Risiken proaktiv managen

Branding – Nur eine schöne Fassade?


Risiken proaktiv managen: Branding – Nur eine schöne Fassade? Kolumne

Ein neues Zauberwort hat sich mittlerweile im Marketing etabliert: Branding. Schnell gegoogelt und schon weiß man, dass Branding zum einen etwas mit "Einbrennen bestimmter Muster in die Haut" und in Bezug auf die Wirtschaft "die Entwicklung von Markennamen" bedeutet. Also etwas mit dem Thema Marke und hier mit Markenführung zu tun hat. Neugierig geworden, fängt man nun an sich näher mit "Branding" zu beschäftigen und stellt schnell fest, dass Branding eigentlich viel mehr ist als die Entwicklung eines Markennamens. Und je tiefer man in das Thema einsteigt, dieses umso spannender und leider auch komplizierter wird. Trifft man doch auf die unterschiedlichsten Definitionen, Interpretationen und Spekulationen. Angefangen beim Begriff des "Brandmarken" mit "Brandzeichen" von Gegenständen, Tieren und sogar Menschen bis zu Corporate und Employer Branding. Der Entwicklung und Führung von Marken mit Zeichen und Symbolen. Dazu kommen noch Begriffe wie Corporate Identity, Brand Design oder Product Branding.

Liest man dann noch Ausschreibungsunterlagen von Unternehmen, wenn es um den Aufbau und die Führung von Marken geht, ist die Verwirrung oftmals größer als die Orientierung. Ein Anlass sich noch intensiver mit dem Thema Branding zu beschäftigen.

Wir werden nachfolgend versuchen etwas Ordnung in den "Branding-Dschungel" zu bringen. Dabei werden nicht nur Bedeutungen und Strukturen näher beleuchtet, sondern auch neue Perspektiven und konkrete Maßnahmen aufgezeigt, wie man Branding erfolgreich zum Aufbau und der Weiterentwicklung von Marken nutzen kann.

"Der Mensch erkennt nur den Unterschied". Diese Erkenntnis von Sigmund Freud gibt uns den ersten Hinweis auf den Sinn von Branding. Nämlich im Kern Produkte mit Zeichen und Symbolen zu markieren, um den Hersteller und die damit verbundene höhere Qualität sichtbar zu machen und die Produkte von anderen Produkten abzugrenzen. Diese Methode ist nicht neu, wurden doch bereits im alten Ägypten Ziegelsteine, die den Weg zu den Pharaonen-Gräbern wiesen, mit Symbolen versehen, um ihre Identität zu kennzeichnen. Töpfer aus Kanaan markierten ihre Krüge bereits 2000 Jahre vor Christus, Steinmetze hinterließen ihre Markierungen auf den Mauern von Troja, auf Gebäuden in Ägypten und Rom oder an den Tempeln in Jerusalem. Mittelalterliche Gilden forderten von ihren Mitgliedern die Markierung der Produkte zur Hervorhebung der hohen und gleichbleibenden Qualität und zur Abgrenzung von konkurrierenden Anbietern. Und schon unter Hernán Cortés, dem Eroberer von Mexiko, wurde das Vieh gekennzeichnet, um deren Eigentümer zu dokumentieren. Als sich die Viehzucht nach Kalifornien und Texas, sowie bis nach dem Norden der USA verbreitete, übernahmen die Amerikaner den Brauch des "Einbrennens".

Abb. 01: Einige der berühmtesten Brandzeichen aus der Zeit des Cattle Trade.

Abb. 01: Einige der berühmtesten Brandzeichen aus der Zeit des Cattle Trade.

Branding hatte damals also vor allem die Funktion Produkte zu unterscheiden, Qualität und Eigentum zu sichern. Heute versteht man unter Branding den Aufbau und die Weiterentwicklung einer Marke (englisch: Brand – Brandzeichen). Die Markierung einer Dienstleistung oder eines Produktes durch Zeichen und Symbole, vor allem durch Markennamen und -logos. Es können aber auch Charaktere sein, wie zum Beispiel der Esso-Tiger oder der Hamburg-Mannheimer-Mann. Auch Slogans und Jingles, wie "Intel Inside", ein typisches Verpackungs-Design, wie die seit über 100 Jahren ähnliche Maggi-Flasche, ein unverwechselbarer Duft, wie Chanel No 5, ein einzigartiger Geschmack, wie Fernet Branca oder Schlüsselbilder, wie der See und die Insel in der Krombacher-Werbung eignen sich für ein multisensorisches Branding sehr gut.

