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Schuldenerlass als Ei des Kolumbus?


Schuldenerlass als Ei des Kolumbus? News

Kommt nach dem PSI jetzt der OSI? In der Eurokrise gibt es inzwischen so viele Abkürzungen, dass sich auch besser Informierte kaum mehr auskennen. Was gemeint ist: Kommt nach dem Schuldenerlass Griechenlands durch private Gläubiger (dem PSI = Private Sector Involvement) nun vielleicht ein Schuldenerlass durch öffentliche Gläubiger (OSI = Official Sector Involvement)?

Der Internationale Währungsfonds hat vor Kurzem einen entsprechenden Vorschlag gemacht. Deutschland hat sich dagegen ausgesprochen und hat bisher mit Erfolg verhindert, dass das Thema offiziell auf die Tagesordnung kommt. Aber früher oder später wird sich die Diskussion nicht vermeiden lassen.

Ist ein OSI eine sinnvolle Lösung? Grundsätzlich ist ein Schuldenschnitt in einer rechtsstaatlichen Ordnung ein Fremdkörper. Der Gläubiger muss darauf vertrauen, dass der Schuldner seine Verbindlichkeiten bedient. Eine Insolvenz muss die absolute Ausnahme sein.

Die Eurokrise ist freilich eine solche Ausnahme. Griechenland ist nicht mehr in der Lage, Zinsen und Tilgungen auf seine Verbindlichkeiten zu bezahlen. Auf den ersten Blick ist ein Schuldenerlass in einer solchen Situation das Ei des Kolumbus. Der Schuldner kann wieder von Null anfangen (oder von fast Null, wenn nicht alle Verbindlichkeiten gestrichen werden). Das erleichtert vieles. Die Gläubiger verlieren zwar viel Geld. Es ist aber eine einmalige Aktion. Sie müssen für die Zukunft also nicht ein Fass ohne Boden befürchten. Die Steuerzahler wissen wie teuer die Sache wird. Sie können abwägen, ob ihnen der Euro das wert ist oder ob sie lieber ein Ende mit Schrecken wollen. Schließlich: Ein Verzicht bei den öffentlichen Schulden ist das logische Pendant zum Erlass der privaten Schulden. Es ist nicht einzusehen, dass ausgerechnet bei der Rettung des Euros die öffentlichen Gläubiger Griechenlands außen vor bleiben sollen.

Es sind diese Gründe, die dazu geführt haben, dass das Instrument Schuldenschnitt gar nicht so selten angewandt wird. Im privaten Geschäftsverkehr gibt es die Insolvenz für Unternehmen und für Privathaushalte. Auf Länderebene wurden häufiger Schulden der Entwicklungsländer im Rahmen der Entwicklungshilfe gestrichen. Im Londoner Schuldenabkommen wurde Deutschland 1953 ein Teil seiner Vorkriegsschulden erlassen.

Ganz so unproblematisch ist ein Schuldenschnitt freilich nicht. Erstens ist er für die Gläubiger teuer. Es kostet im Falle Griechenlands vermutlich sehr viel mehr als die jeweiligen Tranchen, die die Finanzminister regelmäßig an Athen überweisen. Und das Geld ist endgültig weg. Es ist nicht leicht, dafür Verständnis in der Öffentlichkeit zu finden.

Zweitens verlieren die Gläubiger damit jedes Druckmittel auf die Schuldner, in Zukunft auch wirklich eine bessere Politik zu machen. Das ist gerade bei Griechenland, das derzeit bei seinen Partnern so wenig Vertrauen genießt, ein wichtiges Argument. Der Internationale Währungsfonds hält derzeit seinen Teil an den Hilfszahlungen zurück, bis das Schuldenrückkaufprogramm beendet ist und die entsprechenden Ergebnisse gebracht hat.

