandene Systeme auszubauen und neue Schnittstellen zu etablieren.

Kullick, Claudia: Public Relations und Risikomanagement. Berlin, München, Brüssel 2008, ISBN: 978-3-9-3845620-0Weitere Informationen finden Sie in der Studie:

Kullick, Claudia: Public Relations und Risikomanagement. Berlin, München, Brüssel 2008, ISBN: 978-3-9-3845620-0

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Kommentare zu diesem Beitrag

Hans-Peter /20.01.2009 17:42
Der Artikel trifft den Nagel auf den Kopf. Leider haben viele Unternehmen immer noch nicht verstanden, dass der Wille zur Aufklärung klar kommuniziert werden muss. Als primäres Ziel muss eine rasche Transparenzschaffung über die Krisenursachen verfolgt werden. Funktioniert leider nur äußerst selten = siehe Subprimekrise.
Pirate007 /20.01.2009 20:01
Beim Thema Kommunikation können sich Politik und Banken die Hand reichen. Er sei erinnert an die weiss-blaue Bank aus dem Süden: Huber selbst will die Öffentlichkeit nach "bestem Wissen und Gewissen" informiert haben. Viel zu lange hatten Bankvorstand, Aufsichtsrat und Politik die Probleme klein geredet. Mehrfach die Krise für beendet erklärt. Dabei waren die Probleme und Verluste so riesig, dass sie auch der größte Laie hätte erkennen können ;-((
Gerd /26.01.2009 13:50
Krisenmanagement und Krisenkommunikation erfordern vor allem Schnelligkeit, Gründlichkeit, Ehrlichkeit und Beharrlichkeit.
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