Direttisima zum Erfolg

Was kann die Industrie vom Risikomanagement beim Bergsteigen lernen?


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Was motiviert einen der erfolgreichsten Bergsteiger der Welt und einen Automobilmanager dazu, ein Buch über Höhenbergsteigen zu schreiben? Die Antwort ist einfach: Extrembergsteigen hat sehr viel mit Management zu tun. Nirgendwo ist die Bedrohung so nah wie beim Besteigen der höchsten Gipfel der Erde. In der direkten Konfrontation mit der Natur geht es um echte Leistungen, um Verantwortung und Charakter. Hier zählen kein Bluff, keine Schaumschlägerei und keine Ablenkungsmanöver. Über solche Grenzerfahrungen können auch Manager in der Industrie (und auch aus Banken und Versicherungsunternehmen) eine Menge lernen. So bilden sowohl beim Höhenbergsteigen als auch bei der strategischen Unternehmenssteuerung ein fundiertes Risikomanagement eine wesentliche Grundlagen für den Erfolg.

So ist die Automobilindustrie seit vielen Jahren durch dynamische Veränderungen und schwierige Umbruchzeiten geprägt. Künftige Marktmechanismen frühzeitig zu erkennen, veränderte Marktstrukturen zu verstehen und daraus erfolgreiche Strategien abzuleiten, sind komplexe Aufgaben und entscheiden über das Überleben eines Unternehmens. Kreativität, so Hans Kammerlander, ist der Ausgangspunkt einer Vision, aber nicht das Wichtigste. Von einer Vision spricht der Südtiroler Extrembergsteiger erst, als seine Idee zu klaren Mission und schließlich zum konkreten Ziel geworden ist. Dieses Ziel verfolgte er über Jahre hinweg mit einem enormen Durchhaltevermögen, eiserner Disziplin und äußerster Konsequenz. Hürden und Stolpersteine überwindet Kammerlander, indem er sich auf die Umsetzung seiner Vision stets voll konzentriert, fokussiert und sie schließlich mit der erforderlichen Improvisationsbereitschaft, Mut, Kraft und Entschlossenheit umsetzt.  Dies war das Fundament für seine Besteigungen von 12 der 14 Achttausender im Himalaya. Sieben bestieg er gemeinsam mit Reinhold Messner. Alle Besteigungen führte er ohne Hilfe von künstlichem Sauerstoff und „by fair means“ (d. h. im Alpinstil) durch. Als erstem Mensch gelang ihm 1990 die Skiabfahrt vom Gipfel des Nanga Parbat, 1996 folgte dann die vom Gipfel des Mount Everest.

Hohes Maß an Risikobereitschaft und -management.

Die Realisierung der Vision, von den höchsten Bergen der Welt mit Skiern abzufahren, erfordert nicht nur Mut, Kraft und Entschlossenheit, sondern auch ein hohes Maß an Risikobereitschaft und -management.

Heute ist es nicht mehr so einfach wie noch in den 40er und 50er Jahren des letzten Jahrhunderts, neue Ideen im Extrembergsteigen zu entwickeln. Aller vierzehn Achttausender sind in der Zwischenzeit bestiegen, viele spektakuläre Routen, Alleingänge und Erstbegehungen wurden bereits realisiert. In einer vergleichbaren Situation befinden sich auch die meisten Unternehmenslenker in der Automobilindustrie, da es sich auch hier um einen gesättigten Markt handelt und sich Wachstumsstrategien – zumindest in der Triade Europa, Nordamerika, Japan – nur schwer umsetzen lassen. Globalisierung und neue Märkte in fernen Regionen, Modelloffensiven, Variantenvielfalt und Wettlauf um Innovationen, gestiegene Kundenbedürfnisse und eine stetig zunehmende technische wie organisatorische Komplexität sind nur einige jener Turbulenzfaktoren, die unmittelbar aus der Marktsättigung resultieren und denen sich heute alle Unternehmen der Automobilindustrie stellen müssen. So haben beispielsweise eine verfehlte Modellpolitik, Qualitätsprobleme und die weltweite Finanzkrise den US-Automobilhersteller General Motors Corporation (GM) kurz nach seinem 100. Geburtstag im September an den Rand der Insolvenz gebracht.

