Aus der Krise nichts gelernt?

Fehlende Budgets und unzureichende Risikokultur


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Unternehmen aller Branchen und Größenklassen behaupten nicht selten, dass sie ein aktives und effizientes Risikomanagement betreiben. Doch laut einer aktuellen Untersuchung von PriceWaterhouseCoopers ist das nur die halbe Wahrheit. Gut ein Jahr nach Ausbruch der Finanz- und Wirtschaftskrise weist das Risikomanagement vieler deutscher Unternehmen weiterhin Defizite auf. Zwar haben rund 60 Prozent der befragten Unternehmen ihre Mechanismen und Strategien zur Risikobearbeitung mittlerweile angepasst oder planen zumindest Änderungen. Außerhalb des Finanzsektors verfügt jedoch jedes dritte Unternehmen nach wie vor nicht über eine dokumentierte Risikostrategie, wie aus einer Studie der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers (PwC) hervor geht. Zudem haben vier von zehn Befragten keine Prozesse zum Erkennen von bislang unbekannten bzw. nicht berücksichtigten Risiken etabliert.

"Viele Unternehmen haben im Zuge der Krise zwar Schwächen im Risikomanagement identifiziert, ziehen aus den Erkenntnissen aber keine oder nur halbherzige Konsequenzen", kritisiert Uwe Herre, Partner bei PwC. Knapp 80 Prozent der befragten Entscheider stimmen der Aussage zu, dass ein funktionierendes Risikomanagement ein starker strategischer Wettbewerbsvorteil ist. Doch nur gut jeder zweite will seine Investitionen in das Risikomanagement erhöhen. Tiefgreifende, strukturelle Änderungen planen knapp 30 Prozent der Unternehmen, und lediglich jedes fünfte will mehr Personal für die Erfassung und Bearbeitung von Risiken bereitstellen.

Auf der anderen Seite erkennen immer mehr Unternehmen, dass ein wirkungsvolles Risikomanagement auf Risikobewusstsein und -verantwortung aller Beschäftigten beruht. Knapp jeder dritte Befragte hält den Aufbau einer entsprechenden Risikokultur für die wichtigste Aufgabe der kommenden zehn Jahre. "Auch das beste Risikomanagement kann Risiken nicht völlig ausschließen. Wichtig ist es daher, dass Risiken frühzeitig erkannt und gesteuert werden. Eine Risikokultur, die alle Mitarbeiter in diesen Prozess einbindet, leistet hierzu einen nachhaltigen und wirkungsvollen Beitrag", erläutert Jörg Tüllner, Partner bei PwC.

Für die Studie befragte PwC gut 500 repräsentativ ausgewählte Unternehmen der Branchen Finanzdienstleistungen, Energie, Chemie/Pharma, Automotive sowie weiterer Branchen. Etwa jedes dritte befragte Unternehmen beschäftigt in Deutschland mindestens 2.000 Arbeitnehmer, jedes zehnte Unternehmen hat weniger als 500 Beschäftigte.

Ganzheitliches Risikomanagement im Fokus

Die Leistung ihres Risikomanagements in den zurückliegenden Krisenmonaten bewerten die Befragten überraschend positiv. Gut vier von fünf Entscheidern sind der Ansicht, dass das Risikomanagement ihres Unternehmens in der Krise insgesamt zufrieden stellend war. Im Finanzsektor sagen dies sogar gut neun von zehn Befragten. Diese positive Bewertung wird allerdings durch den von den Unternehmen erkannten Änderungsbedarf relativiert. So haben gut 70 Prozent der Befragten aus dem Finanzdienstleistungssektor ihr Risikomanagement umgestellt oder planen Änderungen. In den anderen Branchen trifft dies nur auf rund jedes zweite Unternehmen zu.

Als Konsequenz aus der Krise streben zwei von drei Befragten, die geändert haben bzw. ändern wollen, ein ganzheitliches Risikomanagementsystem an: Risiken sollen nicht mehr isoliert, sondern in ihren Wechselwirkungen identifiziert und bearbeitet werden. Mittlerweile räumt jedes zweite Unternehmen derartigen Wechselwirkungen im Risikomanagementsystem einen hohen oder sehr hohen Stellenwert ein.

Rund vier von zehn Unternehmen dehnen ihr Risikomanagement auf weitere Bereiche aus, und 55 Prozent setzen häufiger qualitative Methoden ein als vor der Krise. Gut vier von zehn Befragten geben an, dass Risiken nunmehr anders gemessen bzw. mit neuen Modellen erfasst werden.

Dennoch vernachlässigen viele Unternehmen nach wie vor schwer quantifizierbare, aber bedeutsame Risiken. Die Auswirkungen von Image- und Reputationsschäden erfassen nur 55 Prozent der Befragten. Compliance-Risiken, beispielsweise die Folgen von Korruption oder Geldwäsche, bleiben bei jedem dritten Unternehmen unbeachtet.

Mehrheit sieht Risiken unter Kontrolle

Sofern Unternehmen über eine umfassende Risikostrategie verfügen, ist ihr Vertrauen in die Leistungsfähigkeit des Risikomanagements in der Regel hoch. Immerhin jeder Dritte ist davon überzeugt, dass die wesentlichen Risiken "sicher" abgedeckt sind, während gut jeder Zweite (55 Prozent) diese zumindest "wahrscheinlich" für erfasst hält. Lediglich zwölf Prozent schätzen ihr Risikomanagement als lückenhaft ein.

