Nachhaltige PR-Werkzeuge für schwierige Zeiten

Kommunizieren in der Krise


Rezension

Es war ein tiefer Absturz des "Gelben Engels". So wurde im vergangenen Jahr öffentlich, dass der renommierte ADAC-Autopreis "Gelber Engel" schon seit mehreren Jahren manipuliert wurde. Und damit nicht genug: Ex-Präsident Peter Meyer ließ sich mitunter mit Rettungshubschraubern zu Terminen fliegen. Und einem Manager hatte der Automobilclub im exklusiven Bad Homburg ein Haus bauen lassen. Die ADAC-Krise hat es mehr als verdeutlicht: Unternehmen sind Shitstorms mehr oder weniger hilflos ausgeliefert. Die Berichterstattung über derartige Krisen verbreitet sich in der Regel binnen weniger Stunden über Social-Mediakanäle und zeitverzögert über die klassischen Medien.

Der Journalist und Kommunikationsberater Lorenz Steinke weist in seinem Buch darauf hin, dass Krisenkommunikation in vielen Unternehmen noch immer als Tabu-Thema gilt. Viele Unternehmen vergessen die Fortschreibung und Anpassung bestehender Krisenkommunikationspläne auf die neuen Kommunikationskanäle. Und was noch wichtiger ist: Nicht selten fehlt die begleitende Neubesinnung in der Unternehmenskultur, die im Krisenfall den offenen, fairen und deeskalierenden Dialog mit wütenden Shareholdern überhaupt erst möglich macht.

Autor Steinke weist auf einen weiteren Trend hin: Aus Angst vor sich in den Social Media lawinenartig ausbreitenden Protestwellen wird nach dem "Vogel-Strauß-Prinzip" verfahren. Unternehmen verschenken das Kommunikationspotenzial von Twitter, Facebook oder Youtube, weil sie befürchten, nachts um halb Drei, wenn die eigene Kommunikationsabteilung schläft, Opfer eines unkontrollierbaren Shitstorms zu werden.

Die Analyse von Steinke ist eindeutig: Die Überlegung, sich online tot zu stellen wird zur bewussten Management-Entscheidung – im ebenso falschen wie unumstößlichen Glauben, sich allein durch Nichtpräsenz in den Social Media vor deren Zusammenrottungspotenzial schützen zu können. Dabei sollte der von Greenpeace gegen den Nahrungsmittelkonzern Nestlé gestartete Shitstorm jeder Führungskraft vor Augen geführt haben, dass diese Strategie in der Krise kläglich scheitert. Die Umweltorganisation Greenpeace lancierte im Jahr 2010 eine Kampagne gegen das Nestlé-Produkt Kitkat, da für dieses Produkt Palmöl aus Indonesien eingesetzt wird, welches auf gerodeten Regenwaldflächen angebaut wird. Indonesien weist eine der weltweit höchsten Raten von Urwaldzerstörung auf. Nach dem Start der Greenpeace-Kampagne hatte Nestlé zuerst versucht, den Protest mit anwaltlichen Mitteln aus dem Netz herauszubekommen: Eine Strategie der Stärke und des Drohens, wie sie in Online-Medien vielleicht noch hätte erfolgreich sein können. Online aber war dieses Vorgehen zwingend zum Scheitern verurteilt. Am Ende musste Nestlé einlenken und seine Produktion umstellen.

Das Buch zeigt auf, dass Kommunikation in der Krise immer gleichen Mustern folgt: Im ersten Schritt wird die Krise nach außen verneint. Sind die Symptome der Krise schließlich auch in der Öffentlichkeit für jedermann sichtbar und nicht mehr zu verleugnen, schließt sich Schritt zwei an: die Salamitaktik. Probleme werden in kleinstmögliche Scheiben zerlegt und sukzessive eingestanden – doch immer nur gerade so weit, wie sie ohnehin schon der Außenwelt bekannt sind.

Das wiederum reizt die Medien zu Folge-Recherchen und verstärkt die Empörung in der Öffentlichkeit. Dabei schaukeln sich Berichterstattung und digitaler Shitstorm häufig gegenseitig hoch. Dritte und letzte Phase einer Kommunikationskatastrophe ist stets das Brechen der letzten Dämme: Das Unternehmen gesteht seinen Skandal vollumfänglich ein und stellt der Öffentlichkeit ein Maßnahmenbündel zu dessen Behebung sowie für die zukünftige Vermeidung einer Skandal-Neuauflage vor. Doch die bis zu diesem Zeitpunkt betriebene Nicht- und Salamikommunikation hat bereits jegliches öffentliche Vertrauen zerstört und dem Unternehmen einen schweren Image-Schaden beigebracht.

Das Buch liefert in 10 Kapiteln eine exzellente Einführung in die Krisenkommunikation. Viele Fallbeispiele, Kurzinterviews und Praxistipps erleichtern den Transfer aus der Theorie in die Praxis. Am Ende der Lektüre steht die Erkenntnis: Das Internet schafft neue, bisher unbekannte Formen der Kommunikation, aber auch eine neue Transparenz. Gute Krisenkommunikation geht auf die Chancen und Herausforderungen gleichermaßen ein. Schlechte Krisenkommunikation verleugnet sie – und führt in den Untergang.

Fazit: Das Buch gehört auf den Schreibtisch jeden Geschäftsführers, Kommunikationsexperten, Krisen- und Risikomanagers. Es liefert die Werkzeuge, mit denen in Krisen besser, schneller und zielgerichteter kommuniziert werden kann. So haben Sie alles in der Hand, damit ihr Unternehmen die Krise nicht nur übersteht, sondern auch gestärkt aus ihr hervorgeht.