Abb. 02: Ein Bild sagt mehr als tausend Worte: Schlüsselbilder erhöhen die Wiedererkennung der Marke und übertragen die strategische Marken-Positionierung in ein emotionales Erlebnis (Design: Schiller Brand Company).

Abb. 02: Ein Bild sagt mehr als tausend Worte: Schlüsselbilder erhöhen die Wiedererkennung der Marke und übertragen die strategische Marken-Positionierung in ein emotionales Erlebnis (Design: Schiller Brand Company).

Das Ergebnis eines Branding-Prozesses ist also immer die Gestaltung einer einzigartigen Marken-Identität, deren ganzheitliche Kommunikation zu einem profilierten Image von der Marke führt. Also Vorstellungen von Produkten aber auch von Dienstleistungen, Unternehmen, Institutionen oder auch Personen (wie Künstler, Politiker etc.) zu erzeugen, die sich in das Gedächtnis der anvisierten Stakeholder unverwechselbar "einbrennen". Das Branding kann man deshalb als eine Technik definieren, einem Produkt, einer Dienstleistung, einem Unternehmen, einer Person, einem Konzept, einer Destination oder einer Institution unter einem besonderen Namensbegriff – dem Brand oder Markenzeichen – eine einzigartige und unverwechselbare Identität zu geben.

Was versteht man unter Identität?

Was ist eigentlich eine "Identität"? Hier gibt es verschiedene Auffassungen. Ethymologisch leitet sich der Begriff der Identität aus dem lateinischen Wort "idem" – dasselbe – ab. So wird eine völlige Übereinstimmung bezeichnet. Das Lexikon der Soziologie bezieht die Identität auf die typischen sozialen Rollen eines Individuums und definiert diese als "[…] die "Selbigkeit" oder das Gleichbleibende von etwas (eines Dinges, einer Person, eines Satzes usw.) mit sich selbst oder etwas anderem." Die Philosophen und Moraltheologen verstehen unter Identität "[…] ein über die Zeit relativ stabiles Set persönlicher Werthaltungen und ethischer Prinzipien." Sozialpsychologische Begriffsdefinitionen trennen zwischen einer Innen- und Außenperspektive der Identität. Daraus resultiert der Begriff des Selbst- und Fremdbildes der Identität. Das Selbstbild beschreibt die persönliche Identität aus einer eigenen Erfahrungsperspektive. Das Fremdbild beschreibt die Merkmale eines Objektes, die diesem von einem externen Identitätssubjekt zugeschrieben werden.

Was ist eine Marken-Identität?

Auch bei der Definition der Marken-Identität gibt es verschiedene Auffassungen. Burmann/Meffert setzen bei der Beschreibung der Marken-Identität auf der sozialwissenschaftlichen Identitätsforschung auf und unterscheiden zwischen einer Inside-Out- und einer Outside-In-Perspektive der Marke. Die Innenperspektive (Inside-Out) analysiert die wesensprägenden Markenmerkmale als Kernbestandteil der Marken-Identität und bringt als "Aussagekonzept" das Selbstbild der Marke zum Ausdruck. Durch die Wahrnehmung, Dekodierung und Beurteilung bildet sich in der Außenperspektive (Outside-In) bei den externen Zielgruppen das Marken-Image als "Akzeptanzkonzept" aus. Nach Aaker und Joachimsthaler besteht die Marken-Identität aus drei zentralen Elementen: der Markenessenz (Wesen der Marke), dem Markenkern (Core Brand Identity) und der erweiterten Marken-Identität (Extended Brand Identity).

