Deutschland als Zielhafen für schmutziges Geld

Geld stinkt nicht… oder doch?


Deutschland als Zielhafen für schmutziges Geld: Geld stinkt nicht… oder doch? Kolumne

Der Prozess der Geldwäsche geht zurück auf den legendären Gangsterboss Alphonse "Al" Capone, dem Herrscher der Chicagoer Unterwelt der 1920er Jahre. Bis dato konnte Al Capone lediglich einmal wegen illegalen Waffenbesitzes verurteilt werden, ehe er wegen Steuerhinterziehung in Höhe von 200.000 US-Dollar zu elf Jahren Gefängnis verurteilt wurde. Sodann wurde es der organisierten Kriminalität klar, dass die Spuren zum illegal erwirtschafteten Geld aus Alkoholschmuggel, Drogenhandel, Schutzgelderpressung und sonstigen Raubzügen verwischt werden mussten. Es bedurfte plausibler Erklärungen für die immensen Summen, mit denen hantiert wurde – es war quasi ein legaler Anschein für die illegalen Aktivitäten nötig. Et voilà: der Prozess der Geldwäsche wurde geboren. In seinem Gerichtsprozess 1931 antwortete Al Capone übrigens auf die Frage nach seinem Beruf: "Ich bin im Wäscherei-Business tätig." Dies stimmte sogar, denn er nannte eine Reihe von Waschsalons sein eigen.

Die Waschsalons eigneten sich perfekt zur Geldwäsche, denn die Menge an eingenommenem Bargeld war sehr unübersichtlich, sodass die immensen Mengen an illegal erwirtschafteten Geldern elegant in den legalen Wirtschaftskreislauf "eingeschleust" werden konnten. Sie wurden "gewaschen".

Heute: Same, same but different…!?

Im Vergleich zur Chicagoer Unterwelt der 1920er Jahre agiert die organisierte Kriminalität heute deutlich geräuschloser. Trotzdem belaufen sich die Schätzungen des jährlich illegal gewaschenen Geldes auf rund 100 Milliarden Euro – allein in Deutschland! Die OECD bescheinigte Deutschland zwar Fortschritte, allerdings stehen die Zuständigkeiten bei den Behörden – insbesondere auf Bundes- und Landesebene – stark in der Kritik. Wie Anti-Geldwäsche-Experte Andreas Frank und Finanzkorrespondent Markus Zydra in ihrem Buch "Dreckiges Geld" dargelegt haben, funktionieren die Mechanismen der Behörden in Deutschland – insbesondere der Financial Intelligence Unit (FIU) – alles andere als effizient. So werden nur selten "große Fische" gefangen, sondern die Behörde ertrinkt in einem Meer von (selbst gewähltem) Kleinkram. Auch ein vertraulicher Bericht des Bundesrechnungshofes, der dem Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages am 11. September 2020 überreicht wurde, kommt zu einem erschütternden Urteil: "Die FIU kann auf die regionalen Polizeidaten in den Vorgangsbearbeitungssystemen der Länderpolizeien nicht elektronisch zugreifen. Die Datenbestände der Länderpolizeien enthalten Informationen zur Organisierten Kriminalität und des Staatsschutzes. Die FIU kann auch auf einen Großteil wichtiger Steuerdaten der Finanzverwaltungen des Bundes und der Länder nicht elektronisch zugreifen, insbesondere auf die verschiedenen steuerlichen Veranlagungsdaten. Die FIU kann damit die in sie gesetzten Erwartungen nur unzureichend erfüllen. Es besteht vor allem die Gefahr, dass die FIU Sachverhalte mit Bezug zu Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung nicht erkennt beziehungsweise erkennen kann und infolgedessen nicht an die Strafverfolgungsbehörden weiterleitet […]". Die Gewerkschaft der Polizei spricht in diesem Kontext von einem gravierenden Problem in der Geldwäschebekämpfung - "Ein Trauerspiel aus dem BMF".

Bundesfinanzminister Lindner hatte hierauf mit Plänen zur Schaffung eines Bundesfinanzkriminalamtes reagiert. Auch wird im OECD-Bericht kritisiert, dass es in Deutschland (noch) keine Bargeldobergrenze gebe.

Das Problem liegt allerdings nicht nur bei fehlenden Zuständigkeiten der Behörden, sondern auch zentralen Regelungslücken. Solange Politiker wie die griechische Europapolitikerin Eva Kaili Bargelder in Höhe von 1,5 Millionen Euro ohne plausible Gründe horten, scheint der Fisch vom Kopf zu stinken. Im Zentrum der Ermittlungen soll der frühere Europaabgeordnete Pier Antonio Panzeri stehen. Es wird gemunkelt, dass Kaili die Gelder aus Katar und Marokko erhielt, um politische Entscheidungen des Parlaments zu beeinflussen.

