7. Jahreskonferenz der RMA

Risikomanagement: Das Undenkbare denken


Risikomanagement: Das Undenkbare denken News

"Wir betrachten die außerordentliche und vorübergehende Gunst unserer früheren Lage als natürlich, dauernd und verlässlich und richten unsere Pläne danach aus." Nein, das ist kein Zitat eines aktuellen Politikers oder EZB-Sprechers. Vielmehr haben wir es mit einer Aussage von John Maynard Keynes zu tun. Seines Zeichens einstiger britischer Ökonom und Politiker, der die Folgen des Ersten Weltkrieges für Europa in seinem Buch "Krieg und Frieden" prophezeite. Wie trefflich sich der Kern dieser Aussage auf unsere moderne Weltordnung übertragen ließe, erfuhren die Teilnehmer der 7. Jahreskonferenz der Risk Management Association e. V. (RMA) im Oktober in Würzburg.

Prof. Dr. Franz J. Radermacher von der Universität Ulm und Mitglied des Club of Rome, stellt in seiner Keynote: "Welt mit Zukunft – Überleben im 21. Jahrshundert: Ein Global Marshall Plan als Leitidee" wegweisende Thesen unserer aktuellen und zukünftigen sozialen sowie wirtschaftlichen Weltordnung auf. Im Klartext: Wir haben eine Chance von rund 35 Prozent, den Globus und ihre Menschen vor dem Kollaps zu bewahren. Im Kontext dessen steht eines fest: Es wird ungemütlich.

Explosive Beschleunigung, Politik ohne Vormacht

Radermacher sieht die aktuelle Lage des weltökonomischen Systems "in einem Prozess zunehmender Entfesselung und Entgrenzung im Kontext des Megatrends explosive Beschleunigung". Einerseits rast die Weltbevölkerung auf die 10-Milliarden-Grenze zu, mit einem immensen Ressourcenzugriff in puncto Produktion und Ernährung. Die Schlüsselfrage ist: Wie lassen sich mit einer begrenzten Menge an Ressourcen genügend Güter produzieren, um die Erwartungen der alten Welt und aufstrebender Nationen zu befriedigen? Und das ohne eine abgemähte Wiese im globalen Maßstab zu hinterlassen.

Damit einhergehend sei der "Verlust des Primats der Politik" festzustellen, die in ihren Strukturen national, teils kontinental, aufgestellt sei, mit dem Fehlen einer globalen Ausrichtung. Dies behindere aufgrund fehlender globaler Standards und mangelnden Regulierungsmöglichkeiten im internationalen Maßstab eine nachhaltige Entwicklung. Die Gefahr: Der soziale Ausgleich fehlt und die Balance zwischen den Kulturen und einer globalen wirtschaftlichen Stabilität geht verloren.

Global Marshall Plan als Lösung

Wie benötigen eine bessere Global Governance, so die Forderung von Radermacher. Das wird nur funktionieren, wenn die reichen Länder die armen Länder unterstützen. Wie können erste Schritte in Richtung auf eine faire und globale Governance-Struktur aussehen?

Der frühere US-Vizepräsident und Friedensnobelpreisträger Al Gore skizzierte den Global Marshall Plan wie folgt: "Wir brauchen heute einen Global Marshall Plan, um die Welt zu retten und Milliarden besitzlosen Menschen die Möglichkeit zu geben, wirklich an der Wirtschaft teilzuhaben. Bedenken Sie, dass das Richtige richtig bleibt, auch wenn niemand das Richtige tut. Und das Falsche falsch bleibt, auch wenn alle es tun."

Innovationen als Chance

Ein Schlüssel steckt nach den Worten Radermachers in Innovationen, dem Erfinden des Neuen. Nur mithilfe eines nachhaltigen Wachstums können neue Chancen und Perspektiven für die Welt im 21. Jahrhundert entstehen. Oder anders ausgedrückt: kein technischer Fortschritt, keine friedliche Lösung. Das knüpft an die Idee des Global Marshall Plans an, nachdem die Menschheit nur eine Chance hat, wenn sie ein zukünftiges Konzept für "eine Welt in Balance" schafft. Diesem Konzept folgend, gründet die Idee auf "ethischen und moralischen Grundprinzipien": Weltethos, Menschenpflichtenerklärung und einer Erdcharta.

Schlaraffenland ist abgebrannt

Die Suche soziale Geborgenheit und Sicherheit ist wichtiger geworden als Freiheit. "Die Deutschen wollen auf Nummer Sicher gehen," bestätigt der Zukunftswissenschaftler Prof. Dr. Horst W. Opaschowski auf der RMA-Jahreskonferenz 2012. Zukunftsforschung als Risikomanagement heißt: Das Undenkbare denken. Viele Szenarien, die in den vergangenen Jahren eingetreten sind, waren für die Mehrzahl der Experten undenkbar. Der Zukunftswissenschaftler spricht hierbei von "Wild Cards".

Wildcards sind plötzliche, zufällige und unerwartete Ereignisse in der Geschichte und Natur, die eine sehr geringe Wahrscheinlichkeit haben, die aber wesentliche Änderungen bewirken. Derartige außergewöhnliche Einzelereignisse, die Risikomanager "Schwarzen Schwan" (Black Swan) nennt, sind "Ausreißer", die außerhalb des üblichen Bereichs der Erwartung liegt, da in der Vergangenheit nichts Vergleichbares geschehen ist. Opaschowski ist davon überzeugt: "Das Schlaraffenland ist abgebrannt. Das warme Bad im Wohlstand ist vorbei." Die Wohlstandsgesellschaft entlässt ihre Kinder in eine unsichere Zukunft. Die überwiegende Mehrheit der Menschen vertritt mittlerweile die Auffassung: Für die junge Generation ist es in Zukunft viel schwieriger, ebenso abgesichert und im Wohlstand zu leben wie die heutige Elterngeneration.

Die Klippe, die es zu umschiffen gilt

Neben vielen fachlichen Vorträge – unter anderem von der Deutschen Lufthansa AG, der AXA Konzern AG sowie der österreichischen Verbund AG – nahm Sönke Roever die Teilnehmer der Jahreskonferenz mit auf eine Reise über die sieben Weltmeere. 1200 Tage Samstag haben Sönke Roever und seine Frau miteinander an Bord der 10,60 Meter langen Hippopotamus verbracht.

1200 Tage, das sind drei Jahre auf See, 30 besuchte Länder von Hamburg bis Tahiti und wieder nach Hamburg zurück. Wer möchte da nicht mitreisen können, von den Kanaren zu den ABC-Inseln, Galapagos, Marquesas, Niue, Tonga, Cocos-Inseln, Mauritius, St. Helena, Azoren und was noch alles an idyllischen Eilanden auf dem Weg rund um die Welt liegt. Dazwischen liegen viele Tage Einsamkeit auf dem endlosen Ozean. Unterbrochen nur durch diverse Gefahren. Wenn etwa ein Sturm die Wassermassen über das Deck fegt und man nichts mehr machen kann, weil man machtlos ist gegenüber den entfesselten Gewalten.

Da erinnert man sich schnell an den Ursprung des Risikobegriffs. Etymologisch kann Risiko sowohl auf das frühitalienische risco (für "die Klippe") zurückverfolgt werden als auch auf das griechische "ριζα" ("rhíza") für "Wurzel".  Sowohl eine zu umschiffende "Klippe" als auch eine aus dem Boden herausragende "Wurzel" kann ein Risiko darstellen.

Impressionen zur Jahreskonferenz finden Sie in der RiskNET Bilderstrecke.

 

[Bildquelle: © raywoo - Fotolia.com]

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