Drittens schneidet sich das Land bei einem Schuldenschnitt für längere Zeit von künftigen Kreditaufnahmen ab. Es muss also ohne fremde Hilfe auskommen. Dazu ist Athen derzeit noch nicht in der Lage. Nach dem Bankrott Griechenlands im Jahre 1832 dauerte es dreißig Jahre, bis das Land wieder Geld am Kapitalmarkt aufnehmen konnte. Heute ist das Gedächtnis der Gläubiger sicher nicht mehr so langlebig. Aber zehn Jahre wird das Land sicher ohne Mittelaufnahmen von außen auskommen müssen. Der deutsche Finanzminister hält es auch haushaltsrechtlich für fragwürdig, einem Land Geld zu geben, das vorher Bankrott angemeldet hat. Genau das scheint freilich der IWF im Kopf zu haben.

Viertens ist es wichtig, dass sich alle großen Gläubiger an dem Schuldenerlass beteiligen (sonst bleibt zu viel an Restschulden). Der IWF hat aber schon angekündigt, dass er sich in keinem Fall an einer solchen Aktion beteiligen würde. Die EZB, ebenfalls ein großer Gläubiger Griechenlands, fürchtet, ein Verzicht auf ihre Forderungen gegen Griechenland könnte als verdeckte Staatsfinanzierung verstanden werden, die der EZB explizit verboten ist.

Fünftens sollte man einen Schuldenschnitt – wenn man sich dazu entschließt – möglichst früh machen. Dann sind noch nicht so viele Zahlungen aufgelaufen und der Erlass wird nicht so teuer. Auf der anderen Seite haben die Gläubiger im Fall Griechenlands heute noch nicht so viel Vertrauen, dass Athen nach dem Schnitt dann auch wirklich die Konsolidierung und die Reformen weiterführt. Sie fürchten, dass das Land dann doch in absehbarer Zeit wieder auf der Matte stehen wird und neues Geld braucht.

Sechstens schließlich sind die Erfahrungen mit Schuldenschnitten in der Vergangenheit nicht so, dass man unbedingt dafür plädieren müsste. Nach dem Schuldenerlass durch die Privaten (dem PSI) stiegen die griechischen Schulden munter weiter. Viele Entwicklungsländer, denen in der Vergangenheit die Schulden erlassen wurden, haben danach wieder neue aufgebaut. Umgekehrt hat der Schuldenerlass für Deutschland dem Aufschwung in den 50er Jahren geholfen.

Es ist schwer, aus diesen Argumenten ein Fazit zu ziehen. Die perfekte Lösung ist ein Schuldenschnitt sicher nicht. Er ist mit vielen Risiken verbunden. Andererseits ist er aber wohl auch nicht immer zu vermeiden. Griechenland wird die Bürde so hoher Staatsschulden nicht auf Dauer tragen können. Nach der Krise muss es einen Neuanfang geben.

 

Autor: Dr. Martin W. Hüfner, Chief Economist, Assenagon Asset Management S.A.

[Bildquelle: © Ezio Gutzemberg - Fotolia.com]

Kommentare zu diesem Beitrag

RiskNET Redaktion /06.12.2012 07:49
+++ Moody's warnt vor Ausweitung der Staatsschuldenkrise nach Norden +++

Die Ratingagentur Moody's warnt vor einer Ausbreitung der Staatsschuldenkrise. Noch stünden Unternehmen, die vor allem in Nordeuropa tätig seien, besser da als jene in Südeuropa. Es wachse aber die Gefahr, dass sich die wirtschaftlichen Schwierigkeiten im Süden auch auf die Länder im Norden ausweiteten, schreibt Moody's Investors Service in einer Studie zum Ausblick 2013.

Im laufenden Jahr hat die Ratingagentur die Bonität von mehr Unternehmen herab- als heraufgestuft und dies dürfte sich im kommenden Jahr fortsetzen, hieß es. Auch 2013 seien die Schuldenkrise und das schwache Wirtschaftswachstum die beherrschenden Themen für Unternehmen außerhalb des Finanzsektors.

