Risk Management für Marken

Wenn Zweck zum Zwang wird, verlieren Marken ihren Sinn


Wenn Zweck zum Zwang wird, verlieren Marken ihren Sinn Kolumne

Unilever verabschiedet sich vom "Sinn-Mantra" wonach jede Marke neben seiner Produktleistung auch einen Beitrag zu Nachhaltigkeit als Vehikel zur "Weltrettung" leisten muss. Das verkündete der neue CEO Hein Schumacher. Man wolle nun wieder auf die individuelle Leistungskultur der Marken zurückkehren und die "Gewaltsinngebung" der Unilever Marken beenden. Risiko oder Chance?

Das Marketing hatte wieder einmal etwas Neues entdeckt: Das "Purpose-Statement". Marken müssten mehr als nur eine profane Produktleistung anbieten, sondern einen Zweck, vor allem eine Haltung, am besten zum Megatrend der Nachhaltigkeit, vorhalten. Auf diesen Zug ist auch Unilever aufgesprungen und hatte 2009 als erstes international agierendes Unternehmen das Ziel vorgegeben, dass jedes Markenprodukt auch einen übergeordneten Zweck als Sinn erfüllen muss. So positionierten sich Hellmann’s Mayonnaise und Knorr zusätzlich als Müllvermeider und DOVE setzte auf "Keine Tierversuche".

Unilever Deutschland GmbH | https://www.hellmanns.com/de/nachhaltigkeitsreise.html[Quelle: Unilever Deutschland GmbH]

Bis heute hatte jede der 400 Unilever-Marken eine Nachhaltigkeits-Positionierung eingenommen und Unilever spielte auf der "Bühne der Weltrettung" die erste Geige. Nun rudert der Konzern zurück, denn hinter dieser Strategie verbergen sich enorme Risiken in der Markenführung.

Purpose-Statement überlagert Produktleistung und erhöht Risiken in der Markenführung

Schauen wir uns diese Risiken etwas genauer an. Hierfür ist schon einmal folgende Erkenntnis zielführend: Markenführung ist in ihrem Kern trivial, geht es doch um ein zentrales wirtschaftliches Thema: Mit einer starken Marke mehr Geld erwirtschaften als was der Herstellungs- und Vermarktungsprozess kostet. Kunden mit "Problemlösern" etwas Gutes tun und das Nutzenversprechen immer wieder einlösen.

Über den Weg wie dieses Ziel zu erreichen ist, gibt es, wie sollte es anders sein, verschiedene Meinungen. Eine heute weit verbreitete Meinung ist, die Bedürfnisse von Menschen zu erforschen. Also Marktforschung zu betreiben, um die richtigen Produkte zu entwickeln. Diese Marktforschung kommt heute zu der Erkenntnis, dass den befragten Konsumenten Nachhaltigkeit und gesellschaftliches Engagement der Marken besonders wichtig ist. Also ihr Kaufverhalten beeinflussen. Deshalb müssen Marken diese Bedürfnisse erfüllen. So schön, so gut. Aber was hat das für Auswirkungen auf die Markenführung? Unternehmen, die sehr stark auf Marktforschung setzen, rutschen in folgendes Risikofeld ab: Sie richten die Positionierung ihrer Marken an diesen "erforschten Bedürfnissen" aus. Laden die Marke mit diesem Sinn auf. Werden aber dadurch austauschbar, da auch der Wettbewerb die gleiche Positionierung besetzt. Damit entsteht das Risiko, dass die Marken zum Commodity degenerieren und sich das Unternehmen in einem verstärkten Preiskampf wiederfindet. Dazu kommt das Problem, dass die eingenommene Positionierung oftmals nicht durch das Unternehmen eingelöst werden kann und nur in der Werbung existiert, was zum Vertrauensverlust und der Abschmelzung von Kunden führt. Und zu guter Letzt überlagert diese „Sinn-Positionierung“ die Lösungskompetenz der Markenprodukte, was den "Me-too-Effekt" noch verstärkt.

Marktforschung führt in die Irre

In diesem Zusammenhang rückt noch ein weiteres, grundlegendes Problem in den Fokus: Die in der Marktforschung evaluierten angeblichen Bedürfnisse nach einem "nachhaltigen Konsum" haben aber mit dem realen Kaufverhalten der Öffentlichkeit leider gar nichts zu tun, wie das britische Magazin "Marketingweek" feststellte. Denn warum kaufen zum Beispiel Konsumenten, die angeblich für soziale Nachhaltigkeit eintreten, immer noch bei Amazon, obwohl der Konzern durch sein unsoziales Verhalten gegenüber seinen Mitarbeitern in die Schlagzeilen geriet? Darauf hatte eigentlich schon David Ogily, die amerikanische Werbelegende eine treffende Antwort: "Menschen denken nicht, was sie fühlen, sagen nicht, was sie denken und machen nicht das, was sie sagen." Und Steve Jobs antwortete auf die Frage, ob er Marktforschung durchführen wolle: "Die Kunden wissen gar nicht, was sie wollen, bis wir es ihnen zeigen". Kommt dazu noch die Tatsache, dass ein Großteil der Marken auch auf der Leistungsebene nicht nutzenbasiert positioniert sind, kommt es schnell zu der Tatsache, dass die, die nicht wissen, wofür ihre Marke steht, diejenigen befragen, die nicht wissen, worum es geht. Gesellt sich dann noch der Zeitgeist dazu, der Nachhaltigkeit in den Fokus stellt, gestalten sich die Ergebnisse der Marktforschung noch gleichförmiger und führen in die Irre. Denn die Marke ist nicht das Spiegelbild des Marktes, sondern ihr eigenes Abbild.

„Menschen denken nicht, was sie fühlen, sagen nicht, was sie denken und machen nicht das, was sie sagen.“

David Mackenzie Ogilvy (1911-1999) | Britischer Werbetexter

Starke Marken folgen ihrem eigenen Ideal

Starke Marken als Aussagesysteme fragen jedoch nicht, sondern führen, indem sie ihrem eigenen Ideal folgen und ihre Kunden mit Produkten, die eine hohe Lösungskompetenz besitzen, begeistern. Das hat auch der neue Unilever-CEO, Hein Schumacher, erkannt und ist nun von der bisherigen Strategie der "gewaltsamen Sinn-Übertragung" auf jede der Konzernmarken abgerückt. Denn Sinnhaftigkeit als wirtschaftliche Kategorie mache nur dann Sinn, verdeutlichte Schumacher, wenn der zugeordnete Sinn zu dem Leistungsmuster der Marke authentisch passt. Dagegen sei es fragwürdig, Marken mit Botschaften auszustatten, die sie nur in der Werbung einlösen würden. Damit hat Unilever zurecht eine neue Richtung eingeschlagen, welche Marken wieder zu dem macht, was sie sind: Gute Freunde, die mit ehrlichen leistungsstarken Produkten ihre Kunden begeistern und darüber in ihrer Werbung berichten!

 

[ Bildquelle Titelbild: Adobe Stock.com | mbolina ]
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