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Europa am Rand einer Rezession


Europa am Rand einer Rezession News

Die führenden Konjunkturforschungsinstitute haben Deutschland für nächstes Jahr wegen der europäischen Schuldenkrise einen deutlichen Wachstumsrückgang vorausgesagt. Die deutsche Wirtschaft wird nach ihrer Einschätzung 2012 nur noch um 0,8% wachsen nach einem Plus von 2,9% in diesem Jahr. "Im Sommer 2011 haben sich die Aussichten für die Weltwirtschaft deutlich verschlechtert", heißt es in dem am Donnerstag veröffentlichten Herbstgutachten der Wirtschaftsforscher. Einer Rezession wird Deutschland nach Erwartung der Institute aber entgehen.

Die Schuldenkrise droht sich ihnen zufolge "zu einer Bankenkrise auszuweiten", was zunehmend auch die deutsche Konjunktur belaste. In ihrem im April veröffentlichten Frühjahrsgutachten waren die Institute noch von einem Zuwachs des deutschen Bruttoinlandsproduktes (BIP) um 2,0% im kommenden Jahr ausgegangen. Für dieses Jahr hatten sie damals 2,8% Wachstum erwartet.

"Das größte Risiko besteht in einer Zuspitzung der europäischen Schulden- und Vertrauenskrise, durch die sich die Finanzierungsbedingungen für die Wirtschaft merklich verschlechtern könnten", warnten die Ökonomen nun aber in ihrem Gutachten. In diesem Fall wäre "mit erheblichen negativen Effekten auf die Konjunktur" zu rechnen. Die Experten erwarteten eine solche Verschärfung allerdings nicht. "Zu einer schweren Rezession dürfte es, anders als in den Jahren 2008/2009, nicht kommen", betonten sie.

Die Ökonomen gingen zwar davon aus, dass die begonnene Restrukturierung der griechischen Staatsschulden fortgesetzt werde, was zu Einbußen bei den Gläubigern führe. "Aus Sicht der Institute wird ein Schuldenschnitt Griechenlands immer wahrscheinlicher", sagte Torsten Schmidt vom Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) bei einer Pressekonferenz in Berlin.

Eine Ansteckung in dem Ausmaß wie nach der Insolvenz von Lehman Brothers sei aber "wenig wahrscheinlich". Der Ausfall käme weder unerwartet, noch dürften Zweifel an der Liquiditätsausstattung des Bankensystems aufkommen, da die Europäische Zentralbank (EZB) diese mit ihren neu geschaffenen Instrumenten sicherstellen könne.

Allerdings warf die Mehrheit der Institute der Notenbank wegen der von ihr getätigten Anleihekäufe vor, "dass die EZB ihr Mandat überdehnt und so ihre Unabhängigkeit aufs Spiel gesetzt" habe. "Zentral ist, dass die EZB wieder in die Lage versetzt wird, unabhängig von der Finanzpoliitk zu agieren und sich auf ihr eigentliches Ziel zu konzentrieren, nämlich die Sicherung der Preisstabilität", verlangte RWI-Chefvolkswirt Roland Döhrn.

Die Wirtschaftspolitik in der Europäischen Union (EU) habe sich bisher stark darauf konzentriert, die Insolvenz eines Euro-Staates mit allen Mitteln zu verhindern, monierte er zudem. "Stattdessen sollte sie einen funktionsfähigen Insolvenzmechanismus für Staaten und ein europäisches Verfahren für eine Rekapitalisierung und gegebenenfalls eine geordnete Insolvenz von Staaten schaffen", heißt es in dem von acht Instituten unter Führung von RWI, ifo Institut für Wirtschaftsforschung, Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) und Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) erstellten Gutachten.

Darin prognostizierten die Ökonomen eine Zunahme des privaten Konsums um 1,2% in diesem und um 0,9% im nächsten Jahr, ein Exportwachstum um 7,8% 2011 und um 2,9% 2012 und eine Steigerung der Importe um 7,7% in diesem und um 4,1% im kommenden Jahr. "Die stark erhöhte Unsicherheit wird die inländische Nachfrage dämpfen, und der Außenhandel dürfte aufgrund der schwierigen Lage wichtiger Handelspartner nicht mehr zur Expansion beitragen", erwarteten die Experten.

Die Arbeitslosenzahl wird nach der Einschätzung der Institute 2011 bei 2,968 Millionen und 2012 bei 2,815 Millionen liegen, was einer "nur noch wenig" rückläufigen Quote von 7,0% bzw 6,7% entspreche. Die Inflationsrate von 2,3% dieses und 1,8% nächstes Jahr werde "mehr und mehr vom inländischen Preisauftrieb bestimmt". Das Budgetdefizit des Staates werde auf 0,9% des BIP in diesem und 0,6% im nächsten Jahr zurückgehen.

Der EZB empfahlen die Ökonomen, sie solle "den maßgeblichen Leitzins bis Ende 2011 auf 1% senken". Diese Empfehlung ergehe aber nicht wegen der Staatsschuldenkrise, "sondern weil die Konjunktur sehr viel schlechter läuft als vor einiger Zeit erwartet und die Preiserwartungen eher nach unten gedrückt sind", erklärte der Leiter der IfW-Konjunkturabteilung, Joachim Scheide.

Vergangene Woche hatten bereits andere deutsche Konjunkturinstitute ihre Prognosen für das deutsche Wirtschaftswachstum in den Jahren 2011 und 2012 zurückgenommen. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hatte für nächstes Jahr nur noch 1,0% und für dieses 2,8% Wachstum prognostiziert; das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) hatte für 2012 einen BIP-Zuwachs um lediglich 0,7% nach einem Plus von noch 3,2% im laufenden Jahr vorhergesagt. Die Bundesregierung, die im Frühjahr ein Wachstum von 2,6% für 2011 und 1,8% für 2012 veranschlagt hatte, will in einer Woche eine neue Prognose vorlegen.