Nicht alle Risiken sind kalkulierbar

Offensichtlich ist die Bedeutung eines adäquaten Risikomanagements für den Extrembergsteiger Kammerlander auf der einen Seite und die (Automobil-)Industrie auf der anderen Seite. Für Kammerlander sind nicht alle Risiken kalkulierbar. Nichtsdestotrotz reduziert eine sorgfältige Risikoanalyse die subjektiven und objektiven Gefahren einer Expedition. Für Kammerlander bildet substanzielles Erfahrungswissen das Fundament für die Risikoanalyse. Gleichzeitig erhöht fundiertes Erfahrungswissen das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten und reduziert in der Konsequenz Zweifel und Ängste, die lebensgefährdend sind. In dem Zusammenhang analysiert Kammerlander im Vorfeld seiner Expeditionen die folgenden Fragen:

  • Welche Risiken können bei einer Expedition auftreten?
  • Worin liegen die Ursachen möglicher Risiken?
  • Welche Auswirkungen können die Risiken haben?
  • Gibt es Verkettungen unterschiedlicher Risiken?
  • Was muss ich tun, wenn eine bestimmte Gefahr tatsächlich eintreten sollte?


Analog zu Expeditionen versuchen auch Unternehmen ihr Risiko-Chancen-Kalkül zu optimieren. Zu den Kerntätigkeiten eines Managers gehört es eben auch, das Risiken identifiziert und bewertet werden. Die Ergebnisse aus dem Risikomanagement wiederum fließen in die strategische Unternehmenssteuerung. Eine risikoorientierte Unternehmensführung muss im Kern darauf ausgerichtet sein, den Fortbestand des Unternehmens zu sichern und nicht ausschließlich die aktuelle Ertragskraft und kurzfristige Unternehmenskennzahlen in den Fokus zu rücken. Daher, so die Autoren, muss Risikomanagement und die Risikopolitik eines Unternehmens integraler Bestandteil der strategischen Unternehmensführung sein. Der Unternehmenswert resultiert nämlich nicht nur aus dem reinen Entwicklungs-, Produktions- oder Vertriebsvermögen, sondern aus einer Vielzahl an schwer bewertbaren Kriterien wie Image, Markenwert oder Mitarbeiter-Know-how, die im Rahmen eines professionellen Risikomanagement aber berücksichtigt werden müssen. Und so gilt es, im Rahmen eines ergebnisorientierten Risikomanagements Ziele zu verfolgen, die einerseits eine relativ risikolose Ertragserwartung zulassen, und andererseits Ziele zu verfolgen, die durch ein etwas höheres Risiko auch mehr Ertrag versprechen. Notwendige Voraussetzung für die Realisierung von Zielen ist aber stets die Kenntnis der Risiken bei einer Entscheidung.

Eitelkeiten, Selbstüberschätzung, Maßlosigkeit und substanzlose Oberflächlichkeit führen zu Fehlentscheidungen

Kammerlander und Kurek kommen daher zu folgendem Fazit: Bedeutende Risiken mit schwerwiegenden Konsequenzen dürfen nicht eingegangen werden. Da es immer wieder zu unvorhergesehenen Gefahren kommen kann – wie die tragischen Ereignisse am Manaslu und Jasemba zeigen – sollte man keinesfalls die Gefahren durch bekannte Risiken mit schwerwiegenden Konsequenzen noch durch zusätzliche Risiken erhöhen.

