Insolvenzrekord für 2010 erwartet

Strategische Managementfehler als Insolvenzursache


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Laut einer einer aktuellen Umfrage der Euler Hermes Kreditversicherungs-AG und dem Zentrum für Insolvenz und Sanierung an der Universität Mannheim (ZIS) rechnen die Insolvenzverwalter aufgrund der derzeitigen Wirtschaftskrise spätestens 2010 mit einem neuen Insolvenzrekord in Deutschland.
Die Insolvenzverwalter schätzen, dass 34 Prozent der Insolvenzanträge durch die weltweite Rezession ausgelöst wurden. Als Hauptgrund für die zu erwartende massive Zunahme der Unternehmenspleiten nennen 94 Prozent der Befragten die Auftragseinbrüche. Als zweitwichtigster Faktor (73 Prozent der Nennungen) werden die Stornierung oder Verschiebung von Aufträgen angeführt, an dritter Stelle stehen mit 68 Prozent Folgeinsolvenzen. Es folgen die Krisenanfälligkeit von Private-Equity-finanzierten Unternehmen (64 Prozent) und die restriktive Kreditvergabe der Banken mit 62 Prozent.

Rekordmarkte von 2003 wird überschritten

Fast zwei Drittel der Befragten glauben, dass die bisherige Höchstmarke von rund 39.000 Firmenpleiten aus dem Jahr 2003 bald überschritten werde. Den Höhepunkt der kommenden Insolvenzwelle erwartet die Hälfte der Verwalter noch in diesem Jahr, die andere Hälfte erst 2010. "Die Studie zeigt, mit welcher Wucht sich die Finanzkrise auf die Unternehmen auswirkt und wie besonders kleine Mittelständler zu kämpfen haben. Inzwischen hat die Krise die Wirtschaft fest im Griff", kommentiert Gerd-Uwe Baden, Vorstandvorsitzender der Euler Hermes Kreditversicherungs-AG die Ergebnisse der Studie.

Auch in der aktuellen Studie zeigt sich, dass Managementfehler wie ein unzureichendes Debitorenmanagement bei den Insolvenzursachen weiterhin eine wichtige Rolle spielen. Allerdings kommt es in der aktuellen Krise zu einer anderen Gewichtung: Wurden bisher eher rein betriebswirtschaftliche Faktoren wie fehlendes Controlling bemängelt, werden aus Sicht der Insolvenzverwalter derzeit eher strategische Aspekte vernachlässigt. So fehlt es den Unternehmen nach Einschätzung der Experten an Rücklagen für unerwartete Ereignisse und einer Person, die sich ausschließlich mit strategischen Aufgaben befasst. Auch das zu starre Festhalten an alten Konzepten wird bemängelt.

Kreditzurückhaltung der Banken verstärkt sich

Ebenfalls kritisiert wird die restriktive Kreditvergabe einiger Banken. So sagen 39 Prozent der Befragten, dieser Faktor sei "die zentrale Ursache" für die Insolvenz von kleinen Mittelständlern gewesen. Grundsätzlich zeigt sich, dass Unternehmen gegenwärtig erhebliche Probleme mit der Finanzierung durch Banken haben. 79 Prozent der Insolvenzverwalter sagen, es falle ihnen derzeit besonders auf, dass Banken trotz langjähriger, ungestörter Geschäftsbeziehung beantragte Kredite verweigern. "Die Kreditverweigerung trotz guter unternehmerischer Projekte verschärft die ohnehin angespannte wirtschaftliche Lage in Deutschland", mahnt auch Professor Georg Bitter vom Zentrum für Insolvenz und Sanierung an der Universität Mannheim (ZIS). Das sei besonders nachteilig, weil derzeit auch andere Möglichkeiten der Finanzierung eingeschränkt sind. So berichten 87 Prozent der befragten Verwalter, dass es gegenwärtig schwieriger sei als vor drei Jahren, einen Finanzinvestor für insolvente Unternehmen zu finden.

Verwalter fordern Reformen

Trotz der gegenwärtig erschwerten Bedingungen sagen immerhin noch zwölf Prozent der befragten Insolvenzverwalter, ihre Bereitschaft zur Fortführung oder Sanierung eines insolventen Unternehmens sei gestiegen. 84 Prozent erklären, sie sei gleich geblieben. Um dieses Ziel erreichen zu können, fordern die Experten fordern unter anderem, das Insolvenzgeld für längere Zeiträume zu zahlen und den Paragraphen 613a BGB für drei Jahre auszusetzen. Dort ist geregelt, dass ein Unternehmenskäufer alle Arbeitsverhältnisse übernimmt. Eine weitere Forderung von mehr als der Hälfte der Verwalter (56 Prozent) ist die Einrichtung eines speziellen Rettungsfonds für die Wirtschaftskrise. Über ihn könnten die Insolvenzverwalter – wie das Beispiel Sachsen zeigt, wo ein solcher Fonds bereits existiert – Darlehen für die Fortführung und Sanierung beantragen.

[Bildquelle: iStockPhoto]


Kommentare zu diesem Beitrag

Marcus /01.07.2009 16:09
Wo liegt der Unterschied zwischen "strategische Aspekte vernachlässigt" und Managementfehler? Ist es nicht bereits ein strategischer Fehler auf die Einführung eines effizienten Risikomanagements und Frühwarnsystems zu verzichten? Ein szenariobasiertes Risikomanagement hätte viele Unternehmen rechtzeitig vor den Wirkungen der Finanzkrise auf Ihr Geschäftsmodell gewarnt ...
Peter Pan /02.07.2009 10:43
@Marcus: Mindestens 60 % der wertvernichtenden Ursachen in Unternehmen können auf strategische Risiken zurückgeführt werden. Leider werden die im Risikomanagement in der Regel weitgehend ausgeblendet ;-(
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