"Nach Einschätzung der Ratingagentur wird sich das geringe Wachstum in Verbindung mit den anhaltenden Sparmaßnahmen der Regierungen dämpfend auf die Konsumausgaben auswirken", schrieben die Analysten. "Branchen wie Telekommunikationsdienstleistungen, der Einzelhandel und die Automobilhersteller werden hiervon am stärksten betroffen sein".

Bereits im Februar hatte Moody's negative Ausblicke für den europäischen Einzelhandelssektor und die europäischen Automobilteilezulieferer gegeben, im November dann auch für die Chemieindustrie in Nordamerika und im Raum Europa, Naher Osten und Afrika. Sollte sich die Entwicklung unverändert fortsetzen, sei im Laufe des Jahres 2013 mit weiteren Ausblickabsenkungen zu rechnen.

"Angesichts des mangelnden Vertrauens in eine konjunkturelle Erholung haben die Emittenten in zyklischen Branchen wie der Stahl-, Chemie- und Baustoffindustrie nur noch begrenzten Spielraum, um weitere Bonitätsschwächen in den aktuellen Ratingkategorien wegzustecken", hieß es.

Die schwache Nachfrage in verschiedenen Bereichen der Chemieindustrie werde sich sogar auf größere Konzerne wie Akzo Nobel NV auswirken. Der niederländische Konzern verfüge nach wie vor über Sparten, die wenig rentabel seien. In der Baustoffbranche seien geografisch weniger breit aufgestellte Unternehmen wie Italcementi SpA anfällig.

Aber auch außerhalb Europas kühlt die Wirtschaft ab. Das langsamere Wachstum in den Schwellenländern, allen voran China, dürfte die Umsätze derjenigen europäischen Unternehmen belasten, die bislang mit dem Wachstum in Schwellenländern Rückgänge in ihren westeuropäischen Märkten kompensierten.

Zwar sei die Liquiditätsausstattung alles in allem noch recht solide, dürfte aber allmählich auch unter Druck geraten. Und das nicht nur wegen der Staatsschuldenkrise, sondern auch wegen der immer noch restriktiven Kreditvergabe durch die Banken. Die Finanzbranche konzentriert sich derzeit lieber auf den Schuldenabbau und die Stärkung ihrer Eigenkapitalbasis.
Markus /06.12.2012 10:45
"...Es ist nicht einzusehen, dass ausgerechnet bei der Rettung des Euros die öffentlichen Gläubiger Griechenlands außen vor bleiben sollen...."

Interessant das dieses Argument angeführt wird - denn:

Warum wurde ein umfassender Schuldenschnitt nicht diskutiert, als der Großteil der Schulden (also Investments) bei den Banken und Versicherungen lag. Die haben einen Großteil ihrer Positionen auf die EZB abgewälzt, also letzlich auf uns alle - und wir haben denen dafür noch das Geld gedruckt !?!

"..Zweitens verlieren die Gläubiger damit jedes Druckmittel auf die Schuldner.."

Gab es denn jemals eins?!?!

"..Drittens schneidet sich das Land bei einem Schuldenschnitt für längere Zeit von künftigen Kreditaufnahmen ab..."

Dann muss die Balance aus Ausgaben und Einnahmen eben stimmen. Wenn ich von aussen kein Geld bekomme - muss man schauen mit dem Geld was man hat und einnimmt klarzukommen. Mit allen Konsequenzen für den Sozialstaat...

"...Viertens ist es wichtig, dass sich alle großen Gläubiger an dem Schuldenerlass beteiligen (sonst bleibt zu viel an Restschulden)...."
"...Fünftens sollte man einen Schuldenschnitt – wenn man sich dazu entschließt – möglichst früh machen...."

Dieser Kommentar schießt den Vogel ab - Warum dann nicht vor 3 Jahren ?!?!?

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FAZIT:

Wenn Griechenland einen Schuldenschnitt bekommt - dann bitte auch wieder die Drachme und die Kappung aller Transferleistungen und Strukturfonds aus EU-Geldern.

