Das Risiko der gesellschaftspolitischen Positionierung von Marken

Haltung oder Gesinnung


Das Risiko der gesellschaftspolitischen Positionierung von Marken Kolumne

Marken als Kommunikationsmedien haben den Sinn Inhalte zu vermitteln, welche für den anvisierten Kunden von Relevanz, also von Bedeutung sind, damit diese Produkte der eigenen Marke präferieren. Um herauszufinden, ob und wann es für Markenunternehmen Sinn macht, sich zu gesellschafts-politischen Themen zu positionieren, ist es notwendig zu untersuchen, ob es für diverse Anspruchsgruppen wichtig ist, dass sich Marken überhaupt politisch positionieren und wenn ja, welche Risken damit verbunden sind. 

Politisches Engagement von Marken wird kontrovers bewertet

So stellte das Markt- und Meinungsforschungsunternehmen Civey 2019 im Rahmen einer Untersuchung für die Publikation "Marken als politische Akteure”, fest, dass rund jeder zweite Bundesbürger gesellschaftliches Engagement von Markenunternehmen befürwortet. Aber nur 19 Prozent der Deutschen würden es begrüßen, wenn sich Unternehmen politisch äußern, wobei diese Ansicht eher von linken Milieus vertreten wird: Rund 62 Prozent der Grünen-Wähler und 61 Prozent der Anhänger der Linkspartei stehen einem politischen Engagement von Markenunternehmen positiv gegenüber. Auch SPD-Anhänger unterstützen mehrheitlich eine politische Haltung von Markenunternehmen. Dagegen stehen mehr als die Hälfte der FDP-Anhänger einer Einmischung von Unternehmen in politische Debatten ablehnend gegenüber, bei der AfD sind es 62 Prozent der Anhänger. 

Die Edelmann Markenstudie "Earned Brand 2017: Love Brand oder No Brand –Konsumenten entscheiden wertegetrieben" kommt außerdem zu dem Ergebnis, dass mit einem höheren Alter der Konsumenten auch die Abneigung gegenüber politisch engagierten Marken steigt, sowie die generelle Haltung vorherrscht, dass Marken und Politik wenig miteinander zu tun haben. Jüngere Konsumenten (zwischen 18 und 30) bewerten dagegen politisch agierende Marken positiver und drücken das auch durch ihr Kaufverhalten aus, wozu vor allem die Millennials (23-37 Jahre) als Belief-Driven Buyers zählen: mehr als 60% von ihnen achten beim Kauf auf die jeweilige Positionierung einer Marke zu gesellschaftlichen Themen. Auch die politische Einstellung der Konsumenten hat einen Einfluss auf die Akzeptanz der Marke. Die Edelmann Studie kommt hier zu dem Schluss, dass Belief-Driven Buyers die loyaleren Kunden sind, denn entspricht eine Marke der eigenen Wertehaltung, ziehen doppelt so viele diese Marke nicht nur beim Kauf primär in Betracht, sondern würden diese auch öfter kaufen, weniger wahrscheinlich zur Konkurrenz wechseln und die Marke weiterempfehlen. Außerdem sind 23% der Belief-Driven Buyers dazu bereit bis zu 25% mehr für eine Marke zu bezahlen, die sich politisch und gesellschaftlich positioniert. 

Edelmann Markenstudie "Earned Brand 2017: Love Brand oder No Brand –Konsumenten entscheiden wertegetrieben" [Quelle: Edelmann]Edelmann Markenstudie "Earned Brand 2017: Love Brand oder No Brand –Konsumenten entscheiden wertegetrieben" [Quelle: Edelmann]

Im Ergebnis ist festzuhalten, dass es ein großer Teil der Bevölkerung positiv sieht, wenn sich Marken gesellschaftlich engagieren, aber nur ein kleiner, eher politisch linksgerichteter Anteil und die Gruppe der jüngeren Konsumenten (Millenials), sich für eine politische Positionierung von Marken aussprechen. Das bedeutet, dass Marken, die positive Beiträge zur Erhöhung des Gemeinwohls leisten, generell eine hohe Zustimmung erfahren und so ihre Wettbewerbsfähigkeit erhöhen. Marken, die sich politisch transparent positionieren, gehen dagegen vor allem das Risiko ein, Kunden und damit Wertschöpfung zu verlieren, besitzen aber gleichzeitig die Chance, bei ihren verbliebenen Anhängern die Markenloyalität zu erhöhen und ein Preispremium zu erzielen. Vor allem für Marken, die mit "Fast-Moving-Consumer-Goods (FMCG)" breite Bevölkerungsschichten ansprechen, scheint deshalb eine Positionierung als politischer Akteur keine empfehlenswerte Option zu sein.