 

[Bildquelle: iStockPhoto]

Kommentare zu diesem Beitrag

RiskNET Redaktion /13.10.2011 12:45
+++ Schuldenkrise belastet deutsche Konjunktur zunehmend +++

Die deutsche Wirtschaft wird nach Einschätzung der führenden Konjunkturforschungsinstitute kommendes Jahr nur noch um 0,8% wachsen nach einem Plus von 2,9% in diesem Jahr. "Im Sommer 2011 haben sich die Aussichten für die Weltwirtschaft deutlich verschlechtert", heißt es in dem am Donnerstag in Berlin veröffentlichten Herbstgutachten der Wirtschaftsforscher.

Insbesondere drohe sich die europäische Schuldenkrise "zu einer Bankenkrise auszuweiten", was zunehmend auch die deutsche Konjunktur belaste. In ihrem im April veröffentlichten Frühjahrsgutachten waren die Institute noch von einem Zuwachs des deutschen Bruttoinlandsproduktes (BIP) um 2,0% im kommenden Jahr ausgegangen. Für dieses Jahr hatten sie damals 2,8% Wachstum erwartet.

"Das größte Risiko besteht in einer Zuspitzung der europäischen Schulden- und Vertrauenskrise, durch die sich die Finanzierungsbedingungen für die Wirtschaft merklich verschlechtern könnten", warnten die Ökonomen nun aber in ihrem Gutachten. In diesem Fall wäre "mit erheblichen negativen Effekten auf die Konjunktur" zu rechnen.

Die Experten erwarteten allerdings, "dass es dazu nicht kommt". Sie gingen zwar davon aus, dass die begonnene Restrukturierung der griechischen Staatsschulden fortgesetzt werde, was zu Einbußen bei den Gläubigern führe. Eine Ansteckung in dem Ausmaß wie nach der Insolvenz von Lehman Brothers sei aber "wenig wahrscheinlich". Der Ausfall käme weder unerwartet, noch dürften Zweifel an der Liquiditätsausstattung des Bankensystems aufkommen, da die Europäische Zentralbank (EZB) diese mit ihren neu geschaffenen Instrumenten sicherstellen könne.

"Zu einer schweren Rezession dürfte es, anders als in den Jahren 2008/2009, nicht kommen", betonten die Ökonomen. Zudem bestünden auch Chancen, "dass sich die Konjunktur in den kommenden Monaten besser entwickelt". Da die realwirtschaftlichen Daten überwiegend gut seien, könnte sich die Stimmung rasch wieder verbessern, falls in nächster Zeit ein Ausweg aus der Schuldenkrise aufgezeigt würde.

Die Wirtschaftspolitik in der Europäischen Union (EU) habe sich bisher stark darauf konzentriert, die Insolvenz eines Euro-Staates mit allen Mitteln zu verhindern, monierten sie. "Stattdessen sollte sie einen funktionsfähigen Insolvenzmechanismus für Staaten und ein europäisches Verfahren für eine Rekapitalisierung und gegebenenfalls eine geordnete Insolvenz von Staaten schaffen", verlangten die Institute.

In ihrem Gutachten prognostizierten die Ökonomen eine Zunahme des privaten Konsums um 1,2% in diesem und um 0,9% im nächsten Jahr, ein Exportwachstum um 7,8% 2011 und um 2,9% 2012 und eine Steigerung der Importe um 7,7% in diesem und um 4,1% im kommenden Jahr. "Die stark erhöhte Unsicherheit wird die inländische Nachfrage dämpfen, und der Außenhandel dürfte aufgrund der schwierigen Lage wichtiger Handelspartner nicht mehr zur Expansion beitragen", erwarteten die Experten.

Die Arbeitslosenzahl wird nach der Einschätzung der Institute 2011 bei 2,968 Millionen und 2012 bei 2,815 Millionen liegen, was einer "nur noch wenig" rückläufigen Quote von 7,0% bzw 6,7% entspreche. Die Inflationsrate von 2,3% dieses und 1,8% nächstes Jahr werde "mehr und mehr vom inländischen Preisauftrieb bestimmt". Das Budgetdefizit des Staates werde auf 0,9% des BIP in diesem und 0,6% im nächsten Jahr zurückgehen.

In dem Gutachten gehen die Forscher davon aus, dass die EZB "den maßgeblichen Leitzins bis Ende 2011 auf 1% senken und ihn 2012 auf dem Niveau belassen" wird. Den Euro-Wechselkurs gegenüber dem US-Dollar sehen sie im Prognosezeitraum bei 1,38, den Rohölpreis in diesem Jahr bei 111 USD/Barrel und im nächsten bei 113 USD/Barrel.

Vergangene Woche hatten bereits andere deutsche Konjunkturinstitute ihre Prognosen für das deutsche Wirtschaftswachstum in den Jahren 2011 und 2012 deutlich zurückgenommen. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hatte für nächstes Jahr nur noch 1,0% und für dieses 2,8% Wachstum prognostiziert; das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) hatte für 2012 einen BIP-Zuwachs um lediglich 0,7% nach einem Plus von noch 3,2% im laufenden Jahr vorhergesagt. Die Bundesregierung, die im Frühjahr ein Wachstum von 2,6% für 2011 und 1,8% für 2012 veranschlagt hatte, will in einer Woche eine neue Prognose vorlegen.
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