Wenn der Amtsschimmel wiehert…

CumEx und der Umgang mit den Sanktionen gegen russische Oligarchen sind zwei aktuelle Beispiele, die zeigen, wie stark die Diskrepanz zwischen politischem Willen und tatsächlicher Umsetzung sind. Im Fall CumEx gibt es zwar erste Urteile – insbesondere gegen "Mr. CumEx" Hanno Berger. Gleichzeitig gibt es aber auch noch zahlreiche Hintermänner, die vermutlich nie belangt werden. Auch die Gedächtnislücken des Kanzlers Olaf Scholz helfen nicht unbedingt bei der Aufklärung und zeugen nicht vom unbedingten politischen Willen, der Geldwäsche den Kampf anzusagen. Und insbesondere bilden offenkundige Lügen eines politischen Amtsträgers kein solides Fundament für eine ehrliche und redliche Ethik in einer Gesellschaft. Doch es bleibt abzuwarten, ob die eine oder andere Erinnerung zurückkehrt, nachdem der Finanzausschuss des Bundestags kurz vor Weihnachten beschloss, das Protokoll einer Sitzung des Jahres 2020 nicht länger mit der Geheimhaltungsstufe "Verschlusssache Vertraulich" einzustufen. So gibt es Diskrepanzen und einen "nicht mehr glaubhaften Erinnerungsverfall", der nun aufgeklärt werden soll.

Auch der Umgang mit russischen Oligarchen und der Mafia ist in Deutschland alles andere als konsequent. In der Folge ist Deutschland ein Shopping-Paradies für Oligarchen und Mafia-Bosse. Während beispielsweise Großbritannien öffentlichkeitswirksam den russischen Oligarchen Roman Abramowitsch zum Verkauf seiner Anteile am Fußballclub FC Chelsea gedrängt hatte, tut sich Deutschland schwer, die EU-Finanzsanktionen umzusetzen. Dies zeigt auch die Antwort der Bundesregierung auf eine schriftliche Anfrage des Linken-Abgeordneten Christian Görke im Bundestag, wonach mittlerweile fünf Milliarden Euro an Oligarchengeldern eingefroren wurden. Dies sind allerdings lediglich 500 Millionen Euro mehr als im Juli 2022. Dies legt nahe, dass die aktuelle Gesetzeslage nicht die erhoffte Wirkung erzielt. 

Nach Einschätzung von Görke ändert sich hieran auch nicht so schnell etwas, denn es sei für die Ermittler äußerst schwierig: "Wem was in Deutschland gehört, ist eine Blackbox." Die fehlende Digitalisierung der Grundbücher ist ebenso hemmend wie auch die unvollständigen Transparenzregister. Bei 27 Prozent der eingetragenen Personen handelt es sich derzeit um fiktive Namen. Darüber hinaus sorgte ein EuGH-Urteil Anfang Dezember dafür, dass einige EU-Staaten ihre Transparenzregister schließen mussten. Erschwerend kommen Personalengpässe in Behörden und die – bereits oben skizzierten – unklaren Zuständigkeiten hinzu.

Man muss sich nur einmal vor Augen führen, welche Behörden daran beteiligt sind, dass Deutschland nicht länger im Zusammenhang mit Geldwäsche "Gangsta’s Paradise" bleibt: Neben dem Wirtschafts- und Finanzministerium sind es auch die Ressorts für Inneres, Äußeres, für Verkehr und für Justiz sowie die Nachrichtendienste, das Bundeskriminalamt, die Bundesbank, die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, das Zollkriminalamt, die Zentralstelle für Finanztransaktionsuntersuchungen, das Hauptzollamt, das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle und die entsprechenden Behörden auf Länderebene.
Und auf der anderen Seiten agieren Diktatoren, Autokraten, Terroristen, Oligarchen, Mafiosi und korrupte Politiker effizient und mit Unterstützung von "Crime Enablern", d. h. hierauf spezialisierten Anwaltskanzleien und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften. Im Buch "Dreckiges Geld" kann man hierzu lesen: "Diese Herrschaften unterstützen Finanzkriminelle gegen fürstliche Honorare, was die Doppelmoral der westlichen Gesellschaften offenbart. Politiker verurteilen in ihren Reden die korrupten Autokraten, doch gleichzeitig bieten sie denselben in der demokratischen Welt die rechtlichen Möglichkeiten, einen sicheren Hafen für geraubtes Vermögen zu bauen, etwa im US-Bundesstaat Delaware oder auf den Britischen Jungferninseln." Oder noch schlimmer: Die politischen Akteure sind gleichzeitig Akteure im Geldwäsche-Deal oder direkt oder indirekt beteiligt bei anderen kriminellen Machenschaften (siehe beispielsweise Wirecard, FTX, CumEx).

Beispiel: Luxusyacht Dilbar

Die Luxusyacht Dilbar macht das ganze Dilemma im Zusammenhang mit Geldwäscheprävention und Sanktionen deutlich. Das Luxusschiff gehört dem sanktionierten russischen Oligarchen Alisher Usmanov, der wohl auch Villen am Tegernsee besitzt und gegen den wegen Steuerhinterziehung in Millionenhöhe ermittelt wird.