Die Markenessenz gibt die Identität der Marke sehr konzentriert wieder: "Ein einziger Gedanke fängt die Seele der Marke ein". Sie steuert die internen Anspruchs-Gruppen in ihrer Motivation und Kommunikation. Deshalb sollte sie zeitlos und längerfristig relevant sein. Der Markenkern beinhaltet "zwei bis vier Dimensionen die kurz und bündig die Vision einer Marke zusammenfassen". Die erweiterte Marken-Identität besteht aus vier Dimensionen. Sie definieren die Marke als:

  • Produkt (Eigenschaften, Qualität, Nutzen, Herkunftsland),
  • Unternehmen (Eigenschaften des Unternehmens),
  • Person (Persönlichkeitsmerkmale, Beziehung Marke und Kunde),
  • Symbol (Visuelle Bildsprache, Metaphern, Geschichte).

Abb. 03: Die echten Burlington Socks erkennt man nicht nur am berühmten Argyle-Muster, sondern vor allem am einzigartigen "Burlington Clip" (1993 von Schiller Brand Company entwickelt).

Abb. 03: Die echten Burlington Socks erkennt man nicht nur am berühmten Argyle-Muster, sondern vor allem am einzigartigen "Burlington Clip" (1993 von Schiller Brand Company entwickelt).

Die Konzeption der Marken-Identität nach Meffert und Burmann setzt auf den Ansatz von Aaker und Joachimsthal auf. Sie ergänzt deren Ansatz vor allem durch die Überlegungen von Keller zum Marken-Image. Der identitätsorientierte Markenbegriff wird dabei über das zentrale Element des Nutzens für den Kunden definiert: "Eine Marke ist ein Nutzenbündel mit spezifischen Merkmalen, die dafür sorgen, dass sich dieses Nutzenbündel gegenüber anderen Nutzenbündeln, welche die selben Basisbedürfnisse erfüllen, aus Sicht relevanter Zielgruppen nachhaltig differenziert". Die Marken-Identität wird definiert als "diejenigen raumzeitlich gleichartigen Merkmale der Marke, die aus Sicht der internen Zielgruppe in nachhaltiger Weise den Charakter der Marke prägen". Als konstitutive Merkmale einer "gesunden" Marken-Identität definieren Burmann/Meffert auf Basis der psychoanalytischen Identitätsforschung von Erikson Wechselseitigkeit, Kontinuität, Konsistenz und Individualität. Dabei wird zwischen essenziellen Merkmalen und akzidentiellen Merkmalen unterschieden. Die kontinuierliche Beibehaltung der essenziellen Merkmale, die den Markenkern oder "genetischen Code" kennzeichnen, wird als Voraussetzung für die Beibehaltung der Markenidentität gesehen.  Eine zu starke Veränderung kann zur Erosion der Markenidentität führen. Die akzidentiellen Merkmale definieren dabei nicht das Wesen einer Marke. Sie können sich deshalb im Zuge der Markenevolution verändern, indem sie zeitaktuelle Einflüsse aufnehmen. Die Konsistenz der Marken-Identität wird als Zeitpunkt bezogen betrachtet und bezeichnet die widerspruchsfreie Abstimmung der einzelnen Markenmerkmale zueinander. Die Individualität der Marke in Form von individuellen Merkmalen dient ihrer Profilierung.

Erst durch die Kombination der merkmals- und nutzen-beschreibenden Markenkomponenten entsteht letztlich die Marken-Identität. Als Markenkomponenten werden gesehen:

  • Wo kommen wir her? Marken-Herkunft als geografischer, kultureller und institutioneller Ursprung der Marke;
  • Wer sind wir? Marken-Kompetenz als Ausdruck der Erfindung eines neuen Marktes;
  • Wo wollen wir hin? Marken-Vision als zentrales Entwicklungsziel der Marke;
  • Was treibt uns an? Marken-Mission als Ausdruck des Zwecks der Marke;
  • Was unterscheidet uns? Marken-Leistungen als abgrenzende Besonderheiten;
  • Welchen Nutzen stiften wir? Marken-Werte als Basis für den funktionalen Leistungssinn und emotionalen Kundennutzen der Marke,
  • Wie sind wir? Marken-Persönlichkeit als Ausdruck des Kommunikationsstils der Marke.

Abb. 04: Erima, die älteste deutsche Sportmarke, positioniert sich mit einem klaren Markenversprechen (Werte-Evaluation: Schiller Brand Company). Bildquelle: Erima.