Autor der Rezension: Frank Romeike

 

 

Interview zum Thema Krisenkommunikation



Quelle: Lorenz Steinke"Die Krise ist nicht vorhersehbar"

Shitstorms kommen und gehen. Doch der Reputationsschaden bleibt. Kommunikations-Berater Lorenz Steinke ging den Weg vom leitenden Redakteur, über den Pressesprecher in die Selbstständigkeit. Er erklärt im Interview, wie Sie in der Krise richtig kommunizieren.


Ein Shitstorm von Veganern wegen eines Wurst-Werbespots, der Absturz der Apple-Aktie, nachdem ein Gerüchteportal im Internet irrtümlich den Tod des Vorstandschefs meldet: Kann man sich als Unternehmen heute überhaupt noch auf alle denkbaren Krisenszenarien vorbereiten?

Lorenz Steinke: Es ist richtig, die Bandbreite der Unternehmens- und Kommunikationskrisen hat in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Es sind ganz neue Formen hinzugekommen, die noch vor ein paar Jahren unvorstellbar waren. Der Investor Warren Buffet hat mal gesagt: "Es dauert zehn Jahre, einem Unternehmen ein positives Image zu verleihen, aber nur zehn Sekunden, dieses zu verlieren." Diese Wahrheit ist heute aktueller denn je. Dank Internet und Social Media sind viele neue Geschäftsmodelle und Vertriebswege entstanden. Aber natürlich kann ein Unternehmen über die selben Kanäle auch in Sekundenbruchteilen seinen Ruf verspielen. Und oft merken die Verantwortlichen dies erst, wenn es schon längst zu spät ist.

Sie raten Unternehmen also, sich auf Krisen vorzubereiten, die gar nicht vorhersehbar sind?

Lorenz Steinke: Die Krise ist nicht vorhersehbar, aber vieles an ihrem Verlauf durchaus. Erfahrene Pressesprecher wissen, wie Medien Krisenthemen recherchieren oder welche berechtigten Fragen und Anliegen Kunden und Anleger in der Krise haben. Viele Journalisten arbeiten gerade bei Krisenthemen nach standardisierten Verfahren – wenn man diese Verfahren kennt und richtig damit umgeht, kann man die Krise im Idealfall schon zu Beginn entschärfen.

Was gehört denn zu einer guten Vorbereitung auf unbekannte Krisen?

Lorenz Steinke: Noch immer haben viele Unternehmen ihre Hausaufgaben nicht gemacht. Zu einer guten Krisenvorbereitung gehören regelmäßige Krisenübungen und das Vorbereiten von Presseinformationen zu Gefahrenthemen. Wichtig sind außerdem Medientrainings für Führungskräfte.

Wer sich ungeübt im Interview grillen lässt und vor der Kamera herumstottert oder sogar seine Kunden beschimpft, gießt noch Öl ins Feuer. Daneben werden auch Dark Sites immer wichtiger: Das sind vorbereitete Inhalte für die Unternehmens-Website, die man im Krisenfall schnell online stellen kann. Hier finden Kunden beispielsweise Behörden- oder Notfalltelefonnummern oder Warnhinweise bei einem Produktrückruf oder bei einem Unfall am Unternehmensstandort.

Wird der Pressesprecher von heute damit zum Feuerwehrmann, der von Krisenherd zu Krisenherd eilt?

Lorenz Steinke: Nein, gute Unternehmenskommunikation setzt schon vor der Krise an. Kluge Unternehmen betreiben Issue Management. Sie beobachten, welche Themen die Öffentlichkeit beschäftigen, nehmen hierzu Stellung und erkennen auch rechtzeitig, wenn einzelne Themen eine Gefahr für das Unternehmen werden. Immer mehr Kunden interessieren sich heute beispielsweise dafür, ob die Waren die sie kaufen, unter fairen und möglichst umweltverträglichen Bedingungen hergestellt werden. Wer das als Unternehmen nicht erkennt oder nicht akzeptieren will, wird zu Recht Opfer eines Shitstorms oder eines Verbraucherboykotts.

Gibt es eine einfache Regel, die in jeder Krise gilt?

Lorenz Steinke: Die wichtigste Regel lautet: Nicht kommunizieren ist fast immer die schlechteste Lösung. Damit sind schon viele Krisen verschärft worden. Die Krise einfach aussitzen – das funktioniert nicht mehr. Der Nahrungsmittelkonzern Nestlé musste diese Erfahrung machen, nachdem Greenpeace im Internet auf den Zusammenhang zwischen dem für Kit-Kat-Schokoriegel verwendeten Palmöl und dem Aussterben von Orang-Utans auf Borneo aufmerksam gemacht hatte. Nestlé hatte zunächst versucht, Greenpeace zum Schweigen zu bringen, die Krise damit aber nur verschärft. Am Ende hat der Konzern eingelenkt und sich eine neue Social-Media-Strategie gegeben. Vor allem aber hat Nestlé seine Produktion umgestellt und den Palmöl-Lieferanten gewechselt. Denn auch die beste Krisenkommunikation hilft nichts, wenn ein Unternehmen seine Fehler nicht erkennen will und nicht daraus lernt.


[Quelle für das Interview: Springer für Professionals]

 


Details zur Publikation

Autor: Lorenz Steinke
Seitenanzahl: 269
Verlag: Springer Gabler Verlag
Erscheinungsort: Wiesbaden
Erscheinungsdatum: 2014

RiskNET Rating:

sehr gut Praxisbezug
sehr gut Inhalt
sehr gut Verständlichkeit

sehr gut Gesamtbewertung

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