Kommentar

Auf dem Weg zur Währungsreform?


Auf dem Weg zur Währungsreform? News

Alle sind sich einig, dass die Volkswirtschaften dauerhaft nur dann gesunden, wenn die Verschuldung der Staaten zurückgeführt wird. Genau so sind die meisten aber auch davon überzeugt, dass eine Reduzierung der Schulden in modernen Demokratien nicht möglich ist. Den Politikern fehlt es an Kraft, die Ausgaben zu kürzen und die Abgaben zu erhöhen. Sie haben Angst, durch eine restriktive Finanzpolitik das Wachstum zu beschädigen und die Arbeitslosigkeit noch mehr nach oben zu treiben. Daher die Befürchtung vieler Investoren, dass am Ende kein anderer Ausweg bleibt, als die Schulden durch Inflation zu entwerten oder eine Währungsreform durchzuführen.

Ist ein so pessimistischer Ausblick gerechtfertigt? Plausibel ist er zweifellos. In der Geschichte ist es nicht oft gelungen, die Schulden durch eine rigorose Finanzpolitik zu verringern. Währungsreformen sind gar nicht so selten. Man muss dafür nicht nur nach Griechenland schauen, wo es in den letzten zweihundert Jahren fünf Währungsreformen gab (im Schnitt also alle 40 Jahre).  Deutschland hatte in den letzten hundert Jahren zwei, die neuen Bundesländer sogar drei.

In den USA kam es nach dem Zweiten Weltkrieg zwar nicht zu einer Währungsreform. Die hohen Schulden wurden aber über viele Jahre durch eine Inflation entwertet, die über den Zinsen lag. Das war de facto eine Enteignung der Sparer. Nur einige kleine Länder, wie Lettland oder Island, haben es durch eine rigorose Politik geschafft, ihr Land wieder in Ordnung zu bringen.

Freilich ist dies nur die halbe Wahrheit. Der Journalist Bernhard Jünemann vom Deutschen Anleger Fernsehen hat mich vor kurzem auf die bemerkenswerte Parallelität zwischen der heutigen Schuldensituation und der Inflationsdiskussion in den 70er Jahren aufmerksam gemacht. Damals klagte alle Welt über die hohe Preissteigerung. Kaum jemand hatte die Hoffnung, dass die Welt davon wieder herunterkommt. Es gelang trotzdem. Die Grafik zeigt, wie die Preissteigerung in Deutschland seit Mitte der 70er Jahre von zeitweise knapp 8 % auf heute 2,5 % zurückging. In den USA verringerte sich die Rate von knapp 15 % auf 3,9 %. Das wären schöne Beispiele für einen Schuldenabbau. 
Abbildung: Preissteigerung in Deutschland in % ggü. Vorjahr
Abbildung: Preissteigerung in Deutschland in % ggü. Vorjahr

Wie ist das gelungen? Zuerst muss die richtige Erkenntnis da sein. Bei der Inflation war es einmal die Tatsache, dass ihr eine Tendenz zur Selbstbeschleunigung inne wohnt. Wenn die Geldentwertung bei 5 % liegt, bleibt sie nicht dort, sondern steigt auf vielleicht 10 % und mehr. Zum anderen fördert Preissteigerung auf lange Sicht nicht Wachstum und Beschäftigung, sondern schadet diesen Zielen. Das zeigte sich Ende der 70er, Anfang der 80er Jahre in der kurzen Abfolge von Rezessionen. Man sprach schon von Stagflation, also der Kombination von Inflation und Stagnation.

Auch Staatsschulden haben die Tendenz zur Selbstbeschleunigung. Je höher die Verschuldung, umso mehr muss für Zinsen und Tilgungen ausgegeben werden und umso größer ist die erforderliche Neukreditaufnahme. Gleichzeitig helfen Schulden auf Dauer dem Wachstum und der Beschäftigung nicht, sondern wirken bremsend. Die beiden amerikanischen Ökonomen Kenneth Rogoff und Carmen Reinhard haben aufgrund der historischen Erfahrung nachgewiesen, dass eine Staatsverschuldung, ab einer Größe von 90 % des Bruttoinlandsprodukts, überwiegend negative Wirkungen hat. Diese Erkenntnis ist aber bei weitem noch nicht Allgemeingut.

Es reicht freilich nicht, die richtige Erkenntnis zu haben. In einer globalen Welt muss zwischen den großen Nationen ein Konsens erzielt werden. Das war schon damals nicht leicht. Zwischen dem damaligen deutschen Bundeskanzler Helmut Schmidt und dem amerikanischen Präsidenten Jimmy Carter sollen in jenen Jahren auf internationalen Konferenzen "die Fetzen geflogen" sein. Schließlich erreichte man aber im Kommuniqué des Londoner Gipfeltreffens der  sieben größten Industrieländer eine Formulierung, die in die Geschichte einging: "Inflation verringert die Arbeitslosigkeit nicht. Sie ist im Gegenteil eine ihrer Hauptursachen." Das war der Durchbruch. In der Schuldenfrage gibt es bisher keinen so klaren Konsens. Es wird auf internationalen Konferenzen noch nicht einmal wirklich darum gekämpft. Jeder sagt, Sparen ist wichtig, aber nur auf mittlere Frist und noch nicht jetzt.

Schließlich muss es mutige Politiker geben, die das in die Praxis umsetzen. In den USA war es Ende der 70er,  Anfang der 80er Jahre der amerikanische Notenbankpräsident Paul Volcker, der die Geldentwertung mit drastischen Zinserhöhungen bekämpfte. Das führte vorübergehend zu einem Konjunktureinbruch. Danach stand die wirtschaftliche Entwicklung jedoch auf gesünderen Füßen (was auch den Aktienmärkten zugute kam). Man braucht dabei auch einen langen Atem. Die Besserung kann nicht von heute auf morgen erreicht werden. Sie dauert Jahrzehnte.

 

Autor: Dr. Martin W. Hüfner, Chief Economist, Assenagon Asset Management S.A.


[Bildquelle: iStockPhoto]

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