Abb. 04: Erima, die älteste deutsche Sportmarke, positioniert sich mit einem klaren Markenversprechen (Werte-Evaluation: Schiller Brand Company). Bildquelle: Erima.

Die Marken-Identität bestimmt also wie eine Marke auf die jeweiligen Anspruchsgruppen wirken soll. Ist der Entwicklungsprozess abgeschlossen, ermöglicht die Marken-Identität eine effiziente und zielgerichtete Marken-Positionierung. Die Hauptaufgabe dieser ist es, die Marke divergent gegen den Wettbewerb und relevant im Bewusstsein des potenziellen Kunden zu platzieren. Der Erfolg zeigt sich dann, wenn die Marke positive Assoziationen und Emotionen bei der anvisierten Anspruchsgruppe hervorruft und von dieser wiedererkannt wird. Durch diese Wahrnehmung entwickelt sich auf lange Sicht ein Vertrauensverhältnis zwischen Marke und Kunde. Doch auch die Wirkung nach innen, gegenüber den Mitarbeitern des Unternehmens, zählt. Wie empfinden die Mitarbeiter die Marke?

Können Sie sich mit ihr identifizieren? Da sie direkt an der Markenentwicklung und Markenpositionierung beteiligt sind, können sie die Außenwirkung der Marke maßgeblich beeinflussen. Gerade deshalb ist eine positive interne Wahrnehmung eine ausschlaggebende Grundlage für den externen Erfolg einer Marke. Somit ist eine strategisch aufgebaute und klar festgelegte Marken-Identität ausschlaggebend für den wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens.

Branding und das Prinzip der Selbstähnlichkeit

Damit ein lebendiges, sich dauernd veränderndes und wachsendes System, wie es eine Marke darstellt, Bündnisse um sich herum bilden kann, muss es immer wieder erkennbar sein. Sein Wachstum und seine Regeneration müssen bestimmten Mustern folgen, denn sonst kann es keine Gewohnheit und keine Erinnerung geben. Die Kenntnis dieses Musters stellt die Grundlage einer risikoarmen Markenführung dar. Denn "Die Reproduktion seines Musters befähigt ein lebendes System sich auszudehnen, sein Umfeld zu besetzen und im Wettbewerb zu überleben", wie der Nobelpreis-Träger Gerd Binning erkannt hat. Die Musterbildung dokumentiert sich im Universalprinzip der "Selbstähnlichkeit" und bildet die Grundlage erfolgreicher Markenführung.

Selbstähnlichkeit ist die strukturelle Fähigkeit eines Systems, sämtliche Ausprägungen in einer gestaltübergreifenden, "typischen Art und Weise" zu interpretieren.

Abb. 05: Edding überträgt sein typisches Designmuster konsequent auf neue Produktgruppen und erleichtert damit die Markteinführung. Bildquelle: Edding.

Abb. 05: Edding überträgt sein typisches Designmuster konsequent auf neue Produktgruppen und erleichtert damit die Markteinführung. Bildquelle: Edding.

Selbstähnlichkeit bedeutet Bestätigung und Variation, Reproduktion des Grundmusters und Variation mit Neuem, welches das bestehende Muster verstärkt. Selbstähnlichkeit ist damit das Gegenteil einer identischen Reproduktion, der Wiederholung des Immergleichen. Durch die Reproduktion von einzigartigen Besonderheiten erzeugt Selbstähnlichkeit Abgrenzung im Umfeld, damit für den Betrachter Differenzierung und Wiedererkennung und somit Orientierung im Markt. Je selbstähnlicher eine Marke auftritt, umso anziehender wirkt sie und desto größer ist die Chance zum Synonym einer ganzen Kategorie zu werden, wie zum Beispiel Tempo, Edding, Fön, Weck oder Flex.