Allerdings ist das Vertrauen in das eigene Risikomanagement stark von der Branchenzugehörigkeit abhängig. Im Energiesektor ist gut jeder zweite Befragte der Ansicht, die wesentlichen Risiken sicher erfasst und unter Kontrolle zu haben, während in der Chemie- bzw. der Automobilbranche nur rund 30 Prozent dieser Ansicht sind.

Risikomanagement ist Chefsache

Das Risikomanagement ist in den meisten Unternehmen auf der obersten Hierarchieebene angesiedelt. Bei neun von zehn Befragten ist hierfür der Vorstandsvorsitzende bzw. Geschäftsführer, der Finanzvorstand oder ein eigens berufener Chief Risk Officer verantwortlich.

Während die Verantwortung für das Risikomanagement in den kleineren Unternehmen häufig beim CEO liegt, haben fast vier von zehn größeren Unternehmen einen Chief Risk Officer oder vergleichbaren Risikomanager. Dies ist nur bei etwa jedem fünften Befragten mit einem Umsatz von weniger als 500 Millionen Euro der Fall.

"Die zentrale Überwachung ist eine wesentliche Voraussetzung für ein effektives Risikomanagement. Gleichzeitig muss jedoch auch gewährleisten sein, dass alle Unternehmensbereiche ihre relevanten Risiken kennen", kommentiert Uwe Herre. Bei gut neun von zehn Unternehmen ist diese Grundbedingung bereits erfüllt. In der Automobil- und Chemiebranche allerdings wird das Risikomanagement bei fast jedem achten Unternehmen dezentral gelenkt. Dies ist eine Erklärung dafür, dass in diesen Branchen vergleichsweise viele Entscheider noch Optimierungspotenzial beim Risikomanagement sehen.

Die Studie können Sie kostenlos bestellen unter: www.pwc.de/de/studie-risikomanagement

[Bildquelle: iStockPhoto]

Kommentare zu diesem Beitrag

Pleitegeier /22.01.2010 00:36
Tja, nix gelernt eben! Wer vorher kein Risikomanagement hatte, hat es jetzt auch nicht (ist ja gerade noch mal gut gegangen oder das Thema hat sich wegen Insolvenz erledigt). Und gerade jetzt in der Krise muss sich doch die Geschäftsleitung um die wirklich wichtigen Dinge kümmern: Verkaufen, Verkaufen, Verkaufen.... Risikomanagement? Was ist das?
Pleitegeier /22.01.2010 00:37
Antwort: Bringt keinen (messbaren) Ertrag und kostet dafür Geld, Mühe und Zeit! Also setzen wir das mal auf der Prioritätenliste nach ganz unten!
Schlaumeier /22.01.2010 20:38
Was sind das für Oberschlaumeier-Erkenntnisse? > "Wichtig ist es daher, dass Risiken frühzeitig erkannt und gesteuert werden." Warum haben die oberschlauen Unternehmensberater nicht bereits im Jahr 2006/07 auf die massiven Risiken in den Portfolien der Banken hingewiesen? Na klar ist eine gelebte Risikokultur wichtig ... dummerweise hängt die RIsikokultur an der Unternehmenskultur und die kann ich nur über jahrzehntelange Arbeit und ein Vorleben durch die Unternehmensleitung erreichen. Eine Kultur von Zockern und Spielern werde ich mit dem Thema aber nicht beeindrucken können ;-(
Schlaumeier /22.01.2010 20:41
@Pleitergeier: Ganz so zynisch betrachte ich das Thema nicht. Einige Vorstände haben sehr gut verstanden (und einige hatten es auch vor der Krise bereits verstanden), dass ein gelebtes RIsikomanagement ein wertvolles Instrument einer nachhaltigen und wertorientierten Unternehmenssteuerung ist ... leider geht die aktuelle Diskussion hinsichtlich Regulierung in die falsche Richtung und wird eher zu einer Kultur der "regulatorischen Minimal-/Pflichterfüllung" führen. Das ist schade ... Chance vertan
ebi /22.01.2010 22:21
welche bahnbrechende erkenntnis, dass risiken nicht mehr isoliert betrachtet werden sollen, sondern in ihren wechselwirkungen identifiziert und bearbeitet werden sollen. als corporate risk manager habe ich mich schon immer für den gesamten bzw. aggregierten risikoumfang und die korrelationen interessiert. dies haben wir bei bu-analysen ausfuerlich untersucht und in relation zur risikotragfaehigkeit gesetzt. bei banken ist diese erkenntnis wohl noch nicht angekommen - das ist erstaunlich ;-(
volker /23.01.2010 08:55
Die WPs müssen sich bei dem Thema leider an die eigene Nase fassen, da sie über Jahre die Kultur einer rückspiegelorientierten Risikobuchhaltung (seit KonTraG-Zeiten) gepredigt haben. Szenariobasierte und prospektive Ansätze waren den meisten WPs unbekannt. Und nun nach der Krise so zu tun, als hätte man es immer besser gewusst, ist aus meiner Sicht nicht okay. Wo waren denn die Stimmen der Berater vor 4 bis 5 Jahren? Haben sie nicht die Banken bei ihren Verbriefungstransaktionen und Portfoliooptimierungen unterstützt?
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