Aus diesem Grund hatten die Behörden die Yacht bereits im Frühjahr 2022 aus der Verfügungsmacht Usmanovs entzogen. Die Frage allerdings, wer für die Überführung und Wartung an/durch die Reederei Blohm + Voss bezahlte, konnte weder das Bundeskriminalamt noch die Generalstaatsanwaltschaft beantworten. Das Finanzministerium erklärte lediglich, dass der Besitzer selbst die Kosten dafür zahlen müsse. Dies ist allerdings bekanntlich nicht möglich, da Usmanov in Deutschland keine Geschäfte mehr tätigen darf. Es darf also gerätselt werden, wer zu guter Letzt die Kosten übernimmt…

Zusammenspiel mit Risikomanagement

Speziell bei Finanzdienstleistern und anderen regulierten Branchen gibt es einen engen, kausalen Zusammenhang zwischen den Anstrengungen der Geldwäscheprävention, dem Risikomanagement und der Geschäftsentwicklung, wie das Beispiel N26 zeigt. Ende 2021 setzte die Bankenaufsicht BaFinzwei Sonderbeauftragte für das Institut ein und begrenzte das Kundenwachstum auf maximal 50.000 pro Monat. Für ein Unternehmen, das voll auf Digitalisierung und Skalierung setzt(e), war dies ein schwerer Schlag. Ebenso selbstverständlich das verhängte Bußgeld in Höhe von 4,25 Millionen Euro. 

Hintergrund der Aktion war eine verspätete Reaktion des Instituts auf die Meldung mutmaßlich betrügerisch genutzte Konten. Die Konten wurden dabei insbesondere für Fake-Online-Shops verwendet, um entweder zu betrügen oder Geld zu waschen.
Sowohl bei der Geldwäscheprävention als auch einem nicht-funktionsfähigen Risikomanagement gibt es zahlreiche Parallelen:

  • Die eingesetzten Präventionsmaßnahmen – hier beispielsweise: Lobbyregister – müssen regelmäßig kritisch geprüft werden. Sofern klar ist, dass diese nicht verlässlich sind, etwa weil Staaten wie Katar oder Marokko keinerlei Einträge pflegten, muss eine Neu-Einschätzung der Risikosituation vorgenommen werden.
  • Der "Tone from the Top” (und auch der "Tone from the Middle") ist ganz zentral – egal ob beim Top-Management oder bei Politikern. Nur wenn für jeden einzelnen Bürger/Mitarbeiter ersichtlich ist, dass sich "die da oben" auch an die Regeln halten und mit gutem Beispiel vorangehen, können die Vorgaben erfüllt werden. Dahingehend ist auch der Gedächtnisschwund des Kanzlers Scholz im CumEx-Skandal äußerst kritisch zu bewerten. In der "Fraud Triangle" ist die innere Rechtfertigung mit "das machen alle so" ein zentraler Faktor für großangelegte Betrugsfälle. 
  • Verantwortung lässt sich nicht delegieren. Im Bereich Geldwäscheprävention kann nicht von Unternehmen, speziell im Finanzumfeld, erwartet werden, dass diese die zentralen Aufgaben der Strafverfolgung oder gar Staatsanwaltschaft übernehmen. Vielmehr ist es wichtig, dass die eingehenden Meldungen schnellstmöglich abgearbeitet werden und nicht wie bei der Financial Intelligence Unit (FIU) mehr als 100.000-fach seit wohl über drei Jahren unbearbeitet verstauben – während draußen der Zielhafen Deutschland für "schmutziges Geld" weiter angefahren wird. 
  • Der Gesetzgeber – wie auch die Unternehmenslenker – müssen sich laufend an geänderte Rahmenbedingungen des Umfelds anpassen. Im Kontext der Geldwäscheprävention wird immer stärker dieses Instrument gespielt, um die Demokratie anzugreifen – wie auch mit Desinformationskampagnen. Diese Form der hybriden Kriegsführung wird insbesondere autokratischen Staaten wie Russland zugeschrieben. Die neue Gefährdungssituation muss über die Gefährdungsanalyse und eine fundierte und faktenbasierte Risikoanalyse erfasst und in die anschließenden Schritte des Risikomanagements aufgenommen werden.

Autoren:

Dr. Christian Glaser ist promovierter Risikomanager und als Generalbevollmächtigter eines namhaften Finanzdienstleisters tätig. Er ist außerdem Dozent an mehreren Hochschulen und Buchautor mehrerer Fachbücher sowie zahlreicher Fachveröffentlichungen in den Bereichen Finanzdienstleistungen, Unternehmensführung und Management, Controlling sowie Risikomanagement.

Frank Romeike ist Gründer und geschäftsführender Gesellschafter der RiskNET GmbH – The Risk Management Network. Er war Chief Risk Officer (CRO) der IBM und hat einige Standardwerke zum Thema Risikomanagement und Stochastik veröffentlicht. Außerdem hat er Lehraufträge an mehreren Hochschulen angenommen.

 

 

[ Bildquelle Titelbild: Adobe Stock.com / porcomanzi ]
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