Die individuelle Varianz ist damit Voraussetzung für das Prinzip der Selbstähnlichkeit. Marken, die langfristige Wertschöpfung zum Ziel haben, begreifen daher Markenführung als übergreifenden Prozess, der bei jeder strategischen Entscheidung das Markensystem als einen Gesamtkörper betrachtet: Wird die Spezifik der Marke durch diese Entscheidung geschwächt oder gestärkt? Auf diese Weise lässt sich öffentliches Vertrauen aufbauen und verstetigen. Verlässt eine Marke ihr selbstähnliches Gestaltmuster, kann dies zu Kundenverlust führen. Denn absolute Unähnlichkeit bei ausschließlich erstmaliger Information, also einem völlig Neuen, bedeutet Chaos durch absolute Offenheit und folglich den Tod des Systems Marke, da keine Selbst-Referenzialität, als Ursache der Kundenbindung, mehr stattfindet.

Branding verbindet Kreativität und Strategie

Branding umfasst demnach nicht nur eine kreative Komponente, die sich im selbstähnlichen Designmuster der Marken-Identität ausdrückt, sondern auch eine strategische Komponente, die sich in der wertebasierten Entwicklung und Kommunikation des Leistungs- und Nutzensinns gegenüber den Kunden der Marke ausdrückt.

Mit Branding gibt man also strategisch, das heißt zielgerichtet geplant, seinem Unternehmen und seinen Produkten eine selbstähnliche Identität, die zum Ausdruck bringt, für welche Eigenschaften, welchen Nutzen und welche Werte das Unternehmen oder das Produkt steht. Und durch das Branding wird eine Entscheidung darüber getroffen, wie, also mit welchen besonderen Merkmalen und spezifischen Nutzen die Marke im Bewusstsein der Öffentlichkeit positioniert werden soll. So verstand es keiner besser als Steve Jobs, die Kennzeichen einer guten Branding-Strategie Zusammengehörigkeit, Beständigkeit und Klarheit für die Profilierung seiner Marke Apple gewinnbringend zu nutzen. Denn gemeinsam können diese drei Dinge kraftvolle psychologische Bindungen der Kunden an die Produkte der Unternehmen und eine höhere Geldausgabebereitschaft auslösen, weil die Kunden nun genau wissen, welchen Nutzen sie haben, wenn sie Produkte von Apple verwenden.

Abb. 06: "Die Chance eine Erinnerung zu erzeugen, ist die Essenz des Brand Managements" (Steve Jobs). Bildquelle: Apple

Abb. 06: "Die Chance eine Erinnerung zu erzeugen, ist die Essenz des Brand Managements" (Steve Jobs). Bildquelle: Apple

Branding ist jedoch nicht nur großen Unternehmen vorbehalten. Jedes Unternehmen, vom Start-up bis zum Konzern, kann einen Branding-Prozess in Bewegung setzen. Also Identitäten und resonanzstarke Positionierungen entwickeln und so Wahrnehmungen beeinflussen, um den Unternehmenserfolg zu fördern. Idealerweise sollte ein Branding-Prozess deshalb schon mit dem Entstehen des Unternehmens anfangen, da die öffentliche Wahrnehmung schwer veränderbar ist, sobald sie sich verfestigt hat.

Risiken proaktiv vermeiden

Fokussiertes Branding hilft Unternehmen sich im Wettbewerbsumfeld klar abzugrenzen und Kaufentscheidungen durch relevante Nutzenbotschaften zu fördern. Das eröffnet dem Unternehmen die Chance seine Marke erfolgreich zu führen. Kennt es doch die Erfolgsparameter warum Menschen Bündnisse gerade mit seinen Produkten eingehen und nicht die Produkte des Wettbewerbes bevorzugen. Damit kann das Management nicht nur seine Kundschaft zielgerichtet führen, sondern auch proaktiv Risiken vermeiden, die zum Verlust der Kundschaft führen. Denn wer seine Marke nicht selbst klar definiert überlässt dies dem Markt mit dem Ergebnis, dass man die Führung seiner Marke aus der Hand gibt. Und damit auf weitere handfeste Vorteile bewusst verzichtet. Zum Beispiel vergrößert Branding den Wert des Produktes: Branding macht aus austauschbaren, preisorientierten Gebrauchsgütern einzigartige, wertvolle Kulturgüter für die die Kunden bereit sind mehr Geld auszugeben. So ebnete die Apples "1984" Kampagne nicht nur den Weg für die innovativen Super Bowl Werbespots, sondern Apple konnte für seine Produkte auch einen höheren Preis als seine Wettbewerber erzielen.

