Länderrisiken analysiert

Wo ist das nächste Griechenland?


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Vor einem Jahr waren Unternehmensanleihen der große Renner am Kapitalmarkt. Gute Adressen brachten Kupons, die in Euroland zum Teil um drei bis vier Prozentpunkte über denen der deutschen Bundesanleihen lagen. Für Anleger war das ein Dorado. Im Verlauf des Jahres verringerten sich die Risikoaufschläge für diese Anleihen. Investoren bekamen daher nicht nur einen guten Zins, sondern auch erhebliche Kursgewinne. Zusammen addierte sich das nicht selten zu einer Rendite von 15 Prozent und mehr.

Könnte sich das jetzt in ähnlicher Form wiederholen? Diesmal aber nicht mit Anleihen von Unternehmen, sondern von Staaten? In den nächsten Monaten wird eine Reihe von höher verzinslichen Bonds an den Markt kommen. Den Anfang machte Griechenland mit einer 5-jährigen Anleihe und einer Rendite von über 6 Prozent. Sie war mehr als dreifach überzeichnet. Wer sind die neuen Emittenten? Wie steht es mit den Risiken?

Vorweg: Es geht hier nicht um Bonds schlecht beleumdeter Schuldner wie etwa Argentinien, Venezuela, Ukraine oder Island. Solche Hochzinsanleihen waren bei Unternehmen zu riskant, um sie dem "Normalanleger" zu empfehlen. Sie sind es auch bei Staaten. Gemeint sind Anleihen der entwickelten Staaten, die nicht zu den Hochzinsländern zählen und von den Rating-Agenturen mit Investment Grade bewertet werden. Das nächste Griechenland also. Die meisten nennen hier natürlich Spanien, Portugal, Irland und vielleicht Italien. Die Risikoaufschläge ihrer Anleihen sind bisher noch relativ gering. Spanien muss für 10-jährige Anleihen eine Rendite von 3,80 Prozent bezahlen, Italien von 3,90 Prozent und Portugal von 4,20 Prozent. Sie konnten dafür in den letzten Wochen schon erhebliche Mittel aufnehmen. Wenn es jedoch enger wird, werden sie höhere Renditen berappen müssen.

Aber wer kommt sonst noch in Betracht? Um diese Frage zu beantworten, kann man einen einfachen Verschuldungsindex errechnen. Er besteht zum einen aus der Höhe der öffentlichen Defizite. Sie zeigen, wie viel Geld das Land netto braucht. Daneben geht in den Index der Saldo der Leistungsbilanz ein. Dieser entscheidet, ob bei der Finanzierung der Budgetdefizite auf den internationalen Kapitalmärkten Schwierigkeiten zu erwarten sind oder nicht. Ein Land mit einem Überschuss in den laufenden Posten tut sich mit der Finanzierung von Haushaltsdefiziten erfahrungsgemäß leichter. Es ist nicht auf ausländische Gläubiger angewiesen, weil es keinen Kapitalimport braucht. Das erklärt, weshalb Japan bisher trotz eines öffentlichen Defizits von über 10 Prozent kaum Probleme mit der Refinanzierung hat. Auch China kann den Fehlbetrag in Staatshaushalt (knapp 3 Prozent) einfach finanzieren. Anders dagegen bei Ländern mit defizitärer Leistungsbilanz.

Addiert man die Budgetsalden zu den außenwirtschaftlichen Salden, jeweils in Prozent des Bruttoinlandsprodukts, so erhält man eine Vorstellung von der Verschuldungssituation eines Landes. Natürlich sind das nur erste Hinweise. Bei der Bewertung der einzelnen Länder spielen noch andere Faktoren eine Rolle. Aufgrund der Schätzungen des Internationalen Währungsfonds für die Verhältnisse im Jahr 2010 ergibt sich:

  • Unter den 32 Industrieländern gibt es nur sieben, die einen positiven Wert des Index aufweisen (darunter die Schweiz, Norwegen und Singapur). Hier existieren keine Verschuldungsprobleme, sondern Überschüsse. Diese Staaten sind damit die sicheren Häfen, in die das Geld fließt.
  • Am anderen Extrem stehen fünf Länder mit einem Index von -15 und darunter. Hier stehen die Ampeln auf dunkelrot. Dazu gehört neben Griechenland, Spanien und Portugal auch Großbritannien. In all diesen Regionen ist mit Zinserhöhungen zu rechnen (außer in Griechenland, wo das Kind schon in den Brunnen gefallen ist).
  • Bei sieben Ländern stehen die Ampeln auf gelb (Indexwerte zwischen -10 und -15). Dazu gehören unter anderem die Slowakei, aber auch Australien und Neuseeland und – ganz wichtig – die USA. In diesen Staaten sind ebenfalls risikobedingte Zinssteigerungen zu erwarten. Australien ist dabei wegen seiner Rohstoffe weniger gefährdet.
  • Auf der Kippe stehen Länder wie Frankreich, Italien, Belgien oder Tschechien, aber auch Japan (mit Indexwerten jeweils knapp besser als -10). Sie könnten noch mit einem blauen Auge davonkommen.


