Markt- und Risikoanalyse

An der Schwelle zur Rezession


An der Schwelle zur Rezession News

Der deutschen Wirtschaft steht nach Berechnungen des Kieler Instituts für Weltwirtschaft "eines der schwächsten Jahre seit der Finanzkrise bevor". Die Konjunkturforscher des IfW rechnen in ihrer neuen Prognose für 2019 nur noch mit einem Zuwachs des Bruttoinlandsproduktes (BIP) um 0,4 Prozent, 0,2 Prozentpunkte weniger als bislang prognostiziert. "Solch schwache Zahlen gab es zuletzt 2013 im Zuge der Euro-Schuldenkrise", erklärten die Ökonomen.

Deutschland stehe "an der Schwelle zur Rezession" - Mitte nächsten Jahres dürfte die Konjunktur aber wieder anziehen. Die Ökonomen sagten für 2020 ein Wachstum von 1,0 Prozent und für 2021 einen Zuwachs um 1,4 Prozent voraus. Im Juni hatten sie für kommendes Jahr noch ein BIP-Plus von 1,6 Prozent veranschlagt.

Im dritten Quartal 2019 zeichne sich ein Schrumpfen des BIP um 0,3 Prozent ab, nach einem Rückgang um 0,1 Prozent im zweiten Quartal. "Damit erfüllt Deutschland zwar formal die Definition einer 'technischen Rezession', eine gesamtwirtschaftliche Unterauslastung der Kapazitäten ist damit aber noch nicht verbunden", erklärte der Leiter des IfW-Prognosezentrums, Stefan Kooths. "Erst in einem solchen Fall könnte auch von einer Rezession im Sinne einer Konjunkturphase gesprochen werden."

Aufschwung am Arbeitsmarkt geht zu Ende

Die Unternehmensinvestitionen legen laut der Prognose nach 3,6 Prozent im Vorjahr im laufenden Jahr nur noch um 1,4 Prozent zu und sinken 2020 sogar leicht. 2021 dürfte dann mit einem Zuwachs von mehr als 2 Prozent eine Erholung eintreten. Die Exporte legen nach über 2 Prozent im Vorjahr 2019 nur noch um knapp 1 Prozent zu, dürften dann aber wieder etwas kräftiger mit 1,8 Prozent 2020 und 2,6 Prozent 2021 wachsen.

Die schwächere Konjunktur mache sich auch am Arbeitsmarkt bemerkbar, wo der längste Aufschwung seit 50 Jahren zu Ende gehe. Die Zahl der Arbeitslosen dürfte von nun an wieder zunehmen und die Arbeitslosenquote von derzeit 5 Prozent auf 5,2 Prozent im Jahr 2020 und 5,3 Prozent 2021 steigen.

Dennoch dürften die verfügbaren Einkommen der privaten Haushalte weiter deutlich aufwärts gerichtet bleiben. Entsprechend sei der private Konsum weiterhin eine Stütze für die Konjunktur und dürfte mit Raten von 1,3 Prozent in diesem Jahr, 1,2 Prozent im kommenden und 1,4 Prozent im Jahr 2021 zulegen. Auch die Bauinvestitionen würden wohl nicht zuletzt aufgrund der anhaltend äußerst günstigen Finanzierungsbedingungen aufwärts gerichtet bleiben und um 3,2 Prozent im Jahr 2019, 1,7 Prozent 2020 und 2,2 Prozent 2021 steigen.

Kein Anlass für Aktionismus

Belastend für die deutschen Wirtschaftsaussichten sei vor allem eine "durch Handelskonflikte und den Brexit vorherrschende politische Unsicherheit", wobei insbesondere Investitionen und Exporte unter Druck stünden. Hinzu kämen zyklische Faktoren, die dem vorangegangenen langen Aufschwung geschuldet seien.

Während die Industrie die Schwelle zur Rezession schon überschritten habe, habe der Abschwung die konsumnahen Dienstleister noch nicht voll erfasst, und die Bauwirtschaft laufe weiter hochtourig. Allerdings würden die Probleme in der Industrie vermehrt auf die übrigen Bereiche ausstrahlen, und die gestiegenen Löhne machten einen Stellenabbau im Abschwung wahrscheinlich.

"Dennoch besteht kein Anlass für konjunkturpolitischen Aktionismus, etwa durch Investitionsprogramme, die vor allem die Baupreise anheizen würden", warnte Kooths. Stattdessen solle man den Staatshaushalt mit der Konjunktur atmen lassen, wie es die Schuldenbremse vorsieht. An der schwarzen Null im Bundeshaushalt müsse indes "nicht krampfhaft festgehalten werden".

[ Bildquelle Titelbild: Adobe Stock ]

Kommentare zu diesem Beitrag

RiskNET Redaktion /11.09.2019 13:09
+++ Wirtschaft im Abschwung +++

Das RWI - Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung hat seine Prognose für das deutsche Wirtschaftswachstum im Jahr 2019 auf 0,4 Prozent von bisher 0,8 Prozent gesenkt. Für 2020 erwartet es jetzt 0,9 Prozent statt im Juni vorhergesagter 1,4 Prozent. Für 2021 rechnen die Essener Forscher dann mit einem Anstieg auf 1,3 Prozent.

