Banken vor der Zerreißprobe

Compliance im Auslandszahlungsverkehr


Banken vor der Zerreißprobe: Compliance im Auslandszahlungsverkehr Kolumne

Aus Fehlern wird man klug! Dieses Motto sollten Banken auch auf ihre Systeme zur Prüfung von Finanzsanktionen und Embargos übertragen. Der große Vorteil dieser "lernenden" Erweiterung: Manuelle Prozesse werden auf ein Minimum reduziert.

Ausgerechnet im Zahlungsverkehr – einer der Kernaufgaben einer Bank – hat der manuelle Aufwand in den vergangenen Jahren eher zu- als abgenommen. Gründe dafür sind die zunehmende Regulierung und ein immer höheres Transaktionsvolumen im grenzüberschreitenden Zahlungsverkehr. Für die Banken gilt es daher, gegenzusteuern und die bestehenden Kontrollsysteme zu ergänzen bzw. zu modernisieren.

Der Ablauf des Prüfverfahrens selbst bleibt gleich: Bei jedem Zahlungsauftrag, den die Bank bearbeitet, wird meist ein zweistufiger Mechanismus in Gang gesetzt. Im ersten Teil (1st-Level) des Prüfsystems findet eine teilautomatisierte Vorselektion durch Prüfung diverser Listen statt. Verdächtige Transaktionen werden als "Alert" zur finalen Entscheidung an die nächste Stufe (2nd-Level) weitergeleitet. Dort wird der Ausschluss- und Verifizierungsprozess überwiegend manuell durchgeführt. Dazu gehören: eine Überprüfung aller Transaktionsdaten, ein Abgleich mit Blacklists und die Einleitung möglicher Sanktionsschritte.

Das System lernt aus alten Vorgängen

Durch eine Erweiterung wird die Vorselektion im 1st-Level weiter optimiert. Dafür wird das System mit verschiedenen Mustern und Situationen trainiert. Werden bestimmte Konstellationen im Prüfprozess wiedererkannt, trifft das System automatisch Entscheidungen, die sich in der Vergangenheit als richtig bewährt haben. Die Muster dienen also als Vorlage, um die neue Transaktion entweder sofort freizugeben oder zur weiteren Prüfung an den 2nd-Level weiterzuleiten. Im Ergebnis wird durch die automatisierte Vorentscheidung die Arbeit im 1st-Level um gut 50 Prozent reduziert - und auch die Zahl der Alerts, die zuvor unnötigerweise an die zweite Ebene weitergeleitet wurden, sinkt spürbar.

Das klingt zwar wie "das haben wir schon immer so gemacht", ist es aber nicht, denn das System ist lernfähig. Das Modell wird schrittweise überprüft, angepasst und gewinnt mit der Zeit kontinuierlich an Reife. Anders als bei einer KI-Anwendung (Künstliche Intelligenz) bezieht sich das System jedoch immer auf Entscheidungen in der Vergangenheit und vergleicht nur Gemeinsamkeiten oder Unterschiede in einer Konstellation. Es nutzt eine bewährte und sehr robuste Automatisierungstechnik.

Alte Prozesse sind der Transaktionsflut nicht gewachsen

Wie wichtig die Automatisierung ist, zeigen Zahlen zum Transaktionsvolumen. So meldete das Nachrichtensystem SWIFT, an das über 10.500 Banken in rund 210 Ländern angeschlossen sind, für das Jahr 2022 durchschnittlich rund 45 Millionen so genannte FIN-Nachrichten pro Tag. Bei größeren Instituten bedeutet dies, dass täglich Zehntausende von Transaktionen überprüft werden müssen. Und der Prüfaufwand dürfte in Zukunft noch steigen, da parallel zu den geopolitischen Spannungen immer neue Sanktionen und Regulierungen eingeführt werden. Hinzu kommt, dass mit dem neuen Nachrichtenstandard ISO 20022 für Finanztransaktionen die Anzahl der Datenfelder steigt. Dies könnte dazu führen, dass die Regulatoren künftig mehr Pflichtangaben an Überweisungen knüpfen – die dann von den Banken geprüft werden müssten.

Spätestens im November 2025 wird der neue ISO20022-Standard verpflichtend, spätestens dann könnte die Komplexität der Kontrollen für die Banken weiter steigen, was auch vor dem Hintergrund der exportstarken deutschen Wirtschaft von besonderer Bedeutung ist. Mit den Werkzeugen von gestern und statischen Prozessen stoßen Compliance- und Risikomanagement-Abteilungen angesichts der Aufgabenfülle schon jetzt an ihre Grenzen. An intelligenten Automatisierungslösungen führt kein Weg vorbei, um die Mitarbeitenden in den Bereichen Operations und Compliance zu entlasten, damit eine zeitnahe Bearbeitung der Warnmeldungen auch langfristig möglich ist.

Autor:
Bernd Dittrich | Senior Manager bei Cofinpro
Bernd Dittrich 

Senior Manager bei Cofinpro

[ Bildquelle Titelbild: Adobe Stock.com / tippapatt ]
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