Das Buch von Kammerlander und Kurek kann uneingeschränkt empfohlen werden. Die Autoren bringen Fehlentwicklungen auf den Punkt. Die Autoren fordern mehr Wahrhaftigkeit in Industrie und Gesellschaft. Eitelkeiten, Selbstüberschätzung, Maßlosigkeit und substanzlose Oberflächlichkeit und Arroganz, wie sie in Führungskreisen oftmals anzutreffen sind, haben in der knallharten und eiskalten Auseinandersetzung mit dem Berg keinen Platz und führen zwangsläufig zu Fehlentscheidungen und zum Scheitern. Andere Führungskräfte nutzen ihre Position und den damit verbundenen Einfluss, um ihre eigenen und ganz persönlichen Ziele zu verfolgen. Werden die Zeiten riskanter und werden Substanz und wahre Qualitäten gefordert, verlassen sie das Unternehmen, um kurze Zeit später woanders wieder aufzutauchen. Diese Art Führungskräfte haben nicht zuletzt entscheidend dazu beigetragen, das Ansehen von Managern in den unterschiedlichsten Branchen in ein schlechtes Licht zu rücken. Leidtragende sind nicht zuletzt all jene Unternehmer, Manager und Führungskräfte, die ihr Handwerk verstehen und verantwortungsbewusst, professionell und umsichtig agieren, und die sich durch Integrität, Verlässlichkeit und Wertschätzung im Umgang mit ihren Kunden, Lieferanten und Mitarbeitern auszeichnen.

Ebenso wenig wie ein Bergsteiger nur für sich klettert, führt ein Manager ein Unternehmen nur für sich. Die Kernaufgabe besteht darin, andere erfolgreich zu machen. So wie ein Bergführer den Zweiten im Seil in schwierigen Situationen stärkt, so unterstützt ein Manager seine Mitarbeiter dabei, bestmögliche Leistung zu erbringen. Erst so lassen sich gemeinsam hochgesteckte Ziele erreichen. Neben einer risiko- und wertorientierten Unternehmenssteuerung zählen insbesondere Kooperations- und Kommunikationskompetenz zu den entscheidenden Schlüsselqualifikationen von Führungskräften.


Hans Kammerlander, Rainer Kurek
Direttissima zum Erfolg: Was (Automobil-)Manager vom Höhenbergsteigen lernen können
190 Seiten, Frankfurter Allgemeine Buch, Frankfurt/Main 2008.
ISBN 978-3-89981-158-2


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Kommentare zu diesem Beitrag

Alpentiger /03.12.2008 15:07
Wichtig ist wohl vor allem ein GAU-Denken. Man sollte Stressszenarien vorausdenken und sich darauf vorbereiten. Was ist das Schlimmste, was auf der geplanten (Berg-)Tour passieren könnte? Wie, wo und weshalb könnte es zu diesem Unfall kommen (Was sind die Einflussfaktoren)? Sowohl am Berg als auch in Unternehmen sind es häufig eine ganze Kette von Umständen, die schliesslich zu einem Unfall führen.
Beat /03.12.2008 17:43
Eine bessere Überschrift wäre: Was können Bankmanager und Aufsichtsräte vom Risikomanagement beim Bergsteigen lernen?

Den folgenden Satz sollten sich einige Bankmanager hinter die Ohren schreiben: "Eitelkeiten, Selbstüberschätzung, Maßlosigkeit und substanzlose Oberflächlichkeit und Arroganz, wie sie in Führungskreisen oftmals anzutreffen sind, haben in der knallharten und eiskalten Auseinandersetzung mit dem Berg keinen Platz und führen zwangsläufig zu Fehlentscheidungen und zum Scheitern." Die aktuelle Finanzkrise ist der beste Beweis ;-(
Cooki /04.12.2008 20:53
Das ist das Problem: Kooperations- und Kommunikationskompetenz zählen eben häufig gerade nicht zu den Schlüsselkompetenzen. Dominant sind vielmehr Kompetenzen wie Selbstvermarktung und Arroganz ;-(
Achim /04.12.2008 23:39
Reinhold Messners Management von Risiken basiert auf dem folgenden Fundament:
1. Sicherheit durch Disziplin im Risiko.
2. Steigerung der inneren Sicherheit durch Verzicht auf äußere Sicherungshilfen.
3. Erfolg mit immer kleineren Teams
4. Kompetenz in der Führung
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