Das ist eine klare und faire Aktion.

Gleiches gilt dann auch für Portugal, Spanien, Slowenien usw.

also könne wir das Projekt - Europa des Geldes beenden.

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PS: An alle Deppen - Auf zum Jahreshoch !?!
RiskNET Redaktion /07.12.2012 06:59
+++ EZB/Asmussen: Krisenländer müssen noch mehr tun +++

EZB-Direktoriumsmitglied Jörg Asmussen hat die Sorgenkinder der Eurozone aufgefordert, bei Reformen und Sparpolitik nicht nachzulassen. "Wir sind mitten im Anpassungsjahrzehnt. Es gibt noch viel zu tun", sagte Asmussen bei eine Rede in Frankfurt. Der Währungshüter lobte aber auch ganz ausdrücklich den Einsatz in Griechenland, Portugal und Irland. "Diese Länder haben große Anstrengungen unternommen. Sie modernisieren ihre Verwaltung, sie konsolidieren ihre Haushalte."

Asmussen machte deutlich, dass diese Reformen auch für jede Bundesregierung eine immenser Kraftakt seien. Bis die Reformen greifen, wird es nach den Worten des Notenbankers aber noch eine Weile dauern. Langfristig werde sich das aber in einem höheren Wachstumspotenzial niederschlagen.

Asmussen verteidigte das neue Anleihekaufprogramm OMT der EZB, weil die Kreditversorgung der Unternehmen erheblich gestört gewesen sei. "Unsere geldpolitischen Signale müssen alle Länder des Euroraums gleichermaßen erreichen. Nur eine Währung, an deren Bestand es keinen Zweifel gibt, ist eine stabile Währung", sagte er. Seit der Ankündigung von OMT Anfang September sei der Unterschied bei den Zinsen, die Unternehmen für Kredite zahlen müssen, zwischen den Euroländern etwas gesunken. Das wertete Asmussen als Zeichen der Effektivität dieser Maßnahme.

Auch der Musterschüler Deutschland darf nach Ansicht des früheren Finanzstaatssekretärs nicht nachlassen: "Dass zurzeit die Welt mit gewisser Bewunderung auf Deutschlands relativ robuste Konjunktur schaut, sollte nicht dazu verleiten, sich auf diesen Lorbeeren auszuruhen." Sonst gelte Deutschland in fünf Jahren wieder als "kranker Mann Europas". Reformbaustellen gibt es laut Asmussen genug, zum Beispiel die Ausbildung im mathematisch-naturwissenschaftlichen Bereich.
RiskNET Redaktion /07.12.2012 07:00
EZB will sich nicht als Geisel der Staaten nehmen lassen

Die Europäische Zentralbank (EZB) wird sich nach den Worten von EZB-Direktoriumsmitglied Benoit Coeure von den Euroländern nicht als Geisel nehmen lassen, wenn es um den Kauf von Staatsanleihen geht. In einer Rede in Frankfurt versicherte der Währungshüter laut Manuskript, dass die disziplinierende Wirkung der Märkte trotz des neuen Anleihekaufprogramms OMT in Takt bleiben werde.

Mit dem OMT-Programm will die EZB notfalls am Anleihemarkt eingreifen und unbegrenzt Papiere gebeutelter Euro-Länder kaufen, um deren Refinanzierung zu sichern. "Die EZB hat nicht die Absicht Schatzwechsel zu kaufen, um in Not geratene Staatshaushalte wieder ins Gleichgewicht zu bringen", sagte Coeure. Regierungen werden, so der Notenbanker, weiter die Verantwortung für den Haushalt tragen und die EZB wird den Leitzins so festlegen, das Preisstabilität gesichert ist. Kritiker werfen der EZB vor, mit dem neuen Vorstoß unerlaubte Staatsfinanzierung über die Notenpresse zu betreiben.
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