"Es mehren sich die Anzeichen, dass die Schwächephase anhält und die Konjunktur in Deutschland in einen Abschwung übergeht", erklärte das RWI. Insbesondere halte der Rückgang der Produktion im verarbeitenden Gewerbe und hier insbesondere in der Automobilindustrie an. "Damit steigt das Risiko, dass die deutsche Wirtschaft in eine Rezession gerät", warnten die Forscher. Die Bautätigkeit zeige allerdings kaum Anzeichen von Schwäche, und auch der private Konsum bleibe aufwärtsgerichtet.

Die Arbeitslosenquote dürfte in diesem und im nächsten Jahr nach den Berechnungen des Instituts bei 5,0 Prozent liegen und im Jahr 2021 auf 4,9 Prozent sinken. Dabei werde eine Inflationsrate von 1,4 Prozent in diesem und 1,3 Prozent im kommenden Jahr erwartet. Die öffentlichen Haushalte würden 2019 und 2020 voraussichtlich Überschüsse von knapp 52 Milliarden respektive knapp 40 Milliarden Euro erzielen.

Die Prognose geht nach Angaben des RWI davon aus, dass Großbritannien die EU geregelt verlässt. "Ein harter Brexit Ende Oktober hätte wohl deutlich gravierendere gesamtwirtschaftliche Effekte", warnte der stellvertretende RWI-Konjunkturchef Torsten Schmidt. Eine weitere Annahme sei, dass der Rückgang der Produktion im Wesentlichen auf das verarbeitende Gewerbe begrenzt bleibe. Würde sich die Schwäche beispielsweise auf den Dienstleistungssektor übertragen, würde auch das die negativen gesamtwirtschaftlichen Effekte verstärken.
RiskNET Redaktion /12.09.2019 14:50
+++ Konjunktur am Scheideweg zwischen Rezession und Erholung +++

Auch das Hamburgische Weltwirtschaftsinstitut (HWWI) hat seine Prognosen für das Wirtschaftswachstum in diesem und im kommenden Jahr gesenkt. Die Ökonomen schlossen sich damit den Erwartungen von Forscherkollegen an, die am Berichtstag und am Vortag ebenfalls eine schwächere Entwicklung vorausgesagt hatten. Das HWWI erwartet nun für 2019 ein Wachstum des Bruttoinlandsproduktes (BIP) von 0,6 Prozent und für 2020 - auch aufgrund von mehr Arbeitstagen - von 1,4 Prozent. Bisher hatten sie 0,9 Prozent und 1,7 Prozent veranschlagt.

"Die deutsche Konjunktur ist im Frühsommer ins Stocken geraten", erklärten die Hamburger Ökonomen. Auch für das dritte Quartal sei mit einer schrumpfenden Wirtschaftsleistung zu rechnen, was nach technischer Definition eine Rezession bedeute. Angesichts des üblichen Revisionsbereichs des Statistischen Bundesamts wäre es nach Einschätzung der Ökonomen "allerdings verfrüht, bereits von rezessiven Tendenzen zu sprechen". Die außenwirtschaftlichen Störfaktoren hätten sich aber bereits deutlich ausgewirkt.

Unter diesen Bedingungen stehe die deutsche Wirtschaft je nach Politikentwicklung, insbesondere im Ausland, "an einem Scheideweg zwischen einer Rezession und einer möglichen Rückkehr auf einen moderaten Wachstumspfad". Unter der Voraussetzung, dass die außenwirtschaftspolitischen Risiken begrenzt blieben, vor allem also keine US-Strafzölle beschlossen würden und es zu einem geordneten Brexit komme, würden in der optimistischen Variante weiterhin die noch relativ robusten binnenwirtschaftlichen Rahmenbedingungen die weitere Entwicklung der Wirtschaft bestimmen. Dann dürfte sich die deutsche Konjunktur im restlichen Jahresverlauf wieder festigen.

Das HWWI rechnet mit einer Zunahme der privaten Konsumausgaben um 1,4 Prozent in diesem und um 1,3 Prozent im kommenden Jahr und der Anlageinvestitionen um 3,0 Prozent 2019 und 2,8 Prozent 2020. Für die Ausfuhren werden Zuwächse um 1,3 Prozent in diesem, aber 3,9 Prozent im kommenden Jahr veranschlagt, und für die Einfuhren wird ein Plus von 2,8 Prozent im Jahr 2019 und 4,3 Prozent 2020 gesehen. Die Arbeitslosenzahl soll 2019 bei 2,27 Millionen und 2020 bei 2,29 Millionen liegen, die Arbeitslosenquote soll in beiden Jahren 4,8 Prozent betragen.

Würden sich in der pessimistischen Variante hingegen die außenwirtschaftspolitischen Risiken, speziell ein No-Deal-Brexit und US-Strafzölle, materialisieren, würde das "nicht nur in noch erheblich stärkerem Maße die Exportwirtschaft, sondern auch den Dienstleistungssektor und die Binnenwirtschaft belasten", warnten die Ökonomen.
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