Branding baut auch eine größere emotionale Verbindung zu den Kunden der Marke auf, denn erfolgreiche Marken erzählen spannende Geschichten mit einem hohen Nutzenwert als Identifikationsangebot für ihre Kunden. Ausgangspunkt ist dabei immer das Versprechen der Marke, welches den Leistungs- und Nutzensinn der Marke auf den Punkt bringt. Dazu kommt die Gestaltung einer authentischen Welt mit einem sehr hohen emotionalen Erlebnis- und Wiedererkennungswert.

Abb. 07: Croozer positioniert sich divergent als "Der Fahrradanhänger" und bringt den Kundennutzen "Einfach unterwegs" in einer fokussierten Bildsprache zum Ausdruck. Bildquelle: Croozer

Abb. 07: Croozer positioniert sich divergent als "Der Fahrradanhänger" und bringt den Kundennutzen "Einfach unterwegs" in einer fokussierten Bildsprache zum Ausdruck. Bildquelle: Croozer

Im Ergebnis erzeugt Branding eine ausgeprägte Kundentreue. Starke Marken verfügen deshalb über eine große Stammkundschaft und richten ihre Werbung nicht auf die Gewinnung neuer Kundengruppen aus. Zumal die Gewinnung eines neuen Kunden bis zu fünfmal teurer ist als einen Stammkunden enger an die Marke zu binden und Kaufempfehlungen zu generieren.

Branding heißt aus der Perspektive der Kunden denken

Marke als Wertschöpfungsstrategie heißt Kundschaft. Denn nicht das Unternehmen ist die Wertschöpfungsquelle, sondern der Kunde. Er kauft die Produkte, deren Herstellung und Vertrieb nur Kosten erzeugen. Deshalb gibt es in einem Unternehmen auch keine "Profitcenter", sondern nur "Kostencenter". Das einzige echte Profitcenter ist der Kunde. Und in dessen "Kopf" lebt die Marke als "positives Vorurteil von der Leistungsüberlegenheit des Produktes". Das zentrale Ziel des Marken-Managements ist es deshalb mit den Produkten nicht der Erste im Markt, sondern mit dessen Nutzen der Erste im Kopf des potentiellen Kunden zu sein und hier einen "Logenplatz" einzunehmen. Und das heißt, sich im Wettbewerb der Wahrnehmungen durchzusetzen.

Leider herrscht heute immer noch eine fehlgeleitete Markendefinition vor, bei welcher der Kunde nicht vorkommt. Viele Unternehmen beschäftigen sich vor allem mit sich selbst und vergessen oftmals sich mit der Wirkung ihrer Aktivitäten auf Menschen als potentielle Kunden auseinanderzusetzen. Dazu kommt, dass sie Kommunikation auf Werbung reduzieren und nicht erkennen, dass man nicht nicht kommunizieren kann. Denn alles kommuniziert: das Produkt, der Preis, die Distribution, die Werbung und auch der Kunde. So kommt es oftmals vor, dass Kommunikationskanäle mit Werbung "zugemüllt" werden, was zum Kundenverlust führt: Eine halbe Million Menschen hören weniger Radio als 6 Monate zuvor. Auch die Printtitel verlieren an Auflage (die großen Tageszeitungen büßten in den letzten 10 Jahren jeden 5. Käufer ein, Bild sogar jeden 3. – Bravo & Popcorn verloren in den letzten 5 Jahren fast 80 Prozent ihrer Auflage, Computertitel 50 bis 60 Prozent, der Stern ein Drittel der Auflage; Quelle: Media Analyse 2015).