Die Anpassungen bei den Renditen konnten bisher herausgeschoben werden, weil es auf den Märkten viel Liquidität gab. Das wird sich aber mit dem Exit aus der ultralockeren Geldpolitik sukzessive ändern. Zunächst werden die Notenbanken weniger Papiere auf dem offenen Markt kaufen. Das wirkt sich vor allem in Großbritannien aus, wo die Bank von England einen großen Teil des Staatsdefizits finanziert hat. In einem zweiten Schritt wird sich die Versorgung der Banken mit Liquidität verringern. Damit fällt eine wichtige Käufergruppe von Staatspapieren aus.


Autor: Dr. Martin W. Hüfner, Chief Economist, Assenagon Asset Management S.A.



[Bildquelle: iStockPhoto]

Kommentare zu diesem Beitrag

Markus /18.03.2010 18:56
Amerika, wenn China alle Restdollarbestände auf den Markt bringt...

Nicht ohne Grund sollen die Chinesen aufwerten

Sonst die üblichen Kandidaten:

Großbritanien, Spanien, Italien und Japan
eddi /18.03.2010 18:57
Ein sehr schöner Text, der aufzeigt, dass die Mehrzahl der Industrieländer in den vergangene Jahrzehnten massiv über die eigenen Verhältnisse gelebt hat (oder in der Sprache der Risikomanager, die Risikotragfähigkeit massiv überschätzt hat) >> "Unter den 32 Industrieländern gibt es nur sieben, die einen positiven Wert des Index aufweisen" ... ziemlich beunruhigend ;-(
Judith /18.03.2010 22:24
Und die Chinesen werden die Dollar-Reserven als "politische Waffe" nutzen ... sie sind ja bereits fleissig dabei Dollar in Gold umzuschichten! Noch habe die Chinesen US-Bonds in Höhe von rund 755,4 Milliarden Dollar . Insgesamt haben die Chinesen Währungsreserven von 2,4 Billionen Dollar.

Was die Chinesen allerdings auch wissen, ist das ein Rückzug aus der FInanzierung des US-Defizits rasch zu einer Destabilisierung des globalen Finanzsystems führne würden, was dann auch die Chinesen recht schnell spüren würden ...
RiskNET Redaktion /21.03.2010 21:59
+++ Köhler für Insolvenzverfahren für überschuldete Staaten +++

Bundespräsident Horst Köhler hat sich dafür ausgesprochen, Insolvenzverfahren für überschuldete Staaten zu entwickeln. "Es kann Staaten geben, die mit ihren Schulden nicht mehr fertig werden. Deshalb ist es an der Zeit, das für viele Undenkbare zu denken: Wir brauchen geordnete Insolvenzverfahren nicht nur für Unternehmen, sondern auch für Staaten", sagte Köhler in einem Interview mit dem Nachrichtenmagazin "Focus".

Wenn ein Staat in die Zahlungsunfähigkeit gerate, sei "die größte Gefahr, dass Chaos ausbricht. Dass es zu sozialen und politischen Unruhen kommt", sagte Köhler. Deshalb brauchen wir ein geordnetes Verfahren. Damit jeder weiß, welche Stellen kümmern sich, welche Spielregeln gelten jetzt? Was muss das betroffene Land ändern? Und es geht auch um die Frage, auf wie viel Geld die Gläubiger unter Umständen verzichten müssen. Wenn es dafür Antworten gibt, dann ist ein Neustart möglich."

Der Bundespräsident betonte, dass er diesen Vorschlag losgelöst vom Fall Griechenland mache. Die Situation in Griechenland verlange "eine Lösung, in der Solidarität sichtbar ist".

Köhler lobte die Anregung von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU), einen Europäischen Währungsfonds einzurichten. "Wolfgang Schäuble verlangt vor allem schärfere Regeln zur Einhaltung von Finanzdisziplin und Strukturreformen in den Mitgliedsländern der Euro-Gruppe. Das unterstütze ich nachdrücklich", so der Bundespräsident.