Auf die Glaubwürdigkeit kommt es an

Starke Marken positionieren sich schon lange mit einer Wertehaltung, die auf funktionalen Leistungswerten aufsetzt, welche sich auf die hohe Qualität ihrer Produkte und den damit verbundenen Nutzen für die Kunden konzentriert. Auch engagieren sich Unternehmensmarken nicht erst seit heute mit einer ethischen Wertehaltung und setzen sich für Klimaschutz, Gleichberechtigung oder kulturelle Vielfalt ein, um das Gemeinwohl und den sozialen Frieden zu fördern. Deshalb positioniert sich die Deutsche Bahn zurecht mit ihrer Kampagne "ToleranzZeit" für Toleranz mit der Bedeutung von Gastfreundlichkeit, um ihre Vision "Menschen verbinden" erlebbar zu machen. Auch hier können jedoch Risiken eintreten, zum Beispiel durch den Einsatz von Bildmotiven, die politischen Zündstoff enthalten und die Glaubwürdigkeit der Marke in Frage stellen. So läuft die Deutsche Bahn mit dem ausgewählten Motiv der Kopftuchtragenden jungen Frau in das Risikofeld einer kontroversen politischen Positionierung. Denn im Iran demonstrieren gleichzeitig Hunderttausende von Frauen gerade gegen das zwanghafte Tragen des Kopftuches als Zeichen der Unterdrückung der persönlichen Freiheit, was die Wertepositionierung "Toleranz" der Marke Deutsche Bahn konterkariert und die Marke dadurch an Glaubwürdigkeit verliert. Kommt dann dazu, dass die Deutsche Bahn noch nicht einmal den Grundwert "Pünktlichkeit" einhält, macht sie sich mit ihrer Imagekampagne eher unglaubwürdig. 

Kampagne der Deutschen Bahn [Quelle: Deutsche Bahn]Kampagne der Deutschen Bahn [Quelle: Deutsche Bahn]

Die Eismarke Ben & Jerry’s engagiert sich im Klimaschutz und begreift "…die Klimakrise nicht nur als große Gefahr für das Ökosystem unseres Planeten, sondern als die existenziellste Bedrohung für alles Leben auf der Erde."

Kampagne der Eismarke Ben & Jerry’s [Quelle: Ben & Jerry’s]Kampagne der Eismarke Ben & Jerry’s [Quelle: Ben & Jerry’s]

Diese Positionierung trifft auf eine breite gesellschaftliche Zustimmung, muss aber auch folgendes Risiko beachten: Passen zum einen die kommunizierten Werte nicht zur Wertehaltung der Marke oder werden nicht authentisch vom Unternehmen gelebt, indem zum Beispiel klimabelastende Rohstoffe verwendet werden, können großflächige Vertrauensverluste bei Kunden und in der Öffentlichkeit aufgrund mangelnder Glaubwürdigkeit entstehen. Ein wichtiges Kriterium in der Glaubwürdigkeit einer Wertehaltung ist zudem die Position, welche die oberste Führungsebene des Unternehmens einnimmt: Werden die Werte von den Führungskräften vorgelebt und in den strategischen Entscheidungen im Rahmen der Markenführung sichtbar oder reduziert sich die Wertehaltung zum Beispiel nur auf eine temporäre Werbekampagne, der man sich aus Gründen der politischen Opportunität anschließt, und die von einer Werbeagenturen konzipiert und von der Marketingabteilung beauftragt  wurde.

Politischen Missbrauch von Marken vermeiden

Wenn es um die Kommunikation von Wertehaltungen geht, welche gesellschaftlich von breiten Kreisen akzeptiert werden, reduziert sich das Risiko eines Kundenverlustes durch die Beschädigung des Vertrauensverhältnisses erheblich. Geht es aber um Themen, wo die damit verbundenen Wertehaltungen ideologisch aufgeladen sind, und für gesellschaftliche Spannungen sorgen, ist es notwendig mit höchster Sorgfalt in der Positionierung der Marke vorzugehen. Steht doch die Wahrung von Verfassungsrechten auf dem Spiel. Hier empfiehlt es sich eine neutrale Position einzunehmen. Damit können die Unternehmen nicht nur das Risiko von Spannungsfeldern in der Mitarbeiterschaft und des Kundenverlustes, sondern auch das Risiko eines politischen Missbrauchs der Marke durch entsprechende Interessengruppen oder staatliche Institutionen proaktiv vermeiden. Aus diesem Blickwinkel ist zum Beispiel die Initiative "Gemeinsam gegen Corona" zu beurteilen, an der sich viele hundert Unternehmen beteiligt haben und sich mit der Abwandlung ihrer Marken-Slogans pro Impfen positioniert haben: "Come impf and find out” von Douglas, "Have a break, have a pieks” von Kitkat oder Hornbach mit "Es gibt immer was zu impfen".