Abb. 08: 74 Prozent aller Marken und 60 Prozent des produzierten Brand Contents sind für Menschen nicht relevant: 75 Prozent erwarten von Marken, dass sie einen größeren Beitrag zu unserem Wohlbefinden und unserer Lebensqualität leisten, aber nur 40 Prozen

Abb. 08: 74 Prozent aller Marken und 60 Prozent des produzierten Brand Contents sind für Menschen nicht relevant: 75 Prozent erwarten von Marken, dass sie einen größeren Beitrag zu unserem Wohlbefinden und unserer Lebensqualität leisten, aber nur 40 Prozent glauben, dass Marken dies auch wirklich umsetzen (Bildquelle: Havas Media, Meaningful Brands 2017)

Entscheidend für die Entwicklung eines wirkungsvollen Brandings ist es deshalb die Bedürfnis- und Wahrnehmungsposition der Kunden einzunehmen. Deren Bedürfnisse zu erkennen und zu befriedigen. Ihnen also mit immer besseren Produkten einen Nutzen stiften um einen Mangel zu beseitigen. Branding gedacht als Selbstzweck zur ausschließlichen Erhöhung des Profits wird deshalb langfristig nicht erfolgreich sein.

Was man beim Branding vor allem beachten sollte

Der Branding-Prozess sollte mit der Formulierung der Mission gestartet werden, also den Zweck des Unternehmens definieren, darstellen warum es das Unternehmen überhaupt gibt. Danach sollte die Vision des Unternehmens formuliert werden, das Ziel, das "Big Picture", welches langfristig erreicht werden soll. Damit stehen die Eckpfeiler des Unternehmens und bilden die Grundlage der Marken-strategie, die aus der wertebasierten Identität und nutzenorientierten Positionierung der Marke besteht (nähere Ausführungen siehe oben).

Nach der Finalisierung der Markenstrategie, die mit einem auf den Kundennutzen ausgerichteten Markenversprechen als Ausgangspunkt des Brand Storytellings endet, sollten die evaluierten Leistungswerte in die Leistungskultur des Unternehmens in Form von handlungsleitenden Richtlinien entlang der Wertschöpfungskette implementiert werden. Dokumentiert in einem "Brand Management Manual" dienen diese Leitlinien dazu die "Kontaktpunkte" des Markensystems in einem selbstähnlichen und damit typischen und unverwechselbaren Stil als vertrauensbildendes Erfolgsmuster zu gestalten. Dieses Manual enthält deshalb neben den klassischen Design-Styleguides auch Richtlinien für die Gestaltung der Produkte, der Preise, der Distribution und der werblichen Kommunikation sowie kulturelle Richtlinien zum Verhalten der Mitarbeiter im Kunden-kontakt. Damit ist es der Unternehmensführung möglich die Marke stilstreng und somit risikoarm zu führen und das Vertrauen der Stakeholder in die Marke als Bündniselement fortlaufend zu bestätigen.

Abb.: 09: Sigg und Stahlgruber setzen verbindliche Styleguides ein und stellen so eine selbstähnliche Führung ihrer Marke sicher (Design: Schiller Brand Company).

Abb.: 09: Sigg und Stahlgruber setzen verbindliche Styleguides ein und stellen so eine selbstähnliche Führung ihrer Marke sicher (Design: Schiller Brand Company).

Im Zuge der Marken-Evolution können diese Leitlinien und Parameter dynamisch unter der Prämisse der Beibehaltung der Selbstähnlichkeit der Marke weiterentwickelt oder ergänzt werden. Im Ergebnis wird das selbstähnliche Identitätsmuster der Marke fortlaufend reproduziert und so das Vertrauen der Kunden in die Markenleistung gestärkt. Denn der Verlust der Selbstähnlichkeit erzeugt Misstrauen und ist die Ursache von Kundenverlust und damit Verlust der Wertschöpfungsqualität des Unternehmens. Ein Branding nach dem Prinzip der Selbstähnlichkeit kann dieses Risiko jedoch proaktiv vermeiden.

Zum Autor:

Wolfgang Schiller ist weltweit der führende Experte auf dem Gebiet des Brand Risk Managements. Er hat zuverlässige Prozesse und effiziente Tools entwickelt, wie man Marken proaktiv vor Risiken schützt und damit den Verlust von Kunden rechtzeitig vermeidet.

Wolfgang Schiller ist weltweit der führende Experte auf dem Gebiet des Brand Risk Managements. Er hat zuverlässige Prozesse und effiziente Tools entwickelt, wie man Marken proaktiv vor Risiken schützt und damit den Verlust von Kunden rechtzeitig vermeidet.

 

[ Bildquelle Titelbild: Adobe Stock ]
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