In der Euro-Zone muss es nach Ansicht Köhlers eine stärkere Zusammenarbeit geben. "Wir brauchen eine effektive Koordinierung der nationalen Wirtschafts- und Finanzpolitiken. Wenn einem Land im Euro-Raum die Schulden aus dem Ruder laufen, dann holt das alle anderen ein", sagte er dem Magazin.

Die Euro-Zone sei eine "Schicksalsgemeinschaft". In diesem Bewusstsein müssten die Staaten ihre Politik abstimmen. "Das heißt nicht, dass alle das Gleiche machen müssen", sagte Köhler. "Das heißt auch nicht, dass wir etwa unsere Sozialsysteme alle auf den gleichen Nenner bringen. Aber es heißt, dass Unterschiede in der Produktivität, in der Zinsentwicklung, in den Lohnkosten nicht so groß werden dürfen, dass die Spannungen am Ende zum Knall führen."

Im Gespräch mit dem Focus forderte Köhler zudem eine "Lösung für das Megaproblem Schulden". "Wir müssen weg von schuldengetriebenem Konsum", sagte er dem Nachrichtenmagazin. "Davon wieder runter zu kommen, ist schwer wie ein Drogenentzug, aber unumgänglich für nachhaltiges Wachstum, das allen Menschen dient."

Er ging auf die von der schwarz-gelben Bundesregierung beschlossenen Steuererleichterungen unter anderem für Hoteliers ein: "Die Einzelmaßnahmen sind bereits kritisch genug beleuchtet worden." Ihn habe "schon der Begriff 'Wachstumsbeschleunigungsgesetz' nachdenklich gemacht, unter dem diese Dinge zusammengefasst wurden. Als sei es der Staat, der für immer mehr, immer schnelleres Wachstum sorgen könne."

Zur Steuerreform-Debatte sagte Köhler, er sehe derzeit keinen Spielraum für massive Steuersenkungen. In einem Gesamtkonzept sei die steuerliche Begünstigung von Forschung und Innovation in den Unternehmen sinnvoll, aber auch eine Entlastung der Mittelschicht. "Die wird ja immer wieder vergessen in der Diskussion", so Köhler. "Diejenigen, die sich an die Regeln halten und Steuern zahlen, die müssen sich doch manchmal richtig verladen vorkommen. Ein junges Ehepaar mit zwei Kindern, das kommt gerade mal so hin. Für die Mittelschicht muss etwas geschehen."

Köhler sprach sich zudem für eine internationale Abgabe auf Finanztransaktionen aus. Die Finanzindustrie müsse sichtbar an der Bewältigung der Kosten der Krise beteiligt werden, sagte er. "Wir brauchen auch Geld, um neue, dynamische Kräfte zu wecken. Deshalb kann ich nicht ausschließen - und ich sage das ganz bewusst -, dass auch Steuererhöhungen nötig sein können."

Deutschland müsse mehr Geld für Bildung ausgeben. "Fast ein Drittel unserer gesamtwirtschaftlichen Leistung wenden wir auf für staatliche Sozialleistungen, aber nur gut 6% für Bildung", kritisierte Köhler.
RiskNET Redaktion /22.03.2010 17:51
+++ Griechenlands Defizit 2009 bei 12,9% des BIP +++

Die griechische Notenbank hat für das Jahr 2009 ein etwas höheres Staatsdefizit als die Regierung ermittelt. In ihrem jährlichen Bericht zur Geldpolitik wies die Notenbank ein Defizit von 12,9% des Bruttoinlandsprodukts (BIP) aus. Die Regierung hatte den Fehlbetrag bislang auf 12,7% beziffert.

In dem am Montag veröffentlichten Bericht heißt es weiter, für das laufende Jahr sei wegen der Schuldenkrise mit einem BIP-Rückgang in der Größenordnung von 2% zu rechnen. Griechenland befinde sich in einem "Teufelskreis" aus öffentlichen Sparmaßnahmen und wirtschaftlichem Schrumpfen, was jede Prognose sehr erschwere.

Griechenland steht unter großem Druck der EU und der Finanzmärkte, seine Staatsfinanzen in Ordnung zu bringen. In den vergangenen Jahren hat das Land hohe Schulden angehäuft und die Neuverschuldungsrate lag fast durchgängig über dem in der Eurozone maximal zulässigen Wert von 3%. Für dieses Jahr hat Griechenland der EU zugesagt, das Haushaltsdefizit um vier Prozentpunkte auf 8,7% zu senken. Durch manipulierte Statistiken hat das Land indes viel Vertrauen zerstört.
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