Hornbach-Kampagne "Es gibt immer was zu impfen" [Quelle: Hornbach]Hornbach-Kampagne "Es gibt immer was zu impfen" [Quelle: Hornbach]

Auch die aktuelle Kampagne "#Zusammenland – Vielfalt macht uns stark" sorgt für kontroverse Beurteilungen. Sie ist von den Medienhäusern "Die Zeit", "Handelsblatt", "Süddeutsche Zeitung", "Tagesspiegel", "Wirtschafts-Woche" und "Ströer" initiiert und will gemeinsam mit rund 500 Unternehmen, Stiftungen und Verbänden ein deutliches Zeichen gegen Rechtsextremismus setzen. Diese Kampagne beinhaltet jedoch Risiken für die teilnehmenden Marken, da es sich um eine ideologisch aufgeladene Kommunikation mit hohem Konfliktpotential aufgrund fehlender Faktenbasiertheit und damit Objektivität handelt. 

Kampagne "#Zusammenland – Vielfalt macht uns stark" [Quelle: Zeit]Kampagne "#Zusammenland – Vielfalt macht uns stark" [Quelle: Zeit]

Konkret besteht das Risiko darin, dass die sich beteiligenden Markenunternehmen in eine parteipolitische Auseinandersetzung hineingezogen werden, in der zwar eine von breiten gesellschaftlichen Kreisen goutierte Wertehaltung vertreten, aber vor allem eine ausgrenzende politisch konnotierte Gesinnung zum Ausdruck gebracht wird, welche geeignet ist das Image der Marken zu beschädigen.

Das Fazit

Es ist eine Entwicklung zu beobachten, wo sich Marken immer mehr zu gesellschafts-politischen Themen äußern und sich entsprechend ihrer eingenommenen Wertehaltung positionieren. Gleichzeitig ist festzustellen, dass Marken immer austauschbarer werden und ihre Sinn- und Orientierungsfunktion mit dem Ergebnis verloren haben, dass Konsumenten zunehmend eine Gleichgültigkeit gegenüber der überbordenden Masse an Marken entwickeln, die darin gipfelt, dass diese auf 74% der bestehenden Marken verzichten könnten, wie die Meaningful Brands Studie der Havas Gruppe herausfand. Bevor sich diese Marken politischen Themen zuwenden, um Kunden zu gewinnen, sollten sie lieber ihre Hausaufgaben machen und ihren Kunden Produkte anbieten, welche deren Bedürfnisse erfüllen. Und obwohl vor allem politisch links orientierte Anspruchsgruppen zunehmend auch von Marken eine klare Haltung zu gesellschafts-politischen Themen einfordern, heißt das noch lange nicht, dass Marken, wenn sie erfolgreich sein wollen, zwangsweise ein politisches Selbstverständnis entwickeln müssen. Vor allem nicht eine Haltung einnehmen müssen, die von spezifischen politischen Gruppen gefordert und ideologisch überlagert ist. Vielmehr sollten Marken ihrem Auftrag folgen mit sinnvollen Produkten und Projekten, die einer positiven Wertehaltung entsprechen und einen hohen Nutzen für Kunden und Gesellschaft erzeugen, begeistern und sich nicht partei- und staatspolitisch instrumentalisieren lassen. Denn clevere erfolgreiche Marken stehen schon immer für eine Nutzen stiftende Wertehaltung und agieren nicht als politische Akteure mit einer ideologischen Gesinnung.  

Autor:
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Wolfgang Schiller
hat im Brand Risk Management Pionierarbeit geleistet und ist heute der führende Experte. Seit über 35 Jahren berät er Unternehmen aller Größenordnungen und Branchen im Aufbau, der Führung und des Schutzes von werttreibenden Markensystemen.

 

[ Bildquelle Titelbild: